Die Welt der Memes Götz Schramm in der Galerie Falko Alexander in Köln
28. Juni 2021 • Text von Julia Stellmann
In fast altmeisterlicher Darstellung von Memes lässt Götz Schramm digitale und analoge Elemente zu einer neuen Form von Wirklichkeit verschmelzen. Die Gemälde der Einzelausstellung in der Galerie Falko Alexander streifen nicht nur hochaktuelle Fragen von Autor*innenschaft im Netz, sondern entwickeln auf den zweiten Blick politische Brisanz.
Beim Betreten der Galerie Falko Alexander in Köln tauchen Gemälde wie Pop-ups vor dem betrachtenden Auge auf, überlagern sich vergleichbar einzelner Tabs und fügen sich zu einem Strom von farbintensiven Eindrücken. Es sind am Rechner gebaute Bildkompositionen, in langwieriger Handarbeit ins große Format übertragen. Die in fast altmeisterlichem Duktus gemalten Werke stehen in scheinbarem Gegensatz zu ihrem Sujet, dessen Bildpersonal aus dem schier unerschöpflichen Repertoire der Netzkultur schöpft. Bekannte Memes, mit Inhalt aufgeladene Kommentare zum Zeitgeschehen, lassen die Betrachter*innen schmunzeln und die Bilder intuitiv gedanklich in einen bestimmten Bedeutungszusammenhang fügen. Baby Yoda, Faultier und Doge kommen den Besucher*innen der Galerie in ungewohnter Form aus der Bildwelt von Götz Schramm entgegen.
Memes funktionieren als eine Art eigene Sprache, lassen sich oft auf knappe Aussagen herunterbrechen, sind wie ein Code auf eine Bedeutung festgelegt und lassen doch meist Interpretationsspielräume zu. Sie sind Teil des kollektiven Gedächtnisses der Netzgemeinde und werden als Gemeinschaftswerk millionenfach geteilt. Doch Memes sind nicht nur lustige Bildchen, sondern oft auch mit gesellschaftskritischem Inhalt aufgeladen. Als Informationsträger gehen sie, von Nutzer*innen stetig weiterbearbeitet, in immer neuen Varianten viral. Die meisten Memes entstehen aus dem Nichts, haben keine spezifischen Urheber*innen und streifen somit Fragen von Autor*innenschaft, die in der Kunstgeschichte schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkamen und nicht zuletzt in Roland Barthes’ 1967 veröffentlichten literaturtheoretischen Aufsatz „Der Tod des Autors“ kulminierten.
Der kunsthistorische Kanon klingt dabei nicht nur mit direkten Bildzitaten wie Caravaggios „Judith und Holofernes“ in Schramms Werken an, sondern auch in den sprechenden Bildtiteln. Ähnlich zur Verwendung der Memes werden allgemein bekannte Kunstwerke wiederverwendet und weiterverarbeitet, werden Titel von berühmten Werken der Vergangenheit geborgt und in einen neuen Bedeutungszusammenhang überführt. In ähnlicher Weise verwendet Schramm auch Markenzeichen, die als überpräsente Symbole der Konsumwelt, zunehmend identitätsstiftend sind.
Zugleich aber versetzt Schramm das kollektive Bildrepertoire mit persönlichen, biografischen Details, wenn sie*er sich selbst als Jugendliche*n ganz klein ins Fell des Faultiers malt, wenn der Bundesadler als staatstragendes Symbol aus dem Hintergrund aufsteigt und die eigene Familiengeschichte in die Bilder eingeschrieben wird. Immer wieder lassen sich Reminiszenzen an die doppelseitige deutsche Geschichte entdecken, die nach einer stets zwiespältigen deutschen Identität fragen und mit der Geburt der Künstler*in 1983 in Potsdam biografisch basiert sind. Politisch hochbrisante Themen klingen an und lassen an neu-rechte Strömungen denken, die besonders im Osten jüngst erschreckend hohe Wahlergebnisse einfahren. Auch diese Szene bedient sich Memes, wenn beispielsweise Pepe the Frog zum Erkennungszeichen der amerikanischen Alt-Right, einer im ultrarechten Spektrum angesiedelten Sammlungsbewegung, umgedeutet wird.
Die aus stimmungsvollen Farbverläufen bestehenden Hintergründe der Gemälde erinnern an das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop. Brauchte es mit Aufkommen der Fotografie noch aufwendiges Equipment, um Bilder zu manipulieren und Personen aus dem Lauf der Geschichte zu retuschieren, eröffnet das Bildbearbeitungsprogramm ganz neue Möglichkeiten. Immer umfassendere Bildmanipulationen, man denke in diesem Zusammenhang auch an sogenannte Deepfakes, setzen ein kritisches Auge der Rezipierenden voraus. Deepfakes bezeichnen dabei multimediale Inhalte, zumeist Videomaterial, das mithilfe von künstlicher Intelligenz verändert wurde und für das ungeübte Auge schwerlich als unauthentisch zu entlarven ist. Was ist Wirklichkeit? Was ist Fälschung? Das Hinterfragen von Fakten gehört mehr denn je zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem aktuellen Weltgeschehen, wenn mit manipulierten Bildern und Fakten die Geschichte umzuschreiben versucht wird.
So banal die Gemälde von Götz Schramm zunächst auch erscheinen mögen, mit umso größerer Wucht trifft die Betrachter*innen ihre gesellschaftskritische Brisanz auf den zweiten Blick. Wenn durch Instagram-Filter digitale Inhalte aus den Bildern treten, Virtuelles in die reale Welt einbricht und Betrachter*innen nicht mehr wissen, was eigentlich Realität bedeutet, dann sind wir mittendrin in einer Zeitenwende, in der Kunst, wie die von Götz Schramm, die Wand zur virtuellen Wirklichkeit durchbricht.
WANN: Die Ausstellung läuft bis Samstag, den 24. Juli.
WO: Galerie Falko Alexander, Venloer Str. 24, 50672 Köln.