Der Rhythmus der Linien
Jorinde Voigt in der Galerie Klüser

6. Juli 2023 • Text von

Es sind durchaus komplizierte Liniengeflechte und fragile Papierreliefs, die sich zwischen strengen visuellen Systemen und gestischen Zeichen verorten lassen. Unter dem Titel “The Sum“ zeigt die Galerie Klüser in München eine neue Serie von Holzskulpturen sowie Arbeiten auf Papier von Jorinde Voigt. In ihrer fünften Einzelausstellung in der Galerie forscht die Künstlerin weiterhin an komplexen Ideen.

Jorinde Voigt: Red Rhythm (7), 2022, Pink Rhythm (1), 2022, Photo: Jamie Fischer; Courtesy Jorinde Voigt © Jorinde Voigt / VG Bild-Kunst.

Zart und verflochten sind die Bänder aus rotem Papier im großformatigen Objektrahmen drapiert und geschichtet. In seiner Dreidimensionalität wirkt das Papierrelief gleichzeitig organisch floral, wie planmäßig architektonisch, als würde es einem verinnerlichten System folgen. Auf den Papierbändern gezeichnete Linien geben dem fragilen Konstrukt eine immanente Struktur, auch der Titel der Arbeit aus dem Jahr 2022 verweist auf eine mehrschichtige Komposition aus sorgfältig orchestrierten Linien und Ebenen. “Rhythm (8)“ ist Teil der Ausstellung “The Sum“ in der Jorinde Vogt neben Papierarbeiten auch eine neue Serie von Holzskulpturen präsentiert.

Jorinde Voigt; The Sum (Puls) 6, 2023, Triade 6, 2023, Red Rhythm (5), 2022, Photo: Jamie Fischer; Courtesy Jorinde Voigt © Jorinde Voigt / VG Bild-Kunst.

Jorinde Voigts künstlerische Praxis ist durch die Verflechtung intellektueller Forschung und poetischer Gesten gekennzeichnet. Ihr interdisziplinärer Ansatz verbindet dabei Elemente der Philosophie, Mathematik und Musikwissenschaft zu vielschichtigen Reflexionen über die menschliche Wahrnehmung und Empfindung. Dabei bedient sie sich unterschiedlicher Techniken, die sie in Zeichnungen, Malerei, Skulptur und Installation umsetzt. In all ihren Arbeiten stehen dabei strenge visuelle Systeme in einer dynamischen Spannung mit Elementen der gestalterischen Freiheit. Die Künstlerin komprimiert visuelle Informationen in eine eigene Form der Partitur.

Jorinde Voigt: Tetrade 3, 2023, Fugue (3) (The Wedding), Photo: Jamie Fischer; Courtesy Jorinde Voigt © Jorinde Voigt / VG Bild-Kunst.

Auch Voigts neuen Plastiken verbinden unterschiedliche Ebenen. Die freistehenden Objekte bestehen jeweils aus mehreren Teilen, die miteinander verbunden sind. Auch hier bezieht sich die Künstlerin auf das zentrale Element ihrer Kunst, die Linie. Die Arbeiten basieren in ihrer Dimension auf Linien, die Jorinde Voigt mit dem Radius ihrer Hände gezeichnet hat. Verschmolzen zu einer Einheit, stellen die Skulpturen keine erkennbaren Formen da, aber ihre spezifische Struktur und Materialität evozieren durch ihre bewusste Konstellation Gefühle von Bewegung, Dynamik, Bestimmung und Gleichgewicht.

Jorinde Voigt: Tetrade 2, 2023, Triade 6, 2023, Little Fugue (4) / (5) / (3), 2021, Photo: Jamie Fischer; Courtesy Jorinde Voigt © Jorinde Voigt / VG Bild-Kunst.

Jorinde Voigt verbindet künstlerische Intuition mit wissenschaftlicher Methodik, sie lässt die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft porös werden und überschreitet sie von beiden Seiten. In ihren Arbeiten manifestiert sie Gedanken, Ideen und Emotionen in Arbeiten, die immer einen fluiden Charakter zu haben scheinen. Die Ausstellung in der Galerie Klüser gibt einen guten Einblick in die aktuelle Produktion der Künstlerin. Auch wenn die Arbeiten in ihrer Vielschichtigkeit nicht leicht zu durchdringen sind, sind sie allein aufgrund ihrer technischen und visuell ästhetischen Qualitäten beeindruckend.

WANN: Die Ausstellung “Jorinde Voigt: The Sum” ist noch bis zum 29. Juli zu sehen.
WO: Galerie Klüser, Georgenstraße 15, 80799 München.

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