Futurismus in Puderfarben
Guan Xiao bei Kraupa-Tuskany Zeidler

24. November 2021 • Text von

Für ihre Ausstellung “Wake Up in a House Called Season” taucht Guan Xiao nicht nur die Räume der Galerie Kraupa-Tuskany Zeidler in Berlin in Puderrosa und ein zartes Grün. Xiao tut dies auch mit ihren Skulpturen, die – wie für die chinesische Künstlerin aus Peking typisch – Technologie, Futurismus und chinesische Ikonographie vereinen.

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Guan Xiao, “Kikachick is stepping towards the snow covered stage, while a faint tinge of pink reflected from the lights under the deep blue dusk is shimmering on its icy surface”, 2021

Der Titel der Ausstellung “Wake Up in a House Called Season” verweist bereits auf die unbestimmte Szenerie, die sich einem darbietet, wenn man die Galerieräume von Kraupa-Tuskany Zeidler in Berlin-Kreuzberg zur Ausstellung der Künstlerin Guan Xiao betritt. Der Boden rau und grau, die Wände rosa und grün, wirken die Skulpturen darin wie in Watte gepackt. Wenig fluffig und weich, stattdessen hart und kühl, wie Wände eben sind, ist diese Täuschung die erste formale Kontradiktion, auf die noch einige folgen werden.

“Wake Up in a House Called Season” ist eine Ausstellung in zwei Teilen, die mit einer Geschichte beginnt; geschrieben von der Künstlerin, abgedruckt auf dem Beizettel zur Einzelschau. Es ist die Geschichte von Kikachick, einer narrativen Gestalt. Diese Gestalt ist es offenbar auch, die wie im Titel der Ausstellung angekündigt, das Haus der Jahreszeiten betritt. Dieses, dargestellt in den Ausstellungsräumen der Galerie Kraupa-Tuskany Zeidler in Berlin, ist eine Sphäre zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Altem und Neuem, Tradition und Moderne. Die Künstlerin Guan Xiao tritt darin als Vermittlerin auf, die Widersprüche aufdeckt und Gemeinsamkeiten sucht, zwischen Vergangenem und Zukünftigem.

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Guan Xiao, „Kikachick is stepping towards the snow covered stage, while a faint tinge of pink reflected from the lights under the deep blue dusk is shimmering on its icy surface“, 2021, Details

Das Ende der Erzählung von Kikachick ist gleichzeitig der Titel der ersten Arbeit der Schau und dieser lautet so: “At this very moment in the courtyard, Kikachick steps towards the snow-covered stage, while a faint tinge of pink reflected from the lights under the deep blue dusk shimmers on its icy surface” (2021). Kikachick, so wird nun klar, ist die gelbe, pilzartige, skulpturale Gestalt, die auf Tatami-Matten steht. Eine Bordüre mit dem Namen der Erzählfigur verrät die Identität. Ihr Look schreit nach Zukunft oder Fiktion, weil sie schlicht nicht aussieht, wie etwas, das man kennt. Der Boden hingegen, auf dem sie steht, zeugt klar von einer japanischen Tradition und von authentischen Materialien, die auf die reale Welt verweisen.

Die Figur ist umringt von Kirschen, die ihrer Form nach perfekter kaum sein könnten. In ihrer Überdimensionalität und mit Kraftstofftanks von Motorrädern gespickt, sind sie gleichwohl an Künstlichkeit kaum zu übertreffen. Man möchte sie packen an ihren Stilen, sie näher betrachten und mit hinüber nehmen in den zweiten Raum der Galerie, der in seiner Grünen Farbe eher wie ein Garten anmutet und wo die Früchte irgendwie passender aufgehoben wären.

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Guan Xiao, Installation view, „Wake Up in a House Called Season“, Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin, 2021 

Echt und unecht, alt und neu, natürlich und fake – ähnliche Widersprüche finden sich auch in diesem zweiten Teil der Ausstellung. Der zweite Galerieraum ist gestrichen in einem blassen Grün. Statt weiterer Früchte stehen hier zwei Tische in der Form von Lotusblüten, ornamental ausgeschmückt, wie Scherenschnitte anmutend, in Realität jedoch aus Holz. Darauf weitere Skulpturen, mal in der Form von Pflanzen vom Meeresgrund, mal zu Türmen gehäuft und gespickt mit silbern-eisernen Techno-Elementen, Materialien die nach Industrie und Technologie rufen.

Nach eigenen Angaben beeinflusst von literarischen Epen wie David Mitchells Roman “Cloud Atlas” sowie Roberto Bolaños “2666” vereint Guan Xiao in ihren Skulpturen im 3D-Animations-Look Materialien, die sich in ihrer Form, ihrer Natürlichkeit und Herstellung zuwiderlaufen. Sie nimmt Materialien wie Holz ebenso wie Stahl und Aluminium aus ihren eigentlichen Kontexten heraus, fügt sie neu zusammen und taucht sie in Puderfarben bis daraus Skulpturen werden aus einem Guss. 

Wie viel Vergangenheit steckt in der Zukunft und in welcher Gestalt wird Tradition die Zeiten überdauern? Ihre Fantasie über diese Frage materialisiert Guan Xiao in ihrer Ausstellung “Wake Up in a House Called Season” sowohl skulptural als auch räumlich. Geht es nach der Künstlerin, so wird auch in der Zukunft das Vergangene überleben, mal authentischer und originaler, mal nur für die erkennbar, die selbst Teil dieser Vergangenheit und Tradition waren. Anders wird ganz neue Formen annehmen, mit Elementen, die wir kennen, jedoch in einer Gestalt, die uns heute noch unbekannt ist. Glaubt man der Fantasie der Künstlerin, so steht uns in jedem Fall eine puderrosige Zukunft bevor. 

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Samstag, den 15. Januar 2022.
WO: Kraupa-Tuskany Zeidler, Kohlfurter Str. 41/43, 10999 Berlin

Mehr Bilder von “Wake Up in a House Called Season” bei YYYYMMDD.

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