Geträumte Tage
Timur Lukas bei Knust x Kunz +

17. Februar 2022 • Text von

Die Kunst von Timur Lukas schafft fiktive Momente der Erinnerung. Derzeit zeigt er seine Arbeiten in der Einzelausstellung „dream days“ bei Knust x Kunz + in München. Wir haben den Künstler vor der Eröffnung in seinem Atelier in Augsburg besucht und mit ihm über seine Malerei gesprochen.

Timur Lukas in seinem Atelier in Augsburg. Foto: Siegfried Hermann

gallerytalk.net: Wie kam es zu dem Ausstellungstitel „dream days“?
Timur Lukas: Die Arbeiten haben sowohl thematisch als auch in ihrer Farbigkeit eine traumhafte, manchmal sogar fiebrige Wirkung. Außerdem eröffneten wir die Ausstellung am Valentinstag. Das ist ja auch für viele ein „dream day“. Für manche aber sicherlich auch ein Albtraum-Tag. Die können natürlich auch gerne vorbei kommen. 

In deinen „Vasenbildern“ hast du dich mit Erinnerungen aus deiner Jugend auseinandergesetzt, die du größtenteils bei deiner Oma auf dem Land verbracht hast. Verbergen sich auch in der aktuellen Serie eigene Erfahrungen oder Erlebnisse?
Nicht so direkt wie zuvor bei den „Vasen“. Wahrscheinlich passiert das jetzt auf eine subtilere Art. Teilweise sind die Motive so allgemein gehalten, dass sie auf viele Vergangenheiten zutreffen könnten. Vielleicht funktionieren sie wie „Allerweltsgesichter“. Deswegen habe ich den Eindruck, dass es sich hier auch um Geschichten von meiner Familie handeln könnte.

Die Motive in den Arbeiten deiner Ausstellung bei Knust x Kunz + stammen von Fotos und Postkarten, die du kistenweise auf Online-Plattformen bestellst. Was hat dich an diesen fremden Andenken besonders interessiert? 
Die Motive haben oft eine seltsame Vertrautheit. Nicht nur die Landschaften oder die Innenräume, sondern auch die Personen. Die Mimik und Gestik der jungen Frau auf der Arbeit „Natalie lässig“, erinnert mich zum Beispiel an einen bestimmten Typ Mensch, der die Welt erobern will. Ihr Blick sagt für mich: „Was willst du mir eigentlich erklären?“ 

Timur Lukas, “Ministerium für Arbeit”, 2021, Öl auf Holztafel, 40 x 30 cm // Timur Lukas, “Kathedrale”, 2021, Öl auf Holztafel, 40 x 30 cm. Fotos: Sebastian Bühler

Was passiert, wenn du die Fotos in Malerei transformierst?
Ich fange an, mir eigene Geschichten über diese Leute zu überlegen. Indem ich mich stundenlang mit den Protagonist*innen auf den Fotos auseinandersetze, sind sie mir plötzlich nicht mehr fremd. Ich nehme sie aus ihrer Zeit und interpretiere sie zeitgenössisch. 

Du hast 2018 dein Diplom an der Akademie der Bildenden Künste in München gemacht. Die Bilder deiner Abschlussarbeit waren sehr abstrakt. Dann kamen die „Vasenbilder“, die du 2020 in deiner ersten institutionellen Einzelausstellung im Neuen Aachener Kunstverein präsentiert hast. Diese waren im Vergleich dazu viel figurativer. 
Der Reiz, figurativ zu malen, war schon immer da. Trotzdem war das Abstrakte zunächst im Vordergrund und ich beschäftigte mich größtenteils mit malerischen Impulsen. Plötzlich stand ich dann vor der Frage, in welche Richtung es als nächstes für mich weitergehen kann. Die „Vasen-Serie“ war die erste, in der ich einen bestimmten Gedanken entwickelte. Vasen, Fenster und der Wald sind Gegenstände, die mich an meine Oma erinnern. Aus diesen Motiven formte sich automatisch eine figurativere Bildsprache.

