Beständig lebendig:
Mehr als 20 Jahre "Feinkunst Krüger"

1. Oktober 2020 • Text von

Angefangen hat alles mit Siebdruckplakaten. Inzwischen sind Ralf Krüger und seine Galerie aus Hamburg nicht mehr wegzudenken. Authentizität, Qualität und Experimentierfreude kennzeichnen – neben den immer gut besuchten Vernissagen – die Galerie am Großneumarkt, bei der nicht selten auch mal die Galerieräume komplett umgestaltet werden. Wir haben mit Ralf Krüger über mehr als 20 Jahre erfolgreichen Galeriebetrieb in Hamburg gesprochen.

Man sieht den Galeristen Ralf Krüber in seinen Galerieräumen. Er schaut links hinter einer weißen Säule hervor.
Ralf Krüger in seiner Galerie am Großneumarkt.

2018 hat Ralf Krüger mit seiner Galerie “Feinkunst Krüger” 20-jähriges Jubiläum gefeiert – ein Kontrapunkt zu den sich häufenden News über Shutdowns gerade kleinerer Galerien. Die Ausstellungen am Großneumarkt mischen immer wieder etablierte und junge künstlerische Positionen, sind sorgfältig kuratiert und nie überfrachtet. Sie zählen daher nicht umsonst zum festen Bestandteil auf der Agenda der Hamburger Kunstinteressierten und zum festen Bestandteil der Kunstgriffe auf gallerytalk.net. Längst Zeit für ein Interview mit dem Mann dahinter.

gallerytalk.net: Du betreibst deine Galerie jetzt seit mehr als 20 Jahren. Was prägt deine Arbeit, was ist dir besonders wichtig?
Ralf Krüger: Dass es bei meinen Ausstellungen nicht langweilig wird und man als Besucher vielleicht auch ab und zu überrascht ist. Und ein enges Verhältnis zu den Künstlern. Ich arbeite tatsächlich nur mit Künstlern zusammen, mit denen es auch persönlich passt, alles andere macht keinen Spaß. Der Vorteil einer kleinen Galerie wie meiner ist, dass ich das auch gewährleisten kann. Außerdem will ich dauerhaft ein gewisses Niveau erreichen. Es kann zwar sein, dass nicht jedem jede Ausstellung gefällt. Im November zeige ich zum Beispiel Lawrence Power, einen abstrakten Maler. Das gefällt vielleicht dem nicht, der Femke Hiemstra mag, die sehr erzählerisch, fein, figurativ malt. Aber Femke und Lawrence haben beide ein sehr hohes Niveau. Bei ganz jungen Künstlern kann es mal schwierig sein, sofort ein hohes Niveau zu erreichen. Da kommt dann aber eben mein Wunsch ins Spiel, was Neues vorzustellen. Das finde ich genauso wichtig, sonst wird mir ja auch langweilig (lacht).

Man sieht in weißer Farbe auf den schwarzen Boden des Ausstellungsraum in einer immer enger werdenden Spirale geschriebene Worte.
Installation von Simon Hehemann und Stefan Vogel zur Feier des 20. Jubiläums der Galerie auf Kampnagel.

Woraus entwickeln sich bei dir immer wieder neue Kooperationen und Ausstellungsformate?
Viel ist hier über die Jahre einfach gewachsen. 1998 habe ich angefangen, Ausstellungen zu machen. Ich hatte dann schnell Verbindungen zur HFBK und zur HAW, vor allem, weil ich damals auch schon Künstler ausgestellt habe, die noch im Studium waren oder kurz danach. Das ist heute vielleicht üblich, war damals aber noch nicht so angesagt. Viele Künstler aus dieser Zeit sind immer noch in meinem Netzwerk und mit der Zeit sehr erfolgreich geworden. Henning Kles zum Beispiel habe ich kurz nach seinem Studium ausgestellt, jetzt ist er selbst Professor an der HAW. So ist mein Netzwerk immer weiter gewachsen und davon lebt die Galerie heute. Es geht darum, Neues zu kreieren aus Bestehendem im Sinne eines sich selbst befruchtenden Systems. Man kann immer wieder neu denken, obwohl man schon auf bewährte Formate zurückgreifen kann. Das macht es dann hoffentlich authentisch.

Ein Beispiel?
Ein gutes Beispiel ist vielleicht die jährliche Low Brow-Gruppenausstellung „Don’t Wake Daddy“. Ich hatte Berührungspunkte zu Robert Williams, einem der Gründer des Juxtapoz Magazine. Irgendwann habe ich eine Ausstellung mit einem Low Brow-Künstler aus L.A. gemacht. Heiko Müller, mit dem ich zusammen kuratiere, ist in den USA Teil einer Künstlergruppe in diesem Bereich gewesen. So kam das Thema dann wieder zu mir und wir haben die erste Group Show veranstaltet. Dann haben wir einfach immer weitergemacht, die Ausstellung geht jetzt schon ins 15. Jahr. Auch hier achten wir aber darauf, dass immer neue Künstler dabei sind, momentan sogar acht bis zehn neue Künstler pro Ausstellung, damit das Format frisch bleibt und nicht langweilig wird.

