Auf der anderen Seite ist das Gras grüner
Felicity Hammond im C/O Berlin

28. September 2020 • Text von

In ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland „Remains in Development“ im C/O Berlin erwarten euch vermeintlich bunte Zukunftsszenarien der britischen Künstlerin Felicity Hammond, große Foto-Collagen, die es in sich haben und eine fragmentarische, nicht weniger poppige, Rauminstallation. Noch nie von Hammond gehört? Das sollte ab sofort der Vergangenheit angehören.

großformatige Foto-Collage von Felicity Hammond in knalligen Farben, die eine Architekturszene zeigt
Felicity Hammond, World Capital, Vinyl Print, 2019, 226 x 368 cm.

In der oberen Etage im C/O Berlin kann man die Welt aktuell durch die Augen der britischen Künstlerin Felicity Hammond betrachten. Nice to meet you, Felicity – es ist ihre erste Einzelausstellung in Deutschland. Ihre großformatigen apokalyptisch-angehauchten Collage-Arbeiten laden zum genauen Hinschauen ein. Auch wenn man beim Eintreten gar nicht so recht weiß, worauf der Blick eigentlich zuerst ruhen soll.

Teil der Ausstellung sind nicht nur ihre äußerst hippen architektonischen Collagen, davon gibt es an der Zahl nicht viele zu sehen, sondern ebenso geschwungene und gerade Raumkonstruktionen, skulpturale Elemente – aus Stahl, bemaltem Holz und milchigem Plexiglas –  ein Verweis auf die verschiedenen Baumaterialien, die mit der Zeit in die Architekturgeschichte Einzug gefunden haben?

Ausstellungsansicht © David von Becker.

Durch Stahlkonstruktionen und geschwungene Durchgänge bahnt man sich seinen Weg durch die eher unkonventionelle Ausstellungsarchitektur und steht mitten drin. Die Rauminstallation ist den architektonischen Gegebenheiten des Ausstellungsraumes angepasst und eine künstlerische Übersetzung von Hammonds Publikation „Property“, die 2019 erschienen ist. Es fühlt sich an, als würde man durch einen Green Screen laufen.

Hammonds künstlerisches Werk verhandelt vielschichtige Themenbereiche: den Städtebau und seine Entwicklungen, den Immobilienmarkt und -handel, die Werbeindustrie und ihre Versprechen, Metropolen und Großstädte. Außerdem digitale Bilder und das Chroma Keying Verfahren, das auf grünen und blauen Hintergründen dafür sorgt, Objekte freistellen zu können und Ausgangspunkt der zu betrachtenden Installation ist. All das verpackt sie also in ihre computergenerierten und neu zusammengesetzten Fotocollagen und Installationen. Sie bedient sich dabei bewusst den gängigen Methoden, die zur Visualisierung von Architektur verwendet werden. Sie arbeitet mit gefundenen Bildern aus der Werbebranche und kombiniert diese mit ihren eigenen.

großformatige Foto-Collage in hellem Blau und Rosa, Pflanzen im Vordergrund, Model links, hügelige Landschaft im Hintergrund, Bauschutt, Innenarchitekturen
Felicity Hammond, Capital Growth, Vinyl Print, 2015, 262 x 445 cm.

Doch wie ordnet man diese Fülle an visuellen Reizen nun ein? Es wird relativ schnell klar, dass die Bilder nicht das bunte Zukunftsszenarium abbilden, das sie auf den ersten Blick zu versprechen scheinen. Man sieht hochmoderne, schimmernd-glitzernde und topsanierte Immobilien, die Coolness und Kapitalismus schreien und perfekt gestylte Models neben Schutt, Dreck, Asche und Baustellen. Die gesamte Bildsprache wirkt auf der einen Seite überzeugend komponiert und gleichzeitig heruntergekommen und gebrochen. Betitelt werden die Arbeiten zum Beispiel mit „Capital Growth“, „Unveiling the Façade“ oder „World Capital“.

