Out of the box
George Vitale über die erste Virtual Reality Galerie Europas

22. Oktober 2018 • Text von

Multisensorisch und Verstand raubend – Virtual Reality ist in aller Munde, und in Berlin hat nun die erste VR Galerie eröffnet! In der Synthesis.Gallery bereitet die Liaison von Visionären und New Wave Künstlern Erfahrungen zwischen Traum und Realität. Auf in die verfremdete Simulation der Freiheit!

Same But Different, Marc Lee 2 © Synthesis Gallery

Same But Different, Marc Lee 2 © Synthesis Gallery

gallerytalk.net: George, du hast gerade erst die Synthesis.Gallery eröffnet und direkt an der Art Week Berlin teilgenommen!
George Vitale: Ja! Die Berlin Art Week hat die Ausstellung ausgewählt und vorgeschlagen. Sie wurde dann auf der Homepage neben der Sammlung Boros aufgeführt. Eine kleine Galerie von nirgendwo neben Boros! Ich konnte es nicht glauben! Ich denke, das Konzept und die Ausstellung waren sehr stark. Ich wollte Vergangenheit und Gegenwart zusammenbringen – eine Brücke bauen.

Ich war beeindruckt, als ich gesehen habe, dass Synthesis.Gallery direkt im Zentrum der Berlin Art Week steht.
Ich hatte nie Zweifel an der Idee einer Virtual Reality Galerie, weil ich wusste und weiß, dass die Menschen sich früher oder später damit beschäftigen müssen. Und besser früher als später! Ich habe allerdings nicht mit einem so positiven Feedback gerechnet. Um Teil der Art Week zu sein, musst du ein starkes Konzept liefern und viel kuratorische Arbeit investieren. Das Konzept war stark, basierend auf dem ultimativen Ziel der Galerie: Interdisziplinarität. Eigentlich spreche ich nicht gerne von einer Galerie, denn wir funktionieren nicht wie eine kommerzielle Einrichtung, sondern eher wie ein Salon. Wir sind ein Ort, an dem Menschen mit unterschiedlichem künstlerischen Hintergrund zusammenkommen. Denn wenn du von außen an einer Galerie vorbeiläufst und da nur Headsets liegen, wunderst du dich. Das würde furchtbar aussehen. 

Ihr wart zudem Teil des Retune Festivals.
Dieses legte den Schwerpunkt auf Kunst, Design und Technologie, also wollte ich zwei Seiten von Kunst und Technologie zusammenbringen. Und Lauren Moffatt hat eine wundervolle Arbeit beigesteuert. In meinen Augen hat ihr Werk perfekt zur Vision des Festivals gepasst. Etwas, was ich immer tun wollte, war Old School und New School zusammenzubringen. 

Sorry, I Didn't Mean To Break It, Lauren Moffat – © Synthesis Gallery

Sorry, I Didn’t Mean To Break It, Lauren Moffat © Synthesis Gallery

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Lauren Moffatt?
Die Künstlerin ist auf mich zugekommen. Für die Bespielung der Galerie können permanent Vorschläge eingereicht werden. Es gibt viele Virtual Reality Künstler, aber noch nicht so viele wie beispielsweise Maler. Lauren ist zur ersten Ausstellung gekommen und hat ein paar Monate später, nachdem sie ihre Arbeit fertiggestellt hatte, Kontakt zu mir aufgenommen.

In ihrer Arbeit berührst du etwas, woraufhin es zerbricht.
Das Werk besteht aus Malerei und digitalen Fragmenten. Die Malerei wurde durch einen 3D Scanner digitalisiert und so in das Virtual Reality Umfeld eingebaut. Es gibt zwei Komponenten: die Galerie mit den physischen Gemälden und den virtuellen Raum, in dem diese Malerei herumfliegt. In der virtuellen Welt kannst du mit diesen Fragmenten spielen, sie bewegen und viele andere Sachen mit ihnen machen – bis sie dann plötzlich verschwinden und sich selbst zerstören. Ich finde die Bedeutung sehr stark, weil sie darauf basiert, wie fragil Emotionen, Gefühle und Erinnerungen sind. Und auf der Erhaltung dieser in der digitalen Welt. Wir tun es täglich, wir übertragen unser Leben in die digitale Welt. Dieses Handy ist eine Erweiterung von dir, meins ist eine von mir. Dein Handy erinnert sich an alles. Wir übertragen unser Leben jeden Tag dort hinein. Es gibt kein Entkommen. Facebook, Instagram. Das sind alles kybernetische Kollektive. Was ist eine Firma? Nichts, als eine Sammlung aus Menschen und Computern. Es gibt diese ganzen Auseinandersetzungen zum Thema Künstliche Intelligenz und wir programmieren KI jeden Tag auf Google, Facebook und Instagram. Die Programme kennen uns, unser Leben, unsere Vorlieben, besser, als die meisten Menschen da draußen. Unsere Leben laufen auf unzähligen Simulationen. Facebook ist eine Simultation von etwas. Dort liegt der Zusammenhang zu Virtual Reality. VR bietet eine vergrößerte paralle, visuelle, verfremdete Welt. Nur für dich. VR bietet Freiheit in Theorie und Praxis, grenzenlos. Nur ein paar haben dies bisher verstanden. Es ist ein multisensorisches, Verstand-raubendes Medium und das macht den kleinen Unterschied zu anderen künstlerischen Medien. Es passt soziologisch und anthropologisch perfekt in unsere Zeit.

