Politische Körperanalogie
„Body \\ Politic“ bei Susan Boutwell

21. August 2020 • Text von

Die Susan Boutwell Gallery zeigt ausgehend von der englischsprachigen Metapher „body politic, mit der das Politische anhand einer Körperanalogie erklärt wird, eine internationale Gruppenausstellung kuratiert von Stewart Hall. Die Werke von Louisa Abdelkader, Nora Battenberg-Cartwright, Judith Egger, Ope Lori, Bex Massey, Rozhgar Mustafa, Janette Parris, Kim Thornton und Rachel Wilberforce gehen auf kritische Weise der individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung von Körperbildern nach.

Installationsansicht mit Werken von Judith Egger (v.) und Nora Battenberg-Cartwright. Copyright Susan Boutwell Gallery.

Body politic“ beschreibt ursprünglich die Verkörperung eines Staates, die Gemeinschaft. Anhand der neun künstlerischen Positionen wird im übertragenen Sinne das Bild einer Gesellschaft als sozialer Organismus entworfen, in dem jeder Einzelne seinen Beitrag zum Gemeinwohl leistet. Der Körper und seine Organe stehen als Metapher für eine funktionierende Gesellschaft, in der jede Person die ihr zugewiesenen Aufgaben erledigen muss, damit alle gesund bleiben. Der konkrete Körper wurde allerdings erst in den Bewegungen seit den 1970er Jahren Gegenstand von Politik, so auch in künstlerischen Aktionen und Protesten. Davor und eben im englischen Sprachgebrauch von „body politic“ hatte der Körper eine metaphorische Funktion, wodurch das Verhältnis von politischer Herrschaft und Gemeinschaft verdeutlicht und legitimiert werden sollte.

Ope Lori, Alpha and Beta, 2015, Filmstill. Copyright the artist.

Die Videoarbeit „Alpha and Beta“ der nigerianischen Künstlerin Ope Lori ist geprägt von starken Dualismen. Ein Paar – eine schwarze Frau und ein weißer Mann – steht sich auf dem zweigeteilten Bildschirm doppelt gegenüber beim Tauziehen. Die Künstlerin untersucht in dem Video Gender-Stereotypen, Grenzen körperlicher Unterschiede und hinterfragt die Machtdynamik zwischen konstruierten binären Strukturen wie männlich und weiblich, schwarz und weiß, nackt und bekleidet. Jede Seite für sich betrachtet verdeutlicht das gemeinschaftliche Sprichwort „an einem Strang zu ziehen“, wobei das Kräftemessen als Gesamtbild auch als Darstellung von politischen Oppositionen dient.

Installationsansicht Louisa Abdelkader, Schwarz, Weiss, Rosa, 2017, Fine Art Prints. Copyright Susan Boutwell Gallery.

Die drei Fotografien der 2017 im Kulturzentrum Giesinger Bahnhof stattgefundenen Aktion „Artifari“ der Münchner Künstlerin Louisa Abdelkader zeigen sie selbst verkleidet in Schaumstoffkostümen und in einem Bühnenbild aus selbigem Material, mit dem sie den sozialen Raum entfremden wollte. Die drei Figurentypen in Schwarz, Weiß und Rosa fügen sich in die sie umgebende Kulisse homogen ein und verkörpern gleichzeitig je einen unterschiedlichen Charakter, der sich über die Form und Farbe der Kostüme identifizieren lässt: die Strenge, die Diplomatin und die Wilde. Wie in Oskar Schlemmers berühmten „triadischen Ballett“ verleugnet die Abstraktion des menschlichen Körpers diesen jedoch nicht, sondern akzentuiert bestimmte Eigenschaften und seine Geometrie. Abdelkader spielt darin mit Rollenklischees und zieht sich verschiedene Identitäten in einer performativen Aktion einfach an.

Rozhgar Mustafa, However I walk I get injured, 20017, Fine Art Print. Copyright the artist.

Die Fotografie der in Sulaimanyah, Kurdistan-Irak lebenden Künstlerin Rozhgar Mustafa zeigt eine nackte Barbie, die auf einem Stacheldraht sitzt, der einen Kinderspielplatz umzäunt. Sowohl der Blick in die Vergangenheit der Militärgesellschaft als auch in die Gegenwart der jüngeren Generation mit ihren eigenen Herausforderungen werden durch den Zaun und die sprachlose Puppe deutlich. Mustafa arbeitet mit verschiedenen Medien, einschließlich Video und öffentlichen Aktionen in ihrer Heimat, in denen sie sich mit Fragen des Konflikts und Geschlechteridentitäten beschäftigt.

Installationsansicht mit Judith Egger, Objekt, 2020, Latex, Leder, Kette und Bex Massey, The Swing, 2018, Digitaldruck auf Lycra, Magnete und Nägel. Copyright Susan Boutwell Gallery.

In einem Digitaldruck auf Kunstfaser verhandelt die britische Künstlerin Bex Massey die Objektifizierung von Frauen und Darstellung von Weiblichkeit in der Kunstgeschichte. Dafür collagiert sie einen Ausschnitt aus Jean-Honoré Fragonards Gemälde „The Swing“ (1767), in dem eine junge Frau auf einer Waldlichtung so schwungvoll schaukelt, dass der unter ihr liegende, scheinbare Verehrer ihr unter den Rock schauen kann, mit einer Werbung aus den 1980er Jahren. Das neuere Bild zeigt ein Auge in Großaufnahme, in dessen Unterlied ein Buntstift steckt – so, dass es schon beim Anblick weh tut. In ihrem Werk verschmelzen die Kunst Alter Meister mit digitaler, britischer Subkultur und feministischen Fragestellungen. Massey spielt mit der Politik des Blicks und kritisiert mit einem humorvollen Augenzwinkern.

WANN: Die Ausstellung “Body \\ Politic” läuft noch bis Samstag, den 5. September. Besuch nach Vereinbarung.
WO: Susan Boutwell Gallery, Theresienstrasse 48, 80333 München.

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