Digitale Überforderungen
Dumb Type im Haus der Kunst

27. Mai 2022 • Text von

Wort-Wolken, digitale Kunst und Feldaufnahmen. Das Haus der Kunst widmet dem japanischen Künstler*innen-Kollektiv Dumb Type eine Retrospektive, in der mehrere vergangene Performances multimedial neu angelegt und untersucht werden.

Dumb Type: MEMORANDUM OR VOYAGE Installationsansicht / Installation view Haus der Kunst, 2022 Photo: Maximilian Geuter.

Ein 16 Meter breiter Screen dominiert einen der Ausstellungsräume im Haus der Kunst. Wie auf einer lebendigen Wand verschieben sich Bilder und Symbole, Ebenen verschwimmen und gehen ineinander über, die Bewegungen von Performer*innen werden durch einen einem rhythmischen Lichtstrahl und einem Ton choreographiert, kryptisch und poetisch zugleich. In der Installation “Memorandum or Voyage” kombiniert die Gruppe Dumb Type Szenen aus drei früheren Performances mit neuem, eigens für die Ausstellung produziertem Material. Es geht um Fragen des Wissens und der Erfahrung, Technologien und Fantasien und den Unterschied zwischen beidem. Die Arbeit, wie der künstlerische Ansatz von Dumb Type insgesamt, widmet sich der Frage, wie neue Technologien und digitale Medien unsere heutige Lebenserfahrung prägen und unser Verständnis von Zeit, Raum und Wahrnehmung verändern.

Dumb Type: Trace / React II, Installationsansicht / Installation view Haus der Kunst, 2022 Foto: Maximilian Geuter.

Gegründet 1984 in Kyoto, wollte das Künstler*innen-Kollektiv Dumb Type sich den Auswirkungen der globalen Informationsüberlastung, des hedonistischen Konsums und der technologischen Entwicklungen auf die Gesellschaft widmen. So entstanden Multimedia-Performances, die Aspekte von Pantomime, Tanz, experimentellem Theater, elektronischem Sound und interaktiven Elementen kombinierten. Das interdisziplinäre Kollektiv nutzt unterschiedlichste Medien und Formate, um direkt und indirekt mittels Technologie zu kommunizieren. So bleibt die Gruppe inhaltlich, personell und auch formell schwer greif- oder kategorisierbar. Das Haus der Kunst zeigt nun drei speziell für die Ausstellung konzipierte Installationen, in denen mehrere vergangene Performances multimedial neu angelegt und untersucht werden.

Dumb Type: Playback, Installationsansicht / Installation view Haus der Kunst, 2022 Foto: Maximilian Geuter.

Auch die Sound-Installation “Playback” basiert auf einer Performance des Kollektivs aus den 1980er-Jahren und hat sich über die Jahre in unterschiedlichen Kontexten weiterentwickelt. In ihrer aktuellen Form im Haus der Kunst besteht die Installation aus 16 Plattenspielern, auf denen Feldaufnahmen, die in den letzten Monaten in 16 Städten auf der ganzen Welt aufgenommen wurden, abgespielt werden. Die Aufnahmen werden jeweils zu der Uhrzeit abgespielt, zu der sie aufgenommen wurden, aus diesem zeitlichen Rahmen entsteht die immanente Choreografie der Klänge. Durch die Aufnahmen werden die Parameter Zeit und Raum, hinterfragt, es entsteht eine Gleichzeitigkeit, die die zeitliche, wie räumliche Distanz überbrückt.

Dumb: Type S/N, Photo: Kazuo Fukunaga, courtesy Haus der Kunst.

Ein Gefühl der überfordernden Gleichzeitigkeit evoziert auch der Raum, in dem die Installation “Trace/React Il” präsentiert wird. Ein verwirrender Strudel aus Wörtern und Begriffen wird dort an die Wand projiziert, der gespiegelte Boden verstärkt die immersive Kraft dieser Arbeit nur noch. Dumb Type nutzt für die Installation eine künstliche Intelligenz, die im Internet nach Wörtern sucht, die mit den Grundbegriffen “Liebe”, “Sex”, “Tod”, “Geld” und “Leben” zusammenhängen. Das Ergebnis sind autopoetische Wort-Wolken, in die ein Zusammenhang erst hineingelesen werden muss. Überforderung im Angesicht einer immer mehr zunehmenden Informationsflut ist eine Entwicklung der letzten Zeit, in der die digitalen Möglichkeiten unser Leben, unsere Arbeit und unsere Formen der Kommunikation drastisch transformiert haben. Dumb Type haben diese Kondition schon sehr früh erahnt und sie mit Mitteln der Performance und Medienkunst thematisiert. Es ist nur folgerichtig, dass sie nun im Haus der Kunst wie auch im japanischen Pavillon auf der Biennale in Venedig gewürdigt werden.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 9. November zu sehen.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstrasse 1, 80538 München.

Weitere Artikel aus München