Berliner Kunstgriff
Gallery Weekend 2019 Special

23. April 2019 • Text von

Für die 15. Edition des Gallery Weekends zieht es die internationale Kunstszene auch in diesem Jahr wieder in die deutsche Hauptstadt, um die zeitgenössische Kunst in den Berliner Galerien zu entdecken. Diesen Freitag um 18 Uhr eröffnet das dreitägige Event, an dem rund 50 Galerien ihre Türen öffnen − wir haben unsere Favoriten für euch zusammengestellt.

Matt Saunders, Torsos #8, 2019, Monotype, Unique, Printed by Niels Borch Jensen Editions, Published by BORCH Editions © the artist, courtesy BORCH Editions, Copenhagen/Berlin.

Er setzt sich mit verschiedenen Medien auseinander – mixt Malerei, Fotografie, Aquarell und lässt so einzigartige Farben und Formen auf dem Bildträger entstehen. Die Borch Gallery & Editions zeigt in ihren Räumen in Charlottenburg eine neue Serie von Monotypien Saunders, in der er Aquarelle erst auf Leinen auftrug und schließlich auf Papier druckte. So tragen diese Drucke, in denen sich Saunders mit dem Torso – dem menschlichen Körper und seiner Identität –  beschäftigt, nicht nur die Strukturen des Textils, sondern auch Aspekte einer Farbintensivierung. Daneben werden Ölmalereien auf dünnem Chiffon zu sehen sein, die ebenfalls Saunders Spiel mit Materialien und Flüchtigkeit illustrieren.

WO: BORCH Gallery & Editions, Goethestraße 79, 10623 Berlin-Charlottenburg.
GW SPECIAL: Am Samstag, den 27. April um 16 Uhr, findet in den Galerieräumen ein Künstlergespräch zwischen Matt Saunders und Jacob Proctor, Kurator am Museum Brandhorst statt.  

Teresa Hantke

Sol Calero, Archivos Olvidados, 2019, scan of original document from the archive of the artist’s grandmother; Courtesy the Artist and ChertLüdde, Berlin.

Dem Berliner Kunstpublikum sind ihre knallbunten, exotischen Rauminstallationen, die einen an die Ästhetik der Tropen denken lassen, gut bekannt. 2017 war die aus Venezuela stammende junge Künstlerin Sol Calero, die sich mit der „lateinamerikanischen Identität“ auseinandersetzt im Rahmen des „Preis der Nationalgalerie“ im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart ausgestellt. Die Galerie ChertLüdde zeigt nun in ihren Kreuzberger Räumen mit „Archivos Olvidados“ neue Arbeiten Caleros, die einem sozialen Projekt ihrer Großmutter Luisa Hernandez gewidmet sind. Neben der Kunst Caleros, sind in den weiteren Räumen Videos des Kollektivs CONGLOMERATE zu sehen, sowie der neue hauseigene Projektraum Bungalow, den Juan Antonio Olivares bespielt.

WO: Galerie ChertLüdde, Ritterstraße 2a, 10969 Berlin-Kreuzberg.

Teresa Hantke

TAL R, “Sleep”, 2018, courtesy the artist and Contemporary Fine Arts.

Mit der Ausstellung „Jew Cherry, Clown And Congo“ gewährt uns die Galerie Contemporary Fine Arts einen sehr intimen Einblick in die vertraute Umgebung des dänischen Malers Tal R. Der Künstler bezieht sich auf drei Orte in seiner Wohnung, die es ihm ermöglichen kreativ zu arbeiten, zu kreieren, seine meist farbintensiven Gemälde zu erschaffen. Gerade weil er dieses Haus verlassen wird, sind diese Gemälde der Versuch, die Räume und Erinnerungen in Farbe nicht nur neu zu interpretieren, sondern auch zu erfinden. Einfühlsam und voller Nostalgie schafft Tal R hier keine realitätsgetreue Abbildung seines Hauses, sondern kreiert mit seiner Kunst einen Raum, um seine Umgebung zu begreifen und zu assimilieren.

WO: CONTEMPORARY FINE ARTS, Grolmanstr. 32/33, Berlin-Charlottenburg.

Teresa Hantke

UNTITLED (THE DIVER), JULIAN CHARRIERE, 2019. VG Bild-Kunst, Bonn, Germany, courtesy DITTRICH & SCHLECHTRIEM, Berlin.

Es ist seine Umwelt − geophysikalische Orte wie Vulkane, Eisfelder und radioaktiv verseuchte Landschaft, die den schweizerisch-französischen Künstler Julian Charrière interessieren. Mit „SILENT WORLD“ eröffnet die Galerie Dittrich & Schlechtriem zum Gallery Weekend eine Einzelausstellung Charrières, in der sich der Künstler ganz der Unterwasserwelt als ein Reich der Träume widmet. Als ein Reich, das unheimlich erscheint, aber gleichzeitig durch seine Fremdartigkeit fasziniert. Serien von Fotografien und Videos zeigen Körper, die in Sphären der ozeanischen Welt vordringen und bringen eine neue Tiefenschicht unserer ozeanischen Vorstellungskraft ans Tageslicht.

WO: Galerie DITTRICH & SCHLECHTRIEM, Linienstraße 23, 10178 Berlin-Mitte.

