Willkommen im Hotel Dodo
Luís Lázaro Matos im Kunstverein Braunschweig

18. April 2023 • Text von

Als Besucher*in im “Hotel Dodo” einchecken und sich wie auf Mauritius fühlen: dieses Erlebnis machen Luís Lázaro Matos und der Kunstverein Braunschweig nun möglich. Die immersiven Rauminstallationen sind Abstraktionen der Suiten jener Luxusresorts, denen der Künstler auf seiner Reise begegnet ist. Was in der Ausstellung auf den ersten Blick farbenfroh und humorvoll daherkommt, blickt auch hinter die Fassade des Paradieses und wirft komplexe Fragen nach Massentourismus, Kolonialismus und Privilegien auf.

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Luís Lázaro Matos, Hotel Dodo, 2023, Ausstellungsansicht Kunstverein Braunschweig 2023, Courtesy: der Künstler, Galeria Madragoa, Lissabon und Kunstverein Braunschweig, Foto: Martin Ly.

Im Erdgeschoss der Villa Salve Hospes (lateinisch: “Sei willkommen, Gast”), dem Hauptausstellungsraum des Kunstverein Braunschweig, sind Besucher*innen derzeit eingeladen, am Empfangstresen in das “Hotel Dodo” des portugiesischen Künstlers Luís Lázaro Matos einzuchecken und in die farbenfrohe Welt der Mauritius-Inseln einzutauchen. Ein bisschen Wellness, unter Palmen liegen und am Strand relaxen? Kein Problem! Für 35.000€ können Besucher*innen tatsächlich die Nacht in einer der drei Suiten der Ausstellung verbringen – die individuell gestalteten Betten stehen bereit, Türen und einen Wasseranschluss an den Badewannen sucht man hier jedoch vergeblich. Wer dennoch das nötige Geld beisammen und Lust auf einen ungewöhnlichen Hotelaufenthalt hat, kann in die eindrucksvoll gestalteten Rauminstallationen einkehren und ein Teil davon werden. Für den Anfang tut’s aber auch der deutlich erschwinglichere Ausstellungsbesuch, um sich einen eigenen Eindruck vom “Hotel Dodo” und seinen Räumlichkeiten zu verschaffen.

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Luís Lázaro Matos, Hotel Dodo, 2023, Ausstellungsansicht Kunstverein Braunschweig 2023, Courtesy: der Künstler, Galeria Madragoa, Lissabon und Kunstverein Braunschweig, Foto: Martin Ly.

Es begann als erholsame Urlaubsreise und endete in einer intensiven künstlerischen Betrachtung zu den verschiedenen Mauritius-Orten, die Luís Lázaro Matos während seiner Reise besuchte. Obwohl die aufeinanderfolgenden Rauminstallationen zunächst knallig, humorvoll und zugegeben auch absolut instagrammable daherkommen, verhandeln sie gleichermaßen komplexe, ernsthafte und tragische Themen, die mit dem Inselstaat in direkter Verbindung stehen: das Aussterben von Tierarten, der Umgang mit natürlichen Ressourcen, die Folgen des Massentourismus und seine koloniale Geschichte. Transportiert werden die Auseinandersetzungen des Künstlers jedoch auf ganz spielerische und fantasievolle Art und Weise, die einen leichteren Zugang zu der Kunst ermöglicht.

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Luís Lázaro Matos, Hotel Dodo, 2023, Ausstellungsansicht Kunstverein Braunschweig 2023, Courtesy: der Künstler, Galeria Madragoa, Lissabon und Kunstverein Braunschweig, Foto: Martin Ly.

Namensgebend für das imaginierte Hotel ist der Dodo – ein flugunfähiger Vogel, der ausschließlich auf Mauritius lebte und vor etwa 300 Jahren ausgestorben ist. Seine Existenz wurde erst Jahrhunderte später nachgewiesen und sein Aussehen anhand ungenauer historischer Unterlagen im Nachhinein rekonstruiert. Luís Lázaro Matos findet in seinen Rauminstallationen einen eigenen visuellen Ausdruck für den Dodo: alle Darstellungen sind bizarre, teilweise geschlechtslose Mischformen aus Mensch, Fabelwesen und Tier, die in unterschiedlichen Positionen und Ausprägungen ihre Sexualität frei an diesem imaginierten Ort ausleben. Der Künstler schafft mit seinen großformartigen Wandbildern – ein Medium, das sich durch die gesamte Ausstellung zieht – hier also nicht nur einen eher ungewöhnlichen und unkonventionellen Urlaubsort, sondern auch eine Art Safe Space, an dem queere sexuelle Begegnungen jederzeit möglich zu sein scheinen.

