Windige Angelegenheiten
Solar Breath in der Eres-Stiftung

5. Dezember 2023 • Text von

Das Phänomen Wind ist so allgegenwärtig wie enigmatisch. Die Eres-Stiftung widmet sich in der Ausstellung “Solar Breath” künstlerischen Positionen, die sich dem flüchtigen Element widmen. Das ist mal mehr poetisch, mal eher analytisch.

Daniel Buren: Westwind – travail situé (or situated work), 2010. Details © DB-ADAGP Paris. Courtesy der Künstler und Buchmann Galerie VG Bild-Kunst, Bonn 2023 Foto: Michael Schultze.

Der Wind ist ein ungreifbares Element. Ein Wind kann ein sanftes Lüftchen sein, das an einem heißen Sommertag Abkühlung verschafft. Ein Wind kann sich aber auch zu einem Sturm zusammenbrauen und über die Landschaft wüten. Man kann einen metaphorischen “Rückenwind“ haben oder störrisch gegen den Wind segeln. Wind, auf einer globalen Ebene, ist aber auch ein zentraler Parameter des Wetters und des Klimas. Erhitzte Luft zirkuliert in unterschiedlichen Schichten, diese bedingen einander und sind so Teil der weltweiten Klimadynamik. Dem flüchtigen Themenkomplex Wind kann man sich also aus unterschiedlichen Richtungen nähern, auf poetische Weise oder mit dem Blick der Wissenschaft.

Genau das versucht die Ausstellung “Solar Breath” in der Eres-Stiftung, die unterschiedliche zeitgenössische künstlerische Positionen vereint. Der Ausstellungstitel ist einer Videoarbeit des kanadischen Künstlers Michael Snow entliehen, in der ein Vorhang vor einem Fenster vom Wind in Bewegung gesetzt wird. Wie durch einen unsichtbaren Atem bewegt, spannt und entspannt sich der Stoff des Vorhangs, in einem Rhythmus, wie die Brust eines Atmenden. Dass es die Energie der Sonne ist, die durch ihre Einstrahlung Luftmassen erwärmt und diese so in Bewegung setzt, verbindet den profanen Vorhang mit den globalen und astronomischen Dynamiken, die unser Leben auf der Erde erst möglich machen.

Links: Rémy Bender: Sifflement (ibex horn), 2023 Installation Metall, Verstärker, Lautsprecher, Steinbockhorn, 140 x 40 x 40 cm Courtesy the artist Foto: ERES Stiftung; Rechts: Katrín Agnes Klar: m/s, 2009 Photographs, Digital print 50 x 64 cm Courtesy the artist Foto: ERES Stiftung.

Den Versuch, Wissenschaft und Poesie zu verbinden, unternimmt auch die US-amerikanische Künstlerin Sara Bouchard in ihrer Arbeit “Weather Box”. Ihre handbetriebene Spieluhr kann 12 Lochkarten abspielen, wobei jede dieser Lochkarten auf meteorologischen Messdaten beruht. Die Künstlerin nutzt wissenschaftliche Akribie um die gemessenen Veränderungen von Wind, Temperatur und Niederschlag in eine musikalische Ebene zu übersetzen. Bouchard macht den Wind hörbar, die Natur wird dabei selbst zur Komponistin. Die Natur und Physik als Unterstützung nutzt auch Daniel Buren in seiner ortsspezifischen Installation “West Wind”. Der Konzeptkünstler hat Stoffbahnen in den Räumen der Eres-Stiftung installiert, die durch den künstlich von Ventilatoren erzeugten Wind in einer Form gehalten werden. Die Ventilatoren sind dabei tatsächlich gen Westen ausgerichtet, eine Referenz zum Westwindsystem, das, vom Nordatlantik beeinflusst, das zentraleuropäische Klima dominiert.

Dass der Wind nicht nur eine poetische, sondern durchaus auch zerstörerische Qualitäten haben kann zeigen andere in dieser Ausstellung gezeigte Arbeiten. Romuald Karmakar zeigt in seinem dokumentarischen Video “Anticipation (Waiting for Sandy)” jedoch nicht die brutalen Kräfte eines Sturms, vielmehr inszeniert er den Moment davor. Die Kamera blickt durch ein Fliegengitter auf die sich entfesselnde Kraft der Natur, ein Moment zwischen vermeintlicher Sicherheit und Zerstörung. Dem Danach und unserem gesellschaftlichen Umgang mit der Natur widmet sich Paul Valentin in seiner Arbeit “Lothar”. 1999 richtete ein Orkan mit diesem Namen erhebliche Schäden über West- und Mitteleuropa an. Paul Valentin dokumentiert den später angelegten “Lotharpfad“, einen hölzernen Steg, von dem aus Besucher*innen die immer noch sichtbare Verwüstung betrachten können, wie von einer künstlichen Tribüne können die Menschen auf die Natur herabblicken.

Olaf Breuning: Clouds, 2008/2023 Mounted c-print on 6mm Sintra 122 x 155 cm Courtesy the artist and von Bartha, Basel/Kopenhagen © Olaf Breuning.

So ambivalent wie der Wind selbst sind auch die in der Ausstellung “Solar Breath” versammelten Arbeiten. In Videos, Bildern und Skulpturen wird dem Charakter und den unterschiedlichen Ausprägungen des Windes nachgeforscht. Mit poetischen wie auch analytischen Strategien nähern sich die ausgewählten Künstler*innen einem Naturphänomen das so allgegenwärtig wie enigmatisch ist. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe und der wichtigen Rolle, die der Wind in ihr spielt, ist es jedoch hochaktuell, sich diesem Themenkomplex zu widmen.

Einem anderen epochalem Thema widmet sich die Ausstellung “Can you tell me a joke?” bei Eres Projects, dem Labor für künstlerische Experimente in der Theresienstraße 48. Künstliche Intelligenz hebt unser Verhältnis zur Technologie in eine neue Sphäre, Ungewissheit ob der unerwarteten und komplexen Konsequenzen inklusive. Hermann Pitz und eine Gruppe von Künstler*innen aus seiner ehemaligen Klasse an der Akademie der Bildenden Künste München präsentieren eine Ausstellung, in der Gedanken über die möglichen Auswirkungen dieser neuen Technologien formuliert werden. Zwischen Utopien, Chancen, Gefahren und leeren Versprechen.

WANN: Die Ausstellung “Solar Breath” ist noch bis zum 27. Januar 2024 zu sehen.
WO: ERES-Stiftung, Römerstraße 15, 80801 München.

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