Man sieht die Galerieräume frontal fotografiert. An den Wänden hängen Bilder aus der "Don't Wake Daddy"-Ausstellung.
“Don’t Wake Daddy”: Jährliche Low Brow-Ausstellung in der Galerie Feinkunst Krüger.

Hast du über die Jahre hinweg mal überlegt, dich auch örtlich zu verändern, also weiter zu wachsen und andere Städte zu bespielen?
Mit wenigen Ausnahmen mache ich alles alleine. Da muss ich auch erkennen, wo die Grenzen sind, und was ich leisten kann als Galerie. Ich schwimme irgendwo zwischen den totalen Topgalerien und den ganz kleinen Galerien mit und bin da sehr gut aufgehoben. Ich glaube, es bringt zum Beispiel nichts, sich in Berlin in diesem Segment zu bewegen, da müsste man schon in der obersten Liga mitspielen wollen. Ich mache elf Ausstellungen im Jahr und dann noch Projekte nebenbei, zum Beispiel neulich den Galerierundgang in Leipzig in der Alten Spinnerei. So komme ich auf circa 17 Projekte pro Jahr, das lastet mich aus. Natürlich verlassen mich einige Künstler, wenn die große Karriere winkt, dann bin ich einfach zu klein. Aber häufig begegnen wir uns eben doch wieder oder machen aus alter Verbundenheit weiter Ausstellungen zusammen. Und vor allem fühle mich hier in Hamburg auch einfach wirklich wohl.

Man sieht die Galerie von innen, dabei ist mit Holzpaletten und Wandverkleidung ein eigener Raum in den eigentlichen Galerieraum gebaut worden.
Raum im Raum: Stefan Vogel hat die Galerieräume neu gestaltet.

Apropos Hamburg, wie schätzt du als Galerist den Kunststandort hier ein?
Hamburg ist insoweit echt eine harte Nuss. Das sagen auch Beobachter aus dem Rheinland oder Süddeutschland. Ein Künstler hat mal gesagt, dass es vielleicht am Protestantentum liegt, oder auch daran, dass Hamburg eine Handelsstadt und entsprechend geprägt ist. Es gibt ja hier auch erst seit 1919 eine Uni. Und: Die großen Sammler, die es hier durchaus gibt, kaufen überwiegend nicht in Hamburg. Da vermisse ich bei den Leuten hier auch ein bisschen den Mut. Viele Künstler, die ich ausgestellt habe, sind wie gesagt sehr erfolgreich geworden und mittlerweile bei den großen Galerien. Die Leute warten aber solange ab und kaufen ihre Bilder erst dann. Auch die großen Institutionen hier sind mit denen anderer Städte nicht vergleichbar.

Was würdest du dir für Hamburg wünschen?
Ich hoffe zum Beispiel, dass Alexander Klar frischen Wind in die Kunsthalle bringt und spannende Formate schafft. Christoph Heinrich als Leiter der Galerie der Gegenwart hat sich damals sehr für die lokale Szene interessiert, war hier in den Galerien und an der HFBK unterwegs, hat große Ausstellungen mit Hamburger Künstlern gemacht. Das könnte jetzt wieder so ähnlich werden. Und Bettina Steinbrügge vom Kunstverein ist auch absolut am Puls der Zeit und der Stadt unterwegs. Ich finde, es ist für einen Kunst- und Galeriestandort sehr wichtig, dass eine gegenseitige Befruchtung der Akteure stattfindet.

Man sieht die schwarz-weiß-Zeichnung von zwei Frauen in gemusterten Kleidern, die nebeneinander sitzen
Moshtari Hilal: Sisters (Ausschnitt)

Was erwartet deine Besucher in der Ausstellung von Barbara Lüdde und Moshtari Hilal, die diese Woche startet?  
Die beiden zeigen Zeichnungen, wollen aber auch in den Raum eingreifen. Was genau passieren wird, weiß ich aber nicht. Ich lasse den Künstlern da eine große Freiheit. Simon Hehemann hat zum Beispiel vor einiger Zeit hier einen Raum in den Raum gebaut. Fußboden, Decke und Wände gab es nicht mehr. Sowas sprechen wir zwar ab, aber umgesetzt hat er es im August, da bin ich jedes Jahr im Urlaub. Simon hat die Räume auch mal komplett schwarz gestrichen, da hatten wir hier dann 500 Meter Kabel drin, eine neue Lichtsituation und der Boden war tapeziert mit 1500 schwarzen DIN A3 Blättern. Sowas setzt natürlich großes gegenseitiges Vertrauen voraus.

WANN: Die Vernissage der nächsten Ausstellung “Struktur” mit Arbeiten von Barbara Lüdde und Moshtari Hilal ist kommenden Samstag, den 3. Oktober (Besuch mit Terminbuchung über die Webseite der Galerie).
WO: Feinkunst Krüger, Kohlhöfen 8, 20355 Hamburg.

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