Kunstvolle Seiten Einblick in die Buchwelt von Jean Jullien in Paris
25. März 2024 • Text von Gast
Das Pariser Kaufhaus “Le Bon Marché” ist seit mehr als einem Jahrhundert ein Ort, an dem Kultur und Kommerz miteinander verschmelzen. Die Ausstellung “Mise En Page” zeigt Werke des französischen Illustrators Jean Jullien. Hier, unter der Architektur von Boileau und Eiffel, stehen seine skulpturalen Figuren als stumme Wächter über dem quirligen Kaufhausleben. (Text: Marie-Louise Schlutius)
Das Markenzeichen des französischen Zeichners Jean Jullien? Weiße, ausdrucksstarke Kulleraugen. Ob schelmisch zur Seite schielend, in stiller Kontemplation verharrend oder staunend – die Mimik seiner Figuren variiert – immer passend zur Stimmung der Illustration. Sie verleihen den Werken des Künstlers einen humorvollen Charakter. Das lädt zum Innehalten und Schmunzeln ein.
Dies ist auch in der aktuellen Ausstellung “Mise en page” der Fall. Im Le Bon Marché Rive Gauche stehen zwei Figuren Julliens im Fokus, welche schon beim Betreten ins Auge fallen. Sie begegnen den Besucher:innen aus zehn Metern Höhe und nehmen fast den gesamten Innenraum ein. Kuratiert von Sarah Andelman beleuchtet die Schau die Rolle des Buches als Kulturgut und Inspirationsquelle.
Die Ausstellung der Skulpturen von Jean Jullien im “Le Bon Marché”, einem Kaufhaus, das seit 1838 Kultur und Handel verbindet, fügt sich harmonisch in die Architektur ein. Sie beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Kunst und digitalem Zeitalter. Jullien, der auf Instagram 1,2 Millionen Menschen erreicht, sorgt mit seinen Werken im Internet für große Resonanz. Mit seiner Figur, die auf einem Bücherstapel sitzt, schafft er ein Symbol für die Rückkehr zum physischen Lesen in einer immer digitaler werdenden Welt.
Die türkisfarbene Skulptur hat ihre charakteristischen Kulleraugen auf das Buch gerichtet, das eine Reihe gezeichneter Mundbewegungen zeigt. Die Zeichnungen spiegeln auf humorvolle Weise die Feinheiten der französischen Sprache wider, ein Spiel mit Buchstaben und Lauten. Im Innenteil des Buches finden sich Illustrationen, auf denen gezeichnete Körper und Köpfe französische Begriffe wie “ENJOUE” (verspielt), “GRAND” (groß), “DODO” (schlafen), “PROTECTION” (Schutz) und “TOUT PRET” (ganz nah) mit verschiedenen Gesten nachspielen.
Eine zweite Figur von Jean Jullien, die einen Schritt nach vorne macht und die Hand wie zum Gruß oder als Wegweiser erhebt, lädt freundlich dazu ein, die Welt der Literatur zu entdecken. Mit ihrer schlichten, aber ausdrucksstarken Gestalt wirkt die Figur wie ein freundlicher Riese, der über das Geschehen wacht. Seine langen Arme weisen den Weg in den zweiten Stock. Dort ist während der Ausstellung ein kleiner Pop-up-Store eingerichtet, in dem T-Shirts, Notizbücher und Geschirr mit den Illustrationen von Jean Jullien erworben werden können. Ein wichtiger Grund für die Ausstellung ist sicherlich, Kund:innen anzuziehen und das Einkaufserlebnis zu bereichern.
In den letzten Jahren sind Kunst und Kommerz oft Hand in Hand gegangen: Zum einen haben groß angelegte Markenkooperationen wie die Partnerschaft zwischen Takashi Murakami und Louis Vuitton die Szene beeinflusst. Diese Kooperationen gelten oft als Wegbereiter für die Verbindung von Kunst und Mode und als Ausdruck neuer künstlerischer Visionen. Auf der anderen Seite gibt es Künstler:innen, die limitierte Drucke in kleinen Auflagen herstellen und damit näher an traditionellen Kunstformen bleiben.
Während Markenkooperationen wie die von H&M und Jeff Koons oder Prada und Damien Hirst den Anschein erwecken, Kunst einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, bleibt die Frage offen, in welchem Ausmaß sie wirklich Zugang bieten. Viele dieser Produkte bleiben für viele Menschen weiterhin unerschwinglich.
In diesem Kontext sticht die Ausstellung “Mise En Page” im Bon Marché in Paris hervor. Die lebendigen Figuren von Jean Jullien in dieser Ausstellung sind nicht nur ein visueller Genuss, sondern fungieren auch als kulturelle Botschafter. Die farbenfrohen Figuren von Jean Jullien verkörpern die Vielseitigkeit und den Humor der Bücher. Ob im Kaufhaus oder über Ablichtungen auf Instagram: Sie geben dem Lesen die Bühne, die es verdient.
WANN: Die Ausstellung ist bis Sonntag, den 21. April, zu sehen.
WO: Le Bon Marché, 24 Rue de Sèvres, 75007 Paris.