Sorry, I Didn't Mean To Break It, Lauren Moffat 2 (c) Synthesis Gallery

Sorry, I Didn’t Mean To Break It, Lauren Moffat 2 © Synthesis Gallery

Ich finde den Zusammenhang zwischen klassischem Video und Virtual Reality sehr spannend. Die Tatsache, dass du direkt im Video bist.
Visuelle Kommunikation ist das wichtigste heutzutage. Wir schreiben nicht länger Worte, wir schreiben in Bildern. Ein Bild erzählt mehr als ein Text.

Als du dich entschieden hast eine Galerie zu eröffnen, fiel deine Entscheidung direkt auf VR?
Ich habe in New York City gelebt als VR gerade wichtig wurde, aber groß war das Feld noch nicht. Es gab keine VR Galerien. Mein ehemaliger Partner und ich hatten die Idee im August 2017 und im November hat Art Forum einen Themenschwerpunkt auf VR Kunst gelegt. Als hätten sie unsere Gedanken gelesen! Da war mit klar, dass ich das wirklich machen möchte.

Same But Different, Marc Lee 10 © Synthesis Gallery

Same But Different, Marc Lee 10 © Synthesis Gallery

Synthesis.Gallery ist die erste VR Galerie in Deutschland. Auch in Europa?
Soweit ich weiß gibt es keinen VR Kunstraum in Amerika oder Europa, innerhalb eines physischen Raums. Es gibt ein paar virtuelle VR Galerien im Internet, aber eben nicht physisch. Ich habe fast die Kunstwelt angezweifelt, weil noch niemand auf die Idee gekommen ist. Ich mein, denkt mal out of the box!

Wird in den Ausstellungen VR mit anderen Medien in Verbindung gebracht, oder soll es einen ausschließlichen Fokus auf VR geben?
Nein, ich möchte den Raum multi- und interdisziplinär halten. Zum Beispiel waren auf der Eröffnung zwei Tänzer, die zu dem VR Stück performed haben, Poeten, ein Sound Künstler, der seine Installation beigesteuert hat und Malerei. Ich möchte Menschen mit Kunst in einer experimentellen Form zusammenbringen.

Same But Different, Marc Lee 4 © Synthesis Gallery

Same But Different, Marc Lee 4 © Synthesis Gallery

Und die VR Kunst verkaufst du in Form von Apps?
Ja, auf der letzten Eröffnung haben wir Apps verkauft. Es waren viele Ideen im Raum, um Kunst verändernder zu machen, revolutionär, verbessernd, die künstlerische Arbeit zu verstärken. Ich habe dies dem Künstler Marc Lee vorgeschlagen. Niemand hat dies vorher getan und es wäre ein Schritt in die Richtung, dieses ultimative Ziel zu erreichen. Du hast die App und du kannst das Kunstwerk jederzeit genießen. Wo und wann immer du willst. Du musst dich nicht nach Öffnungszeiten richten, du musst nicht von lauten Menschen umgeben sein. Ich finde das wunderschön.

Woran misst du den Preis für die App?
VR zu kaufen, ist wie Facebook oder Snapchat zu kaufen. Vor zehn Jahren wusste niemand davon. Man kauft Zeit. In 10 Jahren wird das Stück nicht mehr das Selbe sein. Es ist nicht wie ein Picasso an der Wand, der unsere Jahre übersteht.

Same But Different, Marc Lee 4 © Synthesis Gallery

Same But Different, Marc Lee 4 © Synthesis Gallery

Müssen VR Brillen benutzt werden?
Wir haben drei Apps und für eine braucht man die VR Brille. Das einfache Headset ist aber gar nicht so teuer. Etwa 10 Euro. Für eine bessere Experience muss man natürlich ein wenig mehr ausgeben. VR ist demokratischer als die Leute denken. Viele denken immer noch, VR sei unerreichbar. Es ist wie mit jeder Technologie. Am Anfang ist es sehr teuer und dann wird es schnell billiger. In den USA gibt es schon Familien-Headsets im Sale für 15 Dollar. Das ist alles nicht mehr wie vor fünf Jahren.

WANN: Die nächste Ausstellung “Brutforce” von A / A ist vom 10. bis 13. Januar 2019 zu sehen.
WO: Synthesis.Gallery, Reuterstraße 62, 12047 Berlin.

Weitere Artikel aus Berlin