Selbstverständliche Größe Aneta Kajzer über politische Statements und Ambivalenz in ihrer Malerei
30. August 2017 • Text von Leonie Huber
Erst Anfang des Jahres hat Aneta Kajzer ihr Studium beendet, aktuell ist sie Stipendiatin der Künstlermarke Winsor & Newton am Künstlerhaus Bethanien, Berlin. Wir haben uns mit der deutsch-polnischen Künstlerin getroffen, um über Figuration in der zeitgenössischen Kunst und Feminismus vor der Folie des Abstrakten Expressionismus zu sprechen.
gallerytalk.net: Obwohl es in deinen Bildern sowohl figürliche als auch abstrakte Elemente gibt, dominiert eines der beiden Gestaltungsprinzipien meist das einzelne Werk. Gibt es in deinem Arbeitsprozess einen Moment, an dem du dich für die Abstraktion oder die Figuration entscheidest?
Aneta Kajzer: Wenn ein Werk mehr in eine der beiden Richtungen tendiert, ist es keine bewusste Entscheidung, die ich treffe, sondern etwas, das aus dem Arbeitsprozess heraus geboren wird. Ich fertige keine Vorzeichnungen an; alles entsteht aus dem Machen heraus. Am Anfang ist die Leinwand immer leer, leere Fläche. Sobald etwas darauf ist, muss der Rest reagieren und ich muss herausfinden, wonach das Format verlangt. In der Mehrheit meiner Bilder stehen figürliche und abstrakte Komponenten nebeneinander. Einerseits sind es oft Bildelemente, die ich selbst nicht eindeutig benennen kann, die verschiedene Dinge seien könnten und deshalb abstrakt bleiben. Andererseits rufen bestimmte Formen, die sich beim Auftragen der Farbe auf der Leinwand ergeben, Assoziationen hervor, denen ich dann nachgehe. Jeder, der schon mal Wolkenbilder gesehen hat, kennt das.
Nicht zuletzt durch das Wechselspiel von Gegenständlichkeit und Abstraktion sind deine Werke sehr verschiedenartig. Wie würdest du deine Praxis zusammenfassend beschreiben?
Die Anlehnung an Körperlichkeit ist ein Motiv, was in vielen meiner Werke auftaucht. Ich verwende viele Fleischfarben, einfach weil sie mir gut gefallen und weil es mir Spaß macht sie anzumischen. Oft beeinflusst die Farbe, wie ich mich bezüglich einer Form oder eines Details entscheide. Ich male nie nur an einem Bild gleichzeitig. So tauchen dieselben Farben immer auf mehreren Bildern auf. Ich könnte nicht nur abstrakt malen, aber die Farbe und die Farbqualität ist eines meiner Hauptinteressen und für mich das Wichtigste in der Malerei.
Fällt es dir leicht dich mit figürlicher Malerei zu identifizieren? Obwohl Malerei nach wie vor eine entscheidende Rolle in der Kunst spielt, wendet sich die zeitgenössische Kunst vermehrt anderen Formaten zu.
Es stimmt schon, dass man oft den Eindruck hat, Malerei wäre nicht mehr „State of the Art“. Im Gegensatz zu Videokunst oder Performance, beispielsweise, haftet der Malerei immer noch etwas Akademisches oder Antiquiertes an. Aus diesem Grund fiel mir die Identifizierung damit am Anfang nicht leicht.
Hast du immer schon gemalt, oder auch in anderen Techniken gearbeitet?
An der Kunsthochschule in Mainz, wo ich diesen Februar meinen Abschluss in der Klasse von Prof. Anne Berning gemacht habe, habe ich viele andere Sachen ausprobiert, bevor ich zur Malerei gekommen bin. Ich habe immer gezeichnet, aber mich primär auf Objekte, Installationen und auch animierte Trickfilme konzentriert und mit diesen Techniken experimentiert. Erst im Lauf der Zeit habe ich festgestellt, dass meine wahre Passion die Malerei ist. Lange habe ich nicht auf Leinwand gemalt, weil das für mich eben auch etwas antiquiertes hatte. Obwohl ich mir immer gerne Malerei angeschaut habe, hatte ich ein ambivalentes Verhältnis zu der klassischen Technik von Öl auf Leinwand. Irgendwann habe ich mich darauf eingelassen und von da an gab es kein Halten mehr. Vorher habe ich immer mit verschiedenen Medien gleichzeitig gearbeitet, aber neben der Malerei hatte nichts anderes mehr Platz – beziehungsweise ich brauchte nichts anderes mehr.
Benutzt du auch deinen Körper zum Malen?