Jetzt scheinst du noch stärker bei der Figur angekommen zu sein. Wie kam es dazu?
Ich sehe das für mich als größte Herausforderung. Figuren machen so viele Probleme und es fordert mich sehr. Auch dass es kein Bühnenbild wird oder inszeniert wirkt. Oder dass sie hölzern oder unbelebt erscheinen. Ich glaube auch, dass ein figuratives Bild Geschichten freier erzählt und dem Betrachter nicht zu viel bei seiner Interpretation vor gibt. 

Timur Lukas, “Montag Nacht”, 2021, Öl auf Holztafel, 40 x 30 cm // Timur Lukas, “Im Feld, im Sommer”, 2021, Öl auf Holztafel, 40 x 30 cm. Fotos: Sebastian Bühler

Was heißt für dich klassisch? Würdest du deine Malerei als „klassisch“ bezeichnen?
Ich denke ja, weil es einerseits von der Maltechnik her klassisch ist – sprich Öl auf Holztafel. Älter ist wahrscheinlich nur Tempera auf Holz oder die Höhlenmalerei. Auch die Themen der neuen Arbeiten sind sozusagen klassisch, also Landschaft, Interieur, Reiterbild oder Porträt.

Wieso hast du dich gerade für diese „klassischen“ Motive entschieden?
Ich finde es gut, mich mit Themen auseinanderzusetzen, die ich oder jeder andere auch täglich wahrnimmt. Man ist vertraut mit dem, was auf dem Bild passiert, kann es schneller lesen, vergleichen oder sich an eigene Geschehnisse erinnern. Das gefällt mir. Zudem sind es Inhalte, die in der Kunstgeschichte schon sehr lange vorkommen – auch hier sind Vergleiche oder Querverweise da.

Welche Querverweise meinst du?
Die Malerei von Peter Doig fasziniert mich sehr, weil er für mich persönlich neue Aspekte in die Malerei gebracht hat. Ich habe mich schon immer gefragt, wie seine Kunstwerke entstehen. Er war für mich undurchschaubar und das hat mich selbst in meiner eigenen Arbeit voran gebracht. Vor allem das Bild „Jetty“, in dem eine Person auf einem Steg vor einem Bergpanorama steht, funktioniert für mich besonders gut als Querverweis. Das Motiv stammt auch von einer Postkarte. In meiner Ausstellung gibt es ein ähnliches Bild, in dem ein Mann auf einem Steg in einer Landschaft steht, nur ist er aus einer anderen Perspektive zu sehen. Es wirkt, als hätte ich die Person von „Jetty“ aus einem anderen Blickwinkel beobachtet. 

Timur Lukas, “Fenced in”, 2021, Öl auf Holztafel, 40 x 30 cm. // Atelieransicht, Foto: Siegfried Hermann.

Du arbeitest in Augsburg in einem riesigen Atelier, das du dir mit zwei befreundeten Künstler*innen teilst. Welchen Vorteil hat Augsburg gegenüber München für dich?
Viel Raum und natürlich günstige Mieten. Nicht nur im Vergleich zu München, sondern auch zu Köln, Berlin oder Hamburg. Ich schätze es sehr, dass ich Platz habe. Er ermöglicht es mir seriell zu arbeiten. Ich kann Bilder gegenüberstellen und miteinander vergleichen. Das empfinde ich persönlich als Luxus. 

Verrätst du uns, mit was du dich als nächstes beschäftigen möchtest?
Häuser und generell Lebensräume interessieren mich. Derzeit finde ich Kirchen im Sinne von Gotteshäusern sehr spannend. Und andere Bildformate. Ornamente und Rahmen sind auch noch ein Thema.

Die Autorin des Artikels hat einen Text über die Arbeiten von Timur Lukas geschrieben, der in einer Publikation zur Ausstellung erscheinen wird. 

Die Ausstellung „dream days“ wurde von VogelArt kuratiert.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis 27. Februar 2022 zu sehen.
WO: Galerie knust x kunz +, Theresienstraße 48, 80333 München.

Weitere Artikel aus München