You can't eat the same donut twice
Geopolitik und Körper im Lenbachhaus

13. Mai 2016 • Text von

Körper, der eigene und fremde, können vieles sein. Objekte der Begierde, Werkzeuge und Kampfmaschinen. Aber auch Mittel des Ausdrucks und einer wortwörtlichen Haltung, Waffen in der politischen Auseinandersetzung. Anlässlich einer Kooperation mit dem Münchner DOK.fest hat das Lenbachhaus nun unter dem Titel „Geopolitik und Körper“ eine Filmreihe zusammengestellt.

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Anja Kirschner, Moderation, 2016, Courtesy die Künstlerin, © Pinelopi Gerasimou.

Im Tanz, bei Performances und in der Body-Art nimmt der Körper die zentrale Rolle ein, wird gleichsam zum Instrument. Aber auch im gesellschaftlichen Diskurs kann ein Körper als Mittel der Kommunikation genutzt werden, als Bestandteil einer demonstrierende Masse oder als Individuum. Das Lenbachhaus zeigt nun eine Filmreihe, in der drei künstlerische Positionen präsentiert werden, die sich mit dem Spannungsfeld zwischen abstrakten politischen Komplexen und einer privaten, intimen Körperlichkeit auseinandersetzen.

Zwischen Dokumentation, Fiktion und Meta-Erzählung schwebt „Moderation“ von Anja Kirschner. Der Film wurde in Ägypten, Griechenland und Italien gedreht und erzählt in 146 Minuten von einer Filmregisseurin, ihrer Drehbuchautorin und deren neuestem Projekt: Entstehen soll ein Horrorfilm, doch die Produktion gestaltet sich schwieriger als gedacht. Dass Autorin und Regisseurin eine romantische Vergangenheit teilen erschwert zudem die Zusammenarbeit. „Moderation“ ist ein Film über das Filmemachen, eine Mediation über den künstlerischen Prozess. Man erkennt Anleihen an Godards „Verachtung“ und Fellinis „8 1/2“. Wo sich bei Fellinis „Guido“ die darunterliegenden Probleme und Fragestellungen in grotesken Traumsequenzen und Verschiebungen der filmischen Realitäten den Weg auf die Leinwand brechen, nutzt „Modetation“ eine andere Form: Der Horror, der das Zentrum des zu produzierenden Film-im-Film ausmachen soll, schleicht sich auch in die vermeintliche Realität. Der Versuch, diesen Grenzverlust zwischen Fakt, Fiktion und Genre zu forcieren geht jedoch nicht vollständig auf, dafür bleiben die unterschiedlichen Aspekte des filmischen Körpers zu heterogen.

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William Pope L., The Great White Way, 22 miles, 9 years, 1 street (Whitney version), 2001-2009, ©Pope. L. Courtesy der Künstler und Mitchell-Innes & Nash, NY Foto: Lydia Grey.

Einen anderen Ansatz, sich filmische Mittel künstlerisch anzueignen, verfolgt der amerikanische Künstler William Pope L. in seiner Arbeit „The Great White Way“. Im Superman-Kostüm, mit einem Skateboard auf den Rücken geschnallt, robbt und krabbelt er in seinem Film durch ganz Manhattan, von der Freiheitsstatue bis in die Bronx soll es in dem Projekt gehen, gezeigt wird nur die erste Episode. Gefilmt wird er dabei mit einer simplen Kamera, das Resultat ist die reine Dokumentation einer Performance, die an die Body- und Endurance-Art der 1960er Jahre erinnert. Dennoch stellt seine bewusst und freiwillig gewählte Position der Unterwerfung oder Unterwanderung Fragen bezüglich seiner afroamerikanischen Identität in einer von konstruierten Klassen- und Rassenunterschieden geprägten Gesellschaft. Ein schwarzer Superman der nicht mehr  fliegen kann und zwischen weißen Beinen herumkriechen muss.

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Clarisse Hahn, Notre corps est une arme: Los desnudos, 2012, Videostill, Courtesy die Künstlerin.

In ihrer drei Teile umfassenden Videoserie „Notre corps est une arme“ nutzt Regisseurin Clarisse Hahns am ehesten die Mittel des klassischen Dokumentarfilmes: Sie zeigt drei Instanzen, in denen, vornehmlich weibliche, Körper als Kampf- und Widerstandsmittel gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit eingesetzt werden. Im ersten Teil, „Los desnudos“ defilieren Hunderte mexikanische Landarbeiterinnen nackt durch die Straßen Mexiko Citys, um gegen die staatliche Vereinnahmung ihres Grund und Bodens zu protestieren. Hinter den selbstbewussten und aufmerksamkeits-ökonomisch denkenden Frauen marschieren ihre männlichen Kollegen. Die Protestierenden nutzen ihren Körper bewusst und provokativ. In „Prisons“ wiederum berichten zwei im kurdischen Widerstand aktive Frauen über ihre Inhaftierung in einem türkischen Gefängnis. Im Jahr 2000 traten über 1000 in der Türkei Inhaftierte in den Hungerstreik, der von den Beamten brutal und rücksichtslos aufgelöst wurde. Einheiten stürmten schließlich die Gefängnisse und schlugen den Streik brutal nieder. Die Bilder dieser Gewaltausbrüche, wackelige Videoaufnahmen, und die Gesichter der vom Hungerstreik für immer gezeichneten Frauen beklemmen. Für den dritte Teil ihrer Arbeit „Gerilla“ nutzt Clarisse Hahn Material, das Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans im Kampfeinsatz an der türkisch-irakischen Grenze zeigt. Die gemischt geschlechtliche Einheit wird im Stellungskampf gezeigt, aber auch beim Tanz. Diesen Bildern des Kampfs setzt Hahn schließlich auch Aufnahmen aus Paris gegenüber: Kurdische Flüchtlinge die in Europa zwar nicht mehr mit der Waffe kämpfen, aber auf der Straße schlafen müssen.

Die Filmreihe „Geopolitik und Körper“ präsentiert drei Positionen, die sich in ihren künstlerischen Ansätzen und in ihrer filmischen Form durchaus unterscheiden. Gemein ist ihnen jedoch der intime und sensible Blick auf Körper, die zwischen abstrakten und politischen Realitäten förmlich aufgerieben werden. Alle Vorführungen finden im Georg-Knorr-Saal des Lenbachhauses statt. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei.

WANN: Die Screenings finden noch bis Sonntag, den 15. Mai 2016 statt. Das detaillierte Programm gibt es hier.
WO: Städtische Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, 80333 München.

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