Kaffee, Kippe, Kurzurlauben
Monja Gentschow in der HVW8 Gallery

1. Dezember 2022 • Text von

Herrlich, Faulenzen am Pool, während einem die Sonne auf den Bauch scheint. Dazu Drinks, Pommes und Kippe. So fühlt sich Freiheit an. Oder auch ein “Kurzurlaub”, den Monja Gentschow auf Leinwand festgehalten hat. Ihre verspielt farbenfrohen Bilder sind Ausdruck ihrer Kindheit und all-inclusive Pauschalreisen mit der Familie, gleichzeitig ein Abbild unserer ästhetisierten Insta-Feeds, die uns haufenweise Urlaubsfotos ausspucken. Wer also mal ein Päuschen vom winterlichen Berlin braucht, findet hier einen Ort zum kurzweiligen Entfliehen – in der analogen Welt.

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Ausstellungsansicht “Kurzurlaub” von Monja Gentschow mit den Arbeiten und “Schirme grün-weiß 2-4” und “Pool 1”, HVW8 Gallery © Justyna Fedec.

Wir können es doch alle immer mal wieder gut gebrauchen: die Flucht aus dem Alltag, dem Arbeitsstress und den Sorgen, die uns plagen. Wo man früher noch das nächste Reisebüro aufsuchen und mit Mitarbeiter*innen interagieren musste, ist das Glück heute nur noch wenige Klicks entfernt. Zack, gebucht ist die Reise nach bella Italia. Oder Mallorca. In der HVW8 Gallery in Berlin-Mitte gibt es das Sommergefühl derzeit kostenlos. In der ersten Einzelausstellung “Kurzurlaub” der Malerin Monja Gentschow treffen Sonnenschirme, kühle Drinks, heiße Fritten und knackige Popos auf Pools, Kippenstummel und Plastikstühle. Ein großer Eisbecher für die Kinder und der “Kaffe” dürfen auch nicht fehlen.

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Ausstellungsansicht “Kurzurlaub” von Monja Gentschow mit den Arbeiten “Nanni Beach”, “Spät abends”, “Zweiachtzig” und “Schirme orange-weiß 1”, HVW8 Gallery © Justyna Fedec.

Was Monja Gentschow hier gemalt hat, ist kein Urlaub in schicken Luxus-Resorts, nein. Es sind die Urlaube der Normalbürger*innen, die recht einfache Seite des Freizeitvergnügens, jedoch so perfekt inszeniert, dass es sich doch irgendwie nach etwas ganz Besonderem anfühlt. Die Künstlerin, so schreibt sie es selbst in einem Begleittext zur Ausstellung, hat die Urlaube mit ihrer Familie geliebt. Sie sind ihr bis heute in guter Erinnerung geblieben. Die Sonnenbrille liegt am Rande des Pools, während die Zigarette noch vor sich hin dampft. Der perfekte moody Insta-Schnappschuss. Es ist ein Vibe. Dass da daneben eigentlich ein weißer Plastikstuhl steht, wird auf der Leinwand bewusst ignoriert. Dafür hat es das Objekt physisch in den Ausstellungsraum geschafft und vervollständigt die Szenerie.

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Monja Gentschow, “Pool 3”, Öl auf Leinwand, 2022, HVW8 Gallery © Justyna Fedec.

Die Illustratorin, Grafik Designerin und Malerin aus Berlin löst in ihren gegenständlichen Werken teilweise die Perspektive auf, bringt Bildelemente spielerisch zusammen und limitiert den Ausschnitt so, dass in erster Linie nur die Idee einer Situation vermittelt wird, eine vage Vorstellung, die ihre Fortsetzung in der Imagination der Betrachter*innen findet. Sie bringt eine Farbpalette auf die Leinwand, die “Sommer!” schreit und einen die frühwinterlichen Temperaturen verfluchen lässt, die derzeit in Deutschland herrschen. Ihre Arbeiten laden jedoch nicht nur zu Urlaubsträumereien ein, sie porträtieren gleichzeitig beispielhaft Charaktere, denen man im “Kurzurlaub” am Pool oder der Imbisstheke begegnen könnte.

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Ausstellungsansicht “Kurzurlaub” von Monja Gentschow mit den Arbeiten “Vormittags”, “Früh morgens”, “Später Nachmittag” und “Pool 2”, HVW8 Gallery © Justyna Fedec.

Die Werke “All inclusive 1 + 2” zeigen vollständig nackte Personen an der Theke – bereit für den nächsten freien Drink, ist ja alles inklusive. Sich dafür mal eben was überwerfen? Viel zu umständlich. Das Bild “Kaffe” zeigt Hände mit langen pinken Fingernägeln bei (Überraschung) einer Tasse Kaffee. Der Bildausschnitt ist so klein, dass wir zwar nur die Hände sehen und dennoch abrupt eine genaue Vorstellung von der Person entsteht, die den morgendlichen “Kaffe” mit Kippchen im Bikini auf dem Plastikstuhl genießt und einem mit leicht kratziger Stimme “Juten Morgen” entgegenbringt. Vielleicht macht sich die fiktive Person nach ihrem kleinen Morgenritual anschließend auf den Weg zur Sonnenbank, die Monja Gentschow in “Palme D‘or” gemalt hat. Es wirkt absolut plausibel. Schließlich muss Mensch für die Urlaubs-Realness doch knackig gebräunt aussehen.

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Ausstellungsansicht “Kurzurlaub” von Monja Gentschow mit den Arbeiten “Kaffe”, “Valensina 1”, “Therapie” und “Valensina 2”, HVW8 Gallery © Justyna Fedec.

Die neuen Kunstwerke von Monja Gentschow bewegen sich irgendwo zwischen Fiktion, Abstraktion und perfekter Inszenierung. Sie visualisieren spielerisch und humoristisch persönliche Kindheitserinnerungen der Künstlerin aus den 90er-Jahren und transportieren gleichzeitig eine perfekt inszenierte Bildsprache, die auch online mit dem Aufkommen der sozialen Medien exponentiell zugenommen hat. Der Wunsch nach dem idealen Leben, einer nach den eigenen Vorstellungen kuratierten Gegenwart, nimmt in der Gesellschaft zu. Einfach nur sein ist nicht mehr, der Druck, den fancy Cocktail an einem lauen Sommerabend oder das hübsch hin drapierte Frühstück mit Croissants und Trauben mit der Welt zu teilen, hoch. Monja Gentschow schafft ein Urlaubsgefühl in der Offline-Welt, vor Verbreitung des Internets und dem Aufkommen sozialer Medien, die uns als Gesellschaft global miteinander vernetzen. Dennoch gelingt es der Künstlerin, mit ihren gemalten “Kurzurlauben”, ihrer Farbauswahl und den bewusst gewählten Bildausschnitten, einen direkten Bezug zur heutigen Zeit und der Ästhetisierung der Online-Welt herzustellen.

WANN: Die Ausstellung “Kurzurlaub” läuft bis zum 14. Januar 2023.
WO: HVW8 Gallery, Linienstraße 161, 10115 Berlin.

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