Die Ikonografie der Euphorie Rosa Lüders in der Galerie 14a
17. April 2023 • Text von Katrin Krumm
Mit spielerischer Leichtigkeit und strenger Formalität bewegen sich Rosa Lüders glänzende Skulpturen durch ein visuelles Repertoire aus Symbolen des Glücksspiels. In ihrer Soloausstellung “Sizzling Hot” in der Galerie 14a steht der verheißungsvolle Moment des Gewinns im Zentrum. Dem gegenüber stehen szenisch inszenierte Installationen, die einen narrativen Raum für persönliche Wünsche und Sorgen eröffnen.
“Sizzling Hot” ist der Name eines berühmten, traditionellen Glücksspiels, dessen Spielprinzip auf einem Slot-Automaten mit fünf Walzen und drei Reihen beruht. Um bei “Sizzling Hot” zu gewinnen, müssen am Ende eines Spielzugs mindestens drei gleiche Symbole nacheinander stehen bleiben. Rosa Lüders gleichnamige Soloausstellung in der Galerie 14a greift sowohl die charakteristischen Symbole des gleichnamigen Glücksspielautomatens auf, als auch das Prinzip ihrer Wiederholung. Ihre zahlreichen, glänzenden Skulpturen aus bearbeitetem Aluminium sind mit bunt eingefärbten Wölbungen bearbeitet und stellen die aus dem Spiel bekannten Figuren von Zitronen, Blätter, Trauben und Kirschen in unterschiedlichsten Variationen dar.
Ähnlich zur Unvorhersehbarkeit des Spielausgangs und der verblendeten Hoffnung nach jeder Runde, sind an unterschiedlichen Positionen des Ausstellungsraums kleinere Skulpturen platziert, die eines oder mehrere der oben genannten Symbole darstellen. So gibt es immer wieder kleine Momente des Gewinns, die an verschiedenen Orten des Ausstellungsraums an der Wand und auf dem Boden verteilt sind: eine Ansammlung von drei Zitronen, Pflaumen oder tiefroten Kirschen inmitten leuchtendem Feuer. Mit jedem sorgfältig im Raum platzierten Gewinn steigt der spielerische Rausch nach mehr, der sogleich in einer weiteren Skulptur visuell aufgefangen wird.
Mit Leichtigkeit scheint Lüders dabei in stetig wechselnden Kompositionen und formalen Dimensionen auf ein Repertoire an Symbolen zurückzugreifen. Das Verheißungsvolle ihrer Arbeit spiegelt sich ebenfalls in den von ihr verwendeten Materialien wider. So nutzt Lüders Aluminium als optischen Stellvertreter für wertvolles Metall wie Silber.
Eine der zentralen Arbeiten ihrer Soloausstellung zelebriert den sehnsuchtsvoll erwarteten Moment des Jackpots: an den vielen Zweigen eines knapp drei Meter hohen Baumes werden zahlreiche bunte Früchte in ihren jeweiligen Gewinnkombinationen präsentiert. Im Glücksspiel wird oft von einem „Knapp-daneben-Phänomen“ gesprochen, das Spieler*innen suggeriert, sie seien bei jedem Spielzug näher am Gewinn. Lüders raumhohe Skulptur nimmt diese Wahrnehmungsverzerrung als Ausgangspunkt und zeigt durch ihre suggestiv-verlockende Darstellung das Verführungspotenzial des Glücksspiels auf.
Anders als das Casino ist die Spielhalle ein Raum, über den zwar viele Klischees existieren, zu dem jedoch für viele wenig realer Kontakt besteht. Diese zunächst diffuse Ungreifbarkeit spiegelt sich auch in Lüders Wandskulpturen wider, die wie Objektkästen an den Wänden des Ausstellungsraums platziert sind. Ihrer Form nach könnten sie ebenso Gewinnspielautomaten nachempfunden sein, die außerdem mit einzelnen Komponenten ebendieser ausgestattet sind: ein Kartenschlitz rechts unten an einer Skulptur sowie bunte Knöpfe an einer anderen knüpfen formal an ihre Inspiration an. Ähnlich wie in Setzkästen sind im Inneren der Objekte Geschichten dargestellt, die Lüders szenisch inszeniert.
Eine dieser Szenen zeigt ein brennendes Haus, aus dem heraus die Flammen bereits durch die Fenster dringen. In einem anderen Wandobjekt ist eine maritime Ansammlung von Objekten abgebildet – mit einem Boot, Fischen und Muscheln. Dabei greift Lüders ebenfalls auf altbewährte, symbolische Objekte zurück, um auf dieselbe Bildebene zu gelangen: das Symbol des eigenen Hauses oder der Yacht, das Symbol der teuren Uhr.
Obwohl diese die Betrachter*innen emotional ergreifen, nehmen sie keine persönliche Erzähler*innenstimme ein. Wie bei der berühmten “7” des Spiels “Sizzling Hot” handelt es sich hierbei um Repräsentationen, die sie assoziativ einsetzt, um universelle Geschichten zu erzählen. Es geht auch um den spekulativen Moment nach dem Gewinn, während die abstrakte Idee von Reichtum und Wohlstand alptraumhaften Szenen wie einem brennenden Haus gegenübersteht.
Lüders’ Beziehung zum Motiv der Spielhalle ist durch ihre Großmutter geprägt, die in einer Spielhalle in Hamburg Horn als Aufsicht arbeitet und ihr gerne von unterschiedlichsten Situationen erzählt, die sich dort abspielen. Die Gegenstände auf “Stool” wirken fast gedankenlos platziert, eine Szene, wie man sie auch in einer Spielhalle vorfinden könnte: Auf dem Hocker nahe des Eingangsbereichs liegen ein Feuerzeug, eine altmodische, gesteppte Brieftasche und eine Murmel. Als Skulptur wirkt diese Szene jedoch sorgfältig inszeniert, wobei es Lüders damit gelingt, nicht ins Klischee zu verfallen, sondern die Vorstellungskraft der Besucher*innen in einer plakativen, aber gleichzeitig sensiblen Berührung zu erweitern und einen persönlichen Einblick ohne Vorurteile zu ermöglichen.
In ihrer Soloausstellung verknüpft Lüders die formale Bearbeitung des Glücksspielmotivs mit einem inhaltlich starken Drang, Geschichten erzählen zu wollen. Inspiriert durch die vielen Geschichten ihrer Großmutter erweitert sie die Idee des klischeebehafteten Raums der Spielhalle in ein narratives Spielfeld, in dem Wünsche und Sorgen abgebildet werden können. Ihrer durchaus kritischen Betrachtung des Glücksspiels durch verherrlichende Symbolwiederholungen steht einem narrativen Erzählwunsch gegenüber, der sich spielerisch durch szenisch-inszenierte Objekte seinen Weg bahnt.
WANN: Die Ausstellung “Sizzling Hot” von Rosa Lüders läuft bis Samstag, den 20. Mai.
WO: 14a, Poolstrasse 34, 20355 Hamburg.