Friends with dimensions
Angela Stiegler bei Françoise Heitsch

4. Dezember 2020 • Text von

In ihrer ersten Einzelausstellung bei Françoise Heitsch gießt Angela Stiegler soziale Beziehungen in skulpturale Artefakte. Unter dem Titel „I treat my friends as sculptures“ zeigt die Münchner Künstlerin poetische Arbeiten, die Text, Bild und Skulptur vereinen.

Ausstellungsansicht: Angela Stiegler, „Reformhaus“, 2020, Foto: Constanza Meléndez.

Wie eine halbtransparente Membran, die Außen und Innen gleichermaßen trennt und verbindet, wirkt die Glasarbeit „Karin“, die Angela Stiegler für das großformatige Schaufenster der Galerie Françoise Heitsch in der Maxvorstadt konzipiert hat. Zwei rechteckige Farbflächen sind in den Rahmen des Fensters eingefasst und bilden eine malerische Einheit. In der inneren Fläche kann man einen handgeschriebenen Text erkennen, der von Sehnsüchten und Entscheidungen handelt und den Ton für den Besuch der Ausstellung in der Galerie Françoise Heitsch setzt, medienübergreifend, gestisch, poetisch und kollaborativ: Der Text an der Fensterscheibe ist nicht von der Künstlerin selbst verfasst, sie hat ihn sich von einer anderen Autorin geliehen.

Ausstellungsansicht: Angela Stiegler, „Reformhaus“, 2020, Foto: Constanza Meléndez.

Angela Stiegler nutzt unterschiedliche Medien und verfolgt verschiedene Ansätze, um sich Konzepten der Körperlichkeit und sozialer Strukturen zu nähern. In Videos, Performances, Texten und skulpturalen Arbeiten verhandelt sie Prozesse der kollaborativen Zusammenarbeit und hinterfragt die Idee einer exklusiven Autor*innenschaft im Kontext der Kunst. Für ihre transdisziplinären Projekte, in denen sie sich auch wissenschaftlicher Methoden bedient, arbeitet sie oftmals mit Kooperationspartnern zusammen. Sie hat in München, Karlsruhe und Athen studiert und gelehrt. Seit 2013 ist sie Mitbegründerin der selbstorganisierten KünstlerInneninitiative „K“, die in wechselnder Form zwischen künstlerischer Produktion, wissenschaftlicher Recherche und sozialem Experiment changiert.

Ausstellungsansicht: Angela Stiegler, „Reformhaus“, 2020, Foto: Constanza Meléndez.

In ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie zeigt Angela Stiegler nun, neben der eingangs erwähnten Glasarbeit, Skulpturen und Bilder aus aktuellen Serien. Den Hauptraum dominiert eine Gruppe kubischer Objekte, die auf eklektisch ausgewählten Podesten positioniert sind. Was zunächst wie Epoxidharz wirkt, ist in Wirklichkeit geformtes Glycerin. Schemenhaft erkennt man in diesen Objekten eingegossene Fotos, abstrakte Farbverläufe und Textelemente, die milchige Seife wirkt wie ein Filter, die Bildträger in den Objekten scheinen verwaschen. Die Skulpturen, auf ihren Podesten im Raum arrangiert und als Gruppe inszeniert, wirken wie individuelle Akteure, die interagieren und zueinander in Beziehung stehen. Zudem setzen sie jeweils Referenzen zu Erinnerungen der Künstlerin an spezielle Begegnungen und Menschen. Wie archivierte Artefakte verweisen sie auf das persönliche Beziehungsgeflecht der Künstlerin, aus dem sich ihre Arbeit speist. Obwohl im Material fixiert, sind sie nicht vollends konserviert: Die Seife reagiert auf die Umwelt, arbeitet und verformt sich stets langsam weiter.

Installationsansicht: Angela Stiegler, „Residenz“, 2020, Foto: Constanza Meléndez.

Eine andere Form der Konservierung oder Dokumentation nutzt Angela Stiegler für ihre Arbeit, die im Untergeschoss der Galerie zu sehen ist. Ein abstraktes, 24-teiliges Geflecht aus bedruckten Glasplatten ist dort nah über dem Boden arrangiert, dynamisch, spitz und dennoch organisch. „Residenz“, so der Titel, basiert auf Bildmaterial, das die Künstlerin von einer Freundin aufgenommen hat. Mit einer speziellen Software wurde aus diesen Daten ein dreidimensionales Modell der Freundin generiert und für die Ausstellung wieder auf zwei Dimensionen reduziert, transformiert. Das Ergebnis ist eine abstrahierte Landkarte aus Formen und Texturen.

Installationsansicht: Angela Stiegler, „Residenz“, 2020, Foto: Constanza Meléndez.

Angela Stieglers künstlerische Herangehensweise ist geprägt von Austausch und Kooperation, sie bewegt sich in einem selbstgewählten Netzwerk aus Akteur*innen, die sich gegenseitig unterstützen und als Echokammern dienen. Auch in der aktuellen Ausstellung sind diese Gefährt*innen präsent, als Gedanken, Erinnerungen, Spuren und Ideengeber. Der Titel „I treat my friends as sculptures“ mag vielleicht lakonisch und leger klingen, die Einzelausstellung selbst nimmt den Gedanken der Zusammenarbeit und gegenseitigen Wertschätzung ernst.  

WANN: Noch zu sehen bis zum 29. Januar 2021.
WO: Galerie Françoise Heitsch, Amalienstrasse 19, 80333 München.

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