Das Paradoxe ist besonders spannend an den Arbeiten. Hammond findet eine Bildsprache, die so dermaßen knallt und auf den ersten Blick richtig Spaß macht. Doch allen Werken haftet ein fader Beigeschmack an, der gar nicht lecker schmeckt und die Widersprüche unseres gesellschaftlichen Lebens zum Ausdruck bringt: überall stoßen wir auf ökonomische, soziale und politische Gegebenheiten, die keinen Sinn machen und eben eines sind – paradox. Die eine Seite profitiert, die andere darf daneben stehen und zuschauen. Da helfen auch die schicken Highclass Wolkenkratzer, gläsernen Prachtbauten und perfekten Werbeplakate, die solche Bilder stärker in unserem Bewusstsein verankern, herzlich wenig. Eher im Gegenteil, sie verstärken diese Unterschiede. Es ist doch auch so, dass die Werbeindustrie uns immer und immer wieder versucht, ein perfektes Bild vorzugaukeln, das es defakto aber nie geben wird, oder? Diese Möchtegern-Perfektion erhebt sich aus dem Dreck anderer, der anderen Seite, die immer bitter mitschwingen wird.

Beim Ausstellungsbesuch wird unweigerlich die Frage ins Bewusstsein gerufen, ob es sich hier überhaupt um potenzielle Zukunftsszenarien oder doch eher ein Abbild unserer Gegenwart handeln könnte. Beides ist zutreffend und dennoch weiß man es nicht so genau. Die Arbeiten bieten keinen konkreten Lösungsvorschlag an, sie stellen aber einenZustand dar, der hinterfragt werden darf und sollte. Wir leben in einer Welt, die sich in einem permanenten Wandel befindet und trotzdem manchmal zum Stillstand gekommen zu sein scheint, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten und Sinnlosigkeiten aus dem Weg zu räumen. Wann fangen wir an, festgefahrene Konstrukte, wie Hammond sie visualisiert, zu brechen, aufzulösen und uns vielleicht ein bisschen mehr aus dem selbstgebauten Paradoxon herauszubewegen? Wäre doch mal spannend, herauszufinden, wohin es dann gehen würde. Auch wenn das wohl zur Folge hätte, dass Felicity Hammond sich ein anderes Sujet für ihre künstlerische Arbeit suchen müsste. Bis es aber soweit ist, betrachten wir doch noch etwas das Gras auf der anderen Seite, das ja bekanntlich immer grüner ist und stehen rum im Teufelskreis.

Große Baugrube mit aufgeschüttetem Bauschutt
Felicity Hammond, Restore to Factory Settings, C-type Print, 2014, 134 x 206 cm.

Zu der kompakten Ausstellung gibt es ein kleines Extra: Wenn ihr bei eurem nächsten Streifzug durch Berlin die Augen offen haltet, könnt ihr mit etwas Glück vielleicht die prominenten Collagen von Hammond an Litfaßsäulen entdecken, die das Thema zurück in das Stadtgeschehen bringen. Dort gehört es letztlich ja auch hin.

Die Ausstellung „Remains in Development“ ist als Co-Produktion mit der Kunsthal Extra City in Antwerpen entstanden. Der Katalog „Property“ von Felicity Hammond, der hier visuell umgesetzt wurde, ist im Shop käuflich zu erwerben.

Was bleibt am Ende noch zu sagen? Es ist beeindruckend, wie viel Inhalt und paradoxe Misstände man in eine doch übersichtliche Anzahl von Werken hineinstecken kann. Die Ausstellung macht Lust auf mehr von Felicity Hammond. Bleibt zu hoffen, dass weitere Ausstellungen der Künstlerin in Deutschland bald folgen werden. Von ihrer Bildsprache können wir noch viel lernen.

WANN: Die Ausstellung läuft bis Samstag, den 23. Januar, und kann täglich von 11 bis 20 Uhr besichtigt werden.
WO: C/O Berlin Foundation, Amerika Haus, Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin.

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