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Luís Lázaro Matos, Hotel Dodo, 2023, Ausstellungsansicht Kunstverein Braunschweig 2023, Courtesy: der Künstler, Galeria Madragoa, Lissabon und Kunstverein Braunschweig, Foto: Martin Ly.

Mauritius selbst und auch die Nachbarinseln wurden ihren europäischen Kolonialisten zu Ehren benannt – die Kolonialgeschichte ist demnach eng verwoben mit der Betrachtung des Ortes. Der Name ist ein Überbleibsel der britischen Kolonialherrschaft, der bereits eine französische und niederländische Herrschaft vorausging, die ebenso vorherige Namensänderungen mit sich brachten. Bis zu einer Unabhängigkeit im Jahre 1968 noch wurde Mauritius wurde noch von der britischen Kolonialmacht regiert. Die systematischen Aktivitäten der Regierungsmächte hatten maßgeblicheAuswirkungen auf soziale Prozesse und die Umwelt auf der Insel, wie zum Beispiel das Fortbestehen bedrohter Tierarten wie den Dodo, der trotz seines frühen Aussterbens bis heute charakteristisch für den Inselstaat ist.

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Luís Lázaro Matos, Hotel Dodo, 2023, Ausstellungsansicht Kunstverein Braunschweig 2023, Courtesy: der Künstler, Galeria Madragoa, Lissabon und Kunstverein Braunschweig, Foto: Martin Ly.

Im “Hotel Dodo” reichen sich Unterhaltung, Absurdität und Tragik die Hand. Die einzelnen Räume machen Spaß; das Durchqueren der Suiten und Bäder, die knalligen Farben und Motive an den Wänden bringen die Augen zum Leuchten und wecken die Entdecker*innenlust – ein Rundum-Ausstellungserlebnis, das für die Besucher*innen mit allen Sinnen erfahrbar wird. Nichts ist hier dem Zufall überlassen: wie es sich für ein gehobenes Resort gehört, liegen auch die hauseigenen Flip Flops sowie Handtücher bereit. Für eine zusätzliche Dosis Entspannung stehen an das Gesamtraumgefüge angepasste Gongs bereit, die den besonderen Urlaub einläuten.

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Luís Lázaro Matos, Hotel Dodo, 2023, Ausstellungsansicht Kunstverein Braunschweig 2023, Courtesy: der Künstler, Galeria Madragoa, Lissabon und Kunstverein Braunschweig, Foto: Martin Ly.

Die Ausstellung endet im mit bunten Lichterketten behangenen Spiegelsaal des Kunstvereins – hier geht’s endlich ab an den Strand! Mit Blick auf das offene Meer, Palmen und weiteren Dodo-Fabelwesen, können sich die Besucher*innen hier auf den Strandliegen niederlassen und die Vorzüge eines privilegierten, luxuriösen Lebens voll und ganz genießen. Die einzelnen Arbeiten von Luís Lázaro Matos spielen mit der repräsentativen Architektur des Erdgeschosses der Villa Salve Hospes und manifestieren sowohl räumlich als auch visuell den Luxus-Gedanken, der in der Ausstellung eine wichtige Rolle einnimmt.

Das “Hotel Dodo” ist ein farbenfroher Raum voller Fantasien, Träume und Geschichten, die an verschiedenen Strängen eröffnet werden und noch lange nicht auserzählt sind. Es präsentiert auf humorvolle und ironische Art und Weise ein stimulierendes Bild von Mauritius, das gutbetuchten Menschen das Paradies und ein einmaliges Urlaubserlebnis verkaufen soll. Dieses Bild ist imaginiert und abstrahiert, enthält aber immer auch realistische Fragmente, die das rein ästhetische und paradiesische Antlitz durchbrechen. Die Besucher*innen sind eingeladen, sich in Braunschweig auf diese Mauritius-Reise zu begeben und diesen außergewöhnlichen Raumwirkungen hinzugeben. In diesem Sinne: Füße hoch, den Sonnenuntergang genießen und den Gedanken freien Lauf lassen…

WANN: Die Ausstellung “Hotel Dodo” läuft noch bis zum 21. Mai 2023.
WO: Kunstverein Braunschweig, Lessingplatz 12, 38100 Braunschweig.