Zwischen Schönheit und Karriere
KVTV kuratiert die Ausstellung "Koi_Pond"

21. Mai 2021 • Text von

„Koi_Pond“ ist eine Gruppenausstellung mit elf Künstler*innen, die vor allem in der Rhein-Main-Region leben und arbeiten. Sie sind außerdem in ihrer experimentellen Arbeitsweise und dem Versuch verbunden, tradierte Medien neu zu denken. Das Kollektiv KVTV hat „Koi_Pond“ im Keller des ATELIERFRANKFURT e.V. kuratiert und in den rohen, verwackelten Räumen mithilfe der Kunst eine fast heimelige Atmosphäre geschaffen. 

Ausstellungsansicht Koi_Pond, 2021, AtelierFrankfurt, Foto: Ivan Murzin. Von rechts nach links: Nadia Perlov, Stefan Cantante

Warum aber „Koi_Pond“? Das Kollektiv erklärt, dass Koi Ponds Teiche sind, in denen japanische Zuchtkarpfen gehalten werden. Es handelt sich allerdings nicht um die Art Karpfen, die auf unseren Tellern landet, sondern um Zierfische, die etwaige „Schönheitswettbewerbe“ gewinnen sollen. Ein bisschen wie Pudel, die besonders schön geschoren sind und Preise damit abstauben können. Aus Assoziationen zu ebenjenen Zuchtkarpfenteichen entwickelte das Kollektiv die Idee zur Ausstellung: Sie zeigen verschiedene Positionen aus der Kunstszene, in welcher sich KVTV bewegt. Dabei geht es eben nicht immer nur um Schönheit, sondern auch manchmal um Karriere und Konkurrenz, wie das Kollektiv schreibt. 

Ausstellungsansicht Koi_Pond, 2021, AtelierFrankfurt, Foto: Ivan Murzin. Von rechts nach links: Stefan Cantante, Felix Pötzsch, Aneta Kajzer

Die Arbeiten bewegen sich zwischen Malerei, Fotografie, Videokunst und Installation – und die Besucher*innen werden jeweils vom Medium überrascht. Die Arbeiten von Yana Tsegay beispielsweise verorten sich zwischen Malerei und Skulptur, denn die Leinwände sind nicht etwa an die Wand gehängt: Sie werden von skulpturalen, sockelartigen Füßen getragen. Diese erinnern an Tierpfoten oder Säulen und offenbaren somit auch einen Blick auf die Rückseite der Leinwände. Sie sind leicht schräg nebeneinander angeordnet und bieten eine Art Rahmen für die installative Arbeit von Brenda Lien. 

Ausstellungsansicht Koi_Pond, 2021, AtelierFrankfurt, Foto: Ivan Murzin. Von rechts nach links: Yana Tsegay, Giulietta Ockenfuß, Catherina Cramer, Emilia Neumann

Beim ersten Betreten des Raumes könnte man schnell denken, es handele sich bei der Videoinstallation der Künstlerin um einen realen Arbeitsplatz. Der Film „First Work Than Play“ läuft auf einem Laptop ab, der auf einem Schreibtisch steht. Davor steht ein Stuhl, der leicht zur Seite gedreht ist, als hätte jemand gerade erst den Schreibtisch mitten im Arbeitsprozess verlassen. An der Wand daneben hängen Notizen mit To-Do-Lists oder Sprüchen (eher Drohungen) wie etwa: „No matter how good you are, you can always be replaced.“ In Brenda Liens Arbeit geht es um die kreative Freelance-Branche und den ständigen Druck, arbeiten zu müssen. Ein Phänomen der „hustle culture“, das sich im vergangenen „home office“-Jahr nicht unbedingt gebessert hat. 

Brenda Lien, Work In Progress, 2021, Video-Installation, Maße variabel, Foto: Ivan Murzin

Vom Schreibtisch aus überblickt man fast den ganzen Ausstellungsraum – er lädt auf seltsame Weise auch zum Verweilen ein. Gegenüber befinden sich die Malereien von Aneta Kajzer, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changieren. Die Künstlerin arbeitet meist mit einer breiten und knalligen Farbpalette, die im Falle von „Koi_Pond“ die anderen Werken der Ausstellung ergänzt. Die Künstlerinnen Catherina Cramer und Giulietta Ockenfuß zeigen sowohl individuelle Arbeiten als auch die gemeinsam produzierte fiktionale Dokumentation „The Water Ape“, die das erste Kapitel des seriell angelegten Projektes „Unleash the Beast“ darstellt. Die Künstlerinnen nutzen das Genre der Dokumentation, um eine feministische Evolutionsgeschichte zu imaginieren. 

Ausstellungsansicht Koi_Pond, Catherina Cramer, Giulietta Ockenfuß, 2021, AtelierFrankfurt, Foto: Ivan Murzin

„Koi_Pond“ zeigt noch viele weitere Arbeiten, die alle durch ihre Experimentierfreude bestechen. Sie nutzen den Kellerraum des ATELIERFRANKFURT e.V. auf clevere Weise, sodass ein Narrativ entsteht, das den Arbeiten ihren individuellen Raum gibt, sie gleichzeitig aber auch zusammenführt. Das Kollektiv KVTV arbeitete auch an einem begleitenden Katalog zur Ausstellung mit Essays, Texten zu den Künstler*innen und bestechend farbenfrohen Gouachezeichnungen der Künstlerin Sonja Yakovleva. Sie ist Teil von KVTV und fertigte für den Katalog Porträts von allen teilnehmenden Künstler*innen an – die gibt es auch auf dem Instagram des Kollektivs zu sehen. Es lässt sich kaum abstreiten, dass Gedanken über die Karriere und Konkurrenz Bestandteil einer künstlerischen Laufbahn sind, aber in „Koi_Pond“ entsteht trotz allem ein Gefühl der Gemeinsamkeit und des Sich-Gegenseitig-Ergänzens.

WANN: Die Ausstellung „Koi_Pond“ läuft noch bis zum Donnerstag, den 10. Juni.
WO: ATELIERFRANKFURT e.V., Schwedlerstraße 1-5, 60314 Frankfurt am Main.

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