Ironie auf Kunstleder Michaela Eichwald bei Marian Goodman
26. Mai 2023 • Text von Teresa Hantke
Sie spielt mit Farbe, Form und Material. Mit Worten, Zweideutigkeit und humorvollen Nuancen. Die bis Ende Juni laufende Ausstellung “hirnlose problemlösung gerade verworfen” der deutschen Malerin Michaela Eichwald bei Marian Goodman in Paris präsentiert eine Reihe neuer Gemälde und Zeichnungen, die durch ihre reiche malerische Gestik, grelle Farbigkeit und Ausgelassenheit überzeugen.
Eine große zellartige Formation in gräulich silbriger Farbe erstreckt sich über die Leinwand. Von weitem meint man ein Wesen mit zwei kurzen Beinen zu erkennen, ein unförmiges Etwas, das sich in seiner rundlichen Erscheinung unelegant auf dem Gemälde betitelt als “Das Leben kann sehr lang sein” präsentiert. Der dunkelrote Hintergrund schimmert durch das Grau, erst beim zweiten Hinsehen fällt auf, dass es sich bei dem Untergrund nicht um die klassische Form einer weißen Leinwand handelt, sondern um Kunstleder in senfgelber Farbe.
Dieser leuchtende und unkonventionelle Untergrund verleiht den mitunter sehr grellen Farben, die die Malerin Michaela Eichwald nutzt, ihre intensive Strahlkraft. Das Acryl leuchtet, lässt hindurch scheinen und hat es gleichzeitig sehr viel schwerer auf der glatten Oberfläche der PVC-Folien zu haften. Nicht zuletzt der Grund, weshalb Bilder wie “Verbrämungsstress” dripping-artige Farbverläufe aufweisen. Was Pollock in wilder Gestikulation auf den Bildträger brachte, ist auch Eichwald nicht fremd. Malerei bedeutet Experimentieren für die Künstlerin. Spielerisch geht sie mit Farben, Formen und Material um. Lässt ihrer Inspiration freien Lauf, malt, nicht nur mit dem Pinsel, sondern nutzt ihren Körper oder stempelt Kartoffeln wie in “Pilzsarg Fantasie” auf den Untergrund.
Eichwalds Malerei zeugt von einem Experimentieren, aber auch einem stetigen Probieren, welche Grenzen, das mitunter klassischste Medium der Kunstgeschichte, der Malerin bietet. Farbwahl und Duktus zeugen wie in “Gluthirnfritteuse”, das durch seinen humoristischen Titel an eine überdimensionale Kartoffel denken lässt, von einer Herangehensweise, die durchaus intuitiv und spontan wirkt. Dieser ausdrucksstarke Stil ist ein Merkmal, das die Werke der Künstlerin an diese der Neuen Wilden heranrückt. Werke von Martin Kippenberger, nicht zuletzt, was die humorvolle Betitelung der einzelnen Ausstellungsstücke anbelangt, genauso wie Arbeiten Walter Dahns oder Albert Oehlens kommen in den Sinn.
Letzterer, begeistert von Eichwalds Malerei, hat in der Pressemitteilung zur Ausstellung bei Marian Goodman die Freude, Verzückung und gleichzeitige Verwunderung, die man beim Betrachten von Eichwalds Bildern erlebt, gekonnt zusammengefasst: “Wenn ich aber vor einem Bild stehe und mich frage, wie hat sie das gemacht? (…) dann versetzt mich das in einen euphorischen Zustand.” Diese Euphorie scheint nicht nur den freien Farbfeldkonstruktionen geschuldet, sondern Eichwalds gelungenem Anwenden von Schrift und Worten in ihrer Malerei. Die Künstlerin, die Literatur und Philosophie studiert hat und im Köln der 1980er Jahre als Texterin wirkte, was durchaus einen Einfluss des Stils der Neuen Wilden erklären mag, setzt Sprache in ihrem Werk gezielt ein.
Titel wie genannte “Gluthirnfritteuse” oder “Pilzsarg Fantasie” eröffnen einen weiten Interpretationsspielraum und führen Bildinhalte wie einen blauen großen Kleks betitelt mit “Als Mutti in den Westen ging”, ad absurdum. Spontane Assoziationen und Gedanken, wie die Titel der Pariser Ausstellung scheinen, hält Eichwald in ihrem Blog uhutrust.com fest. Am 12. Mai ist notiert: “Merci Paris. Hat alles gut geklappt. Ich möchte bald wieder kommen. Mit mehr Ruhe.” Dem Pariser Publikum möge es gegönnt sein.
WANN: Die Ausstellung “hirnlose problemlösung gerade verworfen” läuft noch bis Samstag, den 24. Juni.
WO: Marian Goodman Gallery, 79 Rue de Temple, 75003 Paris.