Imaginierte Körper
Tobias Staab und Nadja Sofie Eller in der Muffathalle

5. Februar 2024 • Text von

Die Ausstellung “Morphologies” in der Muffathalle stellt den menschlichen Körper in den Fokus artifizieller Fieberträume. Die Szenografin Nadja Sofie Eller und der Künstler Tobias Staab zeigen neue, gemeinsame Arbeiten, entstanden in Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz. Zu sehen sind leere Hüllen, aufgepumpte Masse und zuckende Gliedmaßen.

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Monuments © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller.

Ausgangspunkt ist immer der Körper. Tobias Staab und Nadja Sofie Eller bewegen sich in ihrer kreativen und künstlerischen Praxis nah am Menschen, nah an der Bewegung. Beide arbeiten transdisziplinär zwischen Musik, Tanz, Theater und bildender Kunst. Der Körper wird in den multimedialen Raum- und Videoinstallation zum Material und zum Sujet. Gemeinsam mit befreundeten Tänzer*innen erkunden Staab und Eller die fließenden Grenzen zwischen analog und digital, zwischen Materialität und Transzendenz. Die Künstler*innen untersuchen in ihrer Ausstellung “Morphologies” in der Muffathalle den menschlichen Körper an der Schwelle zwischen materieller Präsenz und digitaler Repräsentation.

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Phantom Visions  © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller. // Phantom Visions,  © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller.

Die Videoarbeit “Phantom Visions” beginnt mit einem tiefen Bass und einer schnellen Bildfolge. Die in schwarzweiß gehaltenen Aufnahmen vermitteln anfangs einen dokumentarischen, archivarischen Charakter. Zu sehen sind Szenen, die an Fotografien aus einer anderen Zeit erinnern: Menschen, die mit anachronistischer Technologie hantieren, in Laboren und vor großen Rechenzentren. Verzerrte Bilder von Gliedmaßen, kultischen Versammlungen und missgestaltete Föten mischen sich unter die andauernde Bilderflut. Für ihre Arbeit “Phantom Visions” ließen Staab und Eller eine künstliche Intelligenz über den menschlichen Körper fantasieren. Die Ergebnisse dieser algorithmischen Träumereien fügen sich zu einer Abfolge unheimlicher Imaginationen zusammen.

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Phantom Visions © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller. // Phantom Visions  © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller.

Auf den ersten Blick ebenfalls unheimlich wirkt die Projektion des animierten Körpers auf der gegenüberliegenden Leinwand. Dort schwebt ein haarloser, glatter Körper schwerelos vor einem schwarzen Hintergrund. Die anfänglich noch füllige Gestalt wandelt sich langsam vor den Augen der Betrachter*innen. Muskeln schwellen an, pumpen sich auf und werden definierter, werden übergroß. Die fleischfarbenen Körperteile des geschlechtslosen Leibes fangen an, sich zu verdrehen, sich zu überlappen. Das Innere scheint nach außen gestülpt. Der Körper transformiert sich zu etwas Neuem.

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Autonomous Avatar © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller.

Losgelöst von den physischen Gesetzen der analogen Welt sowie von Geschlechts- und Schönheitsidealen zeigt die Videoarbeit “Autonomous Avatar” die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Körpers auf digitaler Ebene. Die Gestik der animierten Gestalt auf der Leinwand basiert auf einem Bewegungsvokabular, welches die Künstler*innen gemeinsam mit Tänzer*innen ins Digitale übersetzt haben. Auf dem Boden vor der Videoprojektion befindet sich ein schwarzer Overall, versehen mit Kabeln und Elektroden. Wie eine leere Hülle verweist der Motion-Capture Anzug auf die ehemals physische Präsenz der Tänzer*innen.

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Autonomous Avatar © Tobias Staab & Nadja Sofie Eller.

Die Literaturwissenschaftlerin N. Katherine Hayles untersuchte in ihrer Publikation “How we became Posthuman” bereits 1999, welche Einflüsse das Informationszeitalter auf den menschlichen Körper haben könnte. Ein Vierteljahrhundert später ist die Debatte fortgeschritten, ebenso wie die technischen Entwicklungen. Künstliche Intelligenzen begleiten uns im Alltag und posthumanistische Ideen florieren weiterhin. Benötigen wir bald keinen fleischliche Hülle mehr? Die Ausstellung “Morphologies” regt zum Nachdenken über den eigenen Körper an, über seine Möglichkeiten und Grenzen.

WANN: Die Ausstellung “Morphologies” ist noch bis zum 11. Februar zu sehen. 
WO: Muffatwerk, Zellstraße 4, 81667 München. 

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