Teresa Hantke

Walid Raad, Les Louvres and/or Kicking the Dead © Luc Depreitere

„Les Louvres and/or Kicking the Dead“ lautet der Titel von Walid Raads neuer, in Koproduktion mit dem HAU entstandenen Installation und Performance. In gewisser Hinsicht ist es eine Fortsetzung und/oder Vertiefung der bereits bestehenden Arbeit „Kicking the Dead“, die er für den steirischen herbst 2017 schuf. In sogenannten ‚Walkthroughs’ führt der Künstler durch Bühnenbilder, Objekte und Filme. Seine Themen umspannen den Bau und die Eröffnung des Louvre Abu Dhabi, das wiedererstarkte Interesse an Sammlungen islamischer Kunst sowie generelle Zusammenhänge zwischen Kultur und Gewalt, Tradition und Zerstörung. Im Nachzeichnen geopolitischer und künstlerisch sinnhafter Zusammenhänge entwirft und entwirrt Walid Raad die Entstehungsgeschichte und Wanderwege der einzelnen Werke und entwirft ein dichtes Netz aus historischer und fiktiver Erzählung.

WANN: Die Performance findet von Freitag, 26. April bis Montag, 27. April, jeweils um 19 Uhr und um 21 Uhr statt. Tickets gibt es hier. Die Performance dauert 60 Minuten und ist in englischer Sprache.
WO: HAU 1, Stresemannstraße 29, 10963 Berlin-Kreuzberg.

Marie-Therese Bruglacher

Cardinal Red, 1993 (Collaboration with Franz Erhard Walther) Variation III, 1993 © KOW Berlin.

Vor neun Jahren eröffneten KOW ihre Galerie in dem ikonischen Arno Brandlhuber Bau in der Brunnenstraße. Nun beziehen sie ihre neuen Räume in der Lindenstraße in Kreuzberg. Damals wie heute ist es der deutsche Künstler Franz Erhard Walther, der dazu den Auftakt gibt; diesmal allerdings nicht als Solo, sondern in Kontext mit dem Künstlerduo Clegg & Guttmann. Alle drei Künstler verstehen ihre Arbeit als erweiterten Prozess sozialer Kommunikation und Interaktion. Für Walther besteht die Kunst nicht im Werk selbst, sondern in der Handlung der Person, die mit selben in Bezug tritt: Material wird Werk durch Handlung. Dieser radikale Ansatz findet sich ebenso in den Arbeiten von Micheal Clegg und Yair Martin Guttmann, die sich mit ihren performativen Installationen, Fotografien und Filmen ebenso an der Schnittstelle zwischen Aktion und Skulptur arbeiten. Die Zusammenschau dieser drei Künstler, so unterschiedlich ähnlich sie sind, verspricht spannend zu werden.

WO: In den neuen Räumen in der Lindenstraße 35, 10906 Berlin-Kreuzberg.

Marie-Therese Bruglacher

Art & Language, (Made) Active by One Lie, 2018 © Lepkowski Studios, Berlin.

„Art & Language“ klingt wie der Titel einer geisteswissenschaftlichen Fachzeitschrift oder eines Lehrbuches für Teenager, ist aber ein lebhaftes, internationales Netzwerk, das sich irgendwo zwischen Kunstkollektiv, Forschungseinrichtung, Aktivistenvereinigung und Rock’n’Roll-Band verorten lässt, seit den Sechziger Jahren in unterschiedlichster Zusammensetzung und in diversen Medien aktiv ist und das Wesen und die Mittel der Kunst kontinuierlich hinterfragt – heute von einer Schafsherde in Oxford aus. Entsprechend divers und thematisch weit aufgestellt sind die künstlerischen Erzeugnisse der Protagonisten und sorgen für vielschichtigen Input, der sich in einer einzigen Ausstellung bündelt.

WO: Galerie Michael Janssen, Potsdamer Straße 63, 10785 Berlin-Tiergarten.
GW SPECIAL: Am Samstag, den 27. April, findet um 15 Uhr ein Gespräch zwischen Künstlern und Kuratorin statt.

Eva Beck

Cian Dayrit, Et Hoc Quod Nos Nescimus, 2018, Courtesy the artist and NOME, Berlin.

Erstmals wird in diesem Jahr den kartografischen Kunstwerken des philippinischen Künstlers Cian Dayrit eine Einzelausstellung in Europa gewidmet. Die Galerie NOME am Landwehrkanal zeigt die emanzipatorischen Collagen und bestickten Textilien, welche imperialistisch bedingte Lebensräume und Grenzlinien verschieben und als solche enthebeln. Geprägt durch die Kolonialgeschichte des Heimatlandes des Künstlers, denken die Arbeiten jedoch global und üben dadurch gerade für Europa eine besondere Relevanz aus.

WO: NOME Gallery, Glogauer Straße 17, 10999 Berlin-Kreuzberg.

Eva Beck

Installation view, Peter Fischli / David Weiss, ‘How to Work Better’, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 2016 © Solomon R. Guggenheim Foundation, New York Courtesy Sprüth Magers, Photo: David Heald.

Sei es durch ihre Fragen zum Glück, der „Wurstserie“, oder den zahlreichen Videos und Installationen – die Werke des Schweizer Künstlerduos Fischli/Weiß begeistern durch ihre humorvolle und leicht sarkastische Sicht auf die Dinge. Zum Gallery Weekend widmet die Galerie Sprüth Magers dem Künstlerpaar mit „HAUS“, einem modellhaften Mini-Haus, das erstmals 1987 für die Skulpturprojekte Münster gefertigt wurde, eine Ausstellung, die das Verhältnis der Künstler zur Architektur anhand ausgewählter Skulpturen, Fotografien und Archivmaterial präsentiert.

WO: Galerie Sprüth Magers, Oranienburgerstraße 18, 10178 Berlin-Mitte.

Teresa Hantke

Weitere Artikel aus Berlin