Manchmal arbeite ich mit meinen Fingern. Das passiert vor allem, wenn ich meine Vorstellung mit dem Pinsel nicht umsetzten kann. Im Allgemeinen ist meine Malerei körperlicher Einsatz, fast schon Work-Out – vor allem bei den großen Bildern, wenn ich sie rumhieve, drehe oder auf den Kopf stelle, um einen anderen Blick auf das Werk zu bekommen.
In einem Text, den ich über deine Arbeit gelesen habe, wird ausdrücklich betont, dass du Bilder malst, die größer sind als dein Körper. Ich habe mich gefragt, ob das auch bei einem männlichen Künstler erwähnt werden würde.
Dieser Satz ist mir auch schon aufgefallen. Da ich selbst Feministin bin, habe ich eine hohe Sensibilität im Bezug auf diese Themen. Oft fällt mir auf, wie selbstverständlich es ist, dass ein Mann große Bilder malt, aber bei einer Frau erscheint es erwähnenswert. Bei der Betrachtung des Werkes spielt das Geschlecht des Künstlers oder der Künstlerin keine Rolle, auf dem Markt hingegen schon. Für mich bedeutet das, dass ich mich immer wieder ganz klar dagegen positionieren muss.
Inwieweit wirkt sich deine politische Haltung auf deine Praxis aus?
Als ich noch in Mainz studiert habe, habe ich mit ein paar Freundinnen einen Off-Space geführt. Wir haben den Kunstverein „ruelle“ gegründet und Ausstellungen organisiert. Später haben wir als feministisches Kunstkollektiv ein Festival veranstaltet. Aktuell besteht das „OrgaOrga-Kollektiv“ aus neun Frauen mit ganz verschiedenen Hintergründen, die versuchen sich gegenseitig zu unterstützen und einen Gegenpol zu dem von Männern dominierten Kunstbetreib zu schaffen. Immer wieder fällt mir auf wie oft männliche Künstler ihre männlichen Künstlerfreunde promoten. Natürlich empfehle ich auch Künstlerfreundinnen für Ausstellungen, wenn es sich ergibt, aber nie mit dieser Vehemenz und aggressiven Beharrlichkeit.
Wie ist die Männer-Frauen-Quote bei den Kunstschaffenden, die dich inspirieren? Gib es bestimmt Vorbilder?
Ich habe tatsächlich mehr weibliche Vorbilder als männliche. Das war schon so, bevor ich Mitte des Studiums intensiv angefangen habe mich mit dem Thema Feminismus zu beschäftigen. Louise Bourgeoise war immer wichtig für mich, Kiki Smith auch. Das waren oft Künstlerinnen-Persönlichkeiten, obwohl ihre Arbeit im Vordergrund steht. Gleichzeitig finde ich Willem de Kooning super und liebe auch Philipp Guston. Ich gehe immer von der Arbeit aus, aber wenn man die Hintergründe kennt, ist das natürlich empowernd. Weibliche Künstlerinnen inspirieren mich nicht nur wegen ihrer Arbeit, sondern auch weil sie ihr Ding durchziehen, damit Erfolg haben und sich den typisch männlichen Abstrakten Expressionismus aneignen und selbstbewusst damit umgehen.
Würdest du deine Arbeiten als feministisch bezeichnen?
Man kann die Malerei einerseits nur als Malerei betrachten und aus dieser Tradition heraus beurteilen. Anderseits kann man sagen, dass der biografische und politische Hintergrund der Künstlerin von Bedeutung ist, selbst wenn er sich nicht offensichtlich im Werk wiederspiegelt. Für mich ist die Frage, ob man dem Bild, in dem Moment, wenn man es als feministische Malerei deklariert, nicht zu viel aufbürdet. Es ist eine große Leistung, beziehungsweise ein hoher Anspruch, eine politische Haltung ganz klar in einem Bild auszudrücken. Mich persönlich interessiert weniger, ob meine Bilder dazu in der Lage wären, als mehr, ob ich diese Kategorisierung meiner Werke überhaupt möchte. Ambivalenz und Vielseitigkeit sind mir sehr wichtig. Ich will keine eindeutigen und simplen Bilder malen, selbst wenn ich dadurch ein klareres Statement setzten könnte. Dennoch ist es nicht falsch, wenn jemand meine Praxis als feministische Malerei bezeichnet, denn ich glaube schon, dass es Teil meines Schaffens ist. Sei es nur großformatige Bilder mit einer Selbstverständlichkeit zu malen und unabhängig von Geschlechterrollen meiner Intuition nachzugehen.
WANN & WO: Die Werke von Aneta Kajzer, die während ihres sechsmonatigen Stipendiums entstehen, werden im Frühjahr 2018 im Künstlerhaus Bethanien zu sehen sein. Infos gibt es dann hier.