Mythische Verknüpfungen
Rosemary Mayer im Lenbachhaus

4. Juli 2022 • Text von

Verknoten, verknüpfen, verflechten. Das Lenbachhaus in München zeigt mit “Ways of Attaching” die erste institutionelle Überblicksausstellung der Amerikanerin Rosemary Mayer. Die Präsentation deckt mehr als vierzig Jahre ihres komplexen Schaffens ab.

Ausstellungsansicht: Rosemary Mayer. Ways of Attaching, 2022
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München © 2022 The Rosemary Mayer Estate. Foto: Ernst Jank.

Die Textil-Skulpturen wirken zart und fragil. Sie scheinen zu schweben, haben eine organische Anmutung, die ihnen eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Die farbenfrohen großformatigen Skulpturen werden in der Ausstellung “Ways of Attaching“ im Lenbachhaus Arbeiten auf Papier, Fotografien und Dokumentationen zu Mayers Performances der späten 1970er Jahre, die sie als “temporäre Monumente” bezeichnete, ergänzt. Die Präsentation ist die erste institutionelle Überblicksausstellung der Künstlerin, die mehr als vierzig Jahre ihres produktiven und vielfältigen Schaffens abdeckt. Doch in allen ihren Arbeiten wird ihr poetischer, prozessorientierter Ansatz ersichtlich. Drapierungen, Knoten und Verflechtungen sind in ihrer künstlerischen Praxis nicht lediglich formelle Strategien, das „Vernetzen“ hat auch eine metaphorische Ebene.

Rosemary Mayer: The Locrian Mode / Der Lokrische Modus, 1974-1975, © 2022 The Rosemary Mayer Estate, Foto: Mareike Tocha, Ludwig Forum Aachen.

Mayer wurde in Brooklyn geboren und lebte ihr ganzes Leben lang in New York City. Sie studierte zunächst Klassische Philologie, ein Einfluss, der sich durch ihr gesamtes Werk zieht, in Verweisen auf historische Figuren, Schriften und Kunstwerke. Sie war Gründungsmitglied der inzwischen legendären A.I.R. Gallery, der ersten Galeriekooperative für Frauen in den USA. Nach Anfängen in der konzeptuellen Malerei und Zeichnung begann Mayer in den frühen 1970er Jahren eine Reihe von Textilskulpturen, mit angeregt durch ihre Faszination für die Malerei des italienischen Manierismus. Ihre Skulpturen reizen die Eigenschaften des genutzten Materials aus, sie haben oft eine inhärente Instabilität und stehen in ihrer Konstruktion unter Spannung.

Rosemary Mayer: Hypsipyle, 1973, Ausstellungsansicht, Rosemary Mayer. Ways of Attaching, 2022, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München. Foto: Lukas Schramm.

In ihren Titeln bezog sie sich auf historische Frauenfiguren aus dem Mittelalter und der Antike wie Hypsipyle aus der griechischen Mythologie oder Galla Placidia, Regentin des Weströmischen Reichs im 5. Jahrhundert und spannt so Verbindungen, die sich über zeitliche, wie räumliche Distanzen bewusst hinwegsetzen. Mayer schafft so Kontexte für ihre Arbeiten die sie formell wie inhaltlich in unterschiedliche Verwebungen bringt, keine der Arbeiten existiert nur für sich. Die Ausstellung im Lenbachhaus fokussiert sich auf Mayers skulpturale Strategien wie Drapieren, Knoten, Spannen und Verknüpfen und bettet diese in das zeichnerische und konzeptuelle Werk der Künstlerin bis in die 1980er Jahre ein.

Rosemary Mayer Galla Placidia, 1973, ©2022 The Rosemary Mayer Estate, Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel.

Dabei werden Verbindungen und Linien sichtbar, die reale und ungreifbare Netzwerke formen. Das englische Verb „to attach“ kann so nicht nur im ursprünglichen Sinn verstanden werden, vielmehr öffnet es einen Bedeutungsraum, in dem unterschiedliche Formen der Verbindung, Affinität und des Bezuges erkennbar werden.

WANN: Noch zu sehen bis Sonntag, den 18. September 2022.
WO: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, Luisenstraße 33, 80333 München.

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