Wollsocken und Karos
Josip Novosel über Sehnsüchte und Heimat

18. August 2020 • Text von

Der in Kroatien geborene und in Bayern aufgewachsene Künstler Josip Novosel ist schwer zu greifen. Seine künstlerische Praxis, die von Malerei über skulpturale Strategien bis zur Arbeit mit Texten reicht, ist durch eine sehr subjektive und dennoch präzise Perspektive geprägt. Josip Novosel integriert subtil Eindrücke und Ansätze und schafft so Arbeiten, die eine Art romantischen Existenzialismus evozieren. Der Künstler gab uns einen Einblick in seine Gedankenwelt, seine Sehnsüchte und sein Verständnis von Heimat.

Zu sehen ist die Malerei "Picnic" von Josip Novosel. Man sieht Männer bei einem ausgelassenen Picknick.
Josip Novosel: Picnic , 2020.

gallerytalk.net: Du hast kroatische Wurzeln, bist im tiefsten Bayern aufgewachsen, hast in Wien studiert und lebst in Berlin. Wonach sehnst du dich gerade?
Josip Novosel: Berlin ist eigentlich keine Stadt in der man in Nostalgie schwelgen kann. Dafür gibt es zu wenig Zeit. Es passiert immer etwas Neues. Aber es gibt hier gerade Dinge, die nicht mehr existieren, das Nachtleben, die Klubkultur. Es ist schwer das zu adaptieren. Das ist ja ein essentieller Bestandteil des Großstadtlebens. Man arbeitet sehr viel und geht viel aus. Aber das passiert gerade einfach nicht. Es gibt viele Leute, die an diesen Lebensstil gewohnt sind und jetzt merken, dass es gerade nicht geht. Das macht es nicht einfacher und die Sehnsüchte danach werden dadurch noch verstärkt.

Zu sehen sind zwei Zeichnungen von Josip Novosel. Man sieht Details von bayerischen Männern, Lederhosen und ein Weißbierglas.
Josip Novosel: Rainers Charivari das er seit den 80ern hat, 2015 (li.); Ferdi (Ferdinand) mit einem dunklen Weißbier beim Gebirgs Schützenfest in Chiemgau, 2015 (re.).

In deiner künstlerischen Praxis widmest du dich oft Sehnsüchten, auch nach Orten.
Ja, Nostalgie, Sehnsucht aber auch Angst beschäftigen mich. Nach meiner Zeit in Wien wollte ich ein bestimmtes Projekt umsetzten: Ich wollte zurück an den Tegernsee. Dort bin ich aufgewachsen. Ich wollte mich wieder mit dem Ort anfreunden. Ich habe ja zwei Heimatländer und ich wollte mit beiden meinen Frieden schließen, damit ich weitermachen kann in meinem Leben. Mein ursprünglicher Plan war es eine Person zu schaffen, einen schwulen Kellner der seine Phantasien privat in Zeichnungen festhält. Das hat zunächst nicht ganz geklappt, ich habe dann einen Essay verfasst und mich an Zeichnungen dazu versucht, aber irgendwie hat das alles nicht richtig gepasst. Ich bin immer noch an dieser Arbeit dran.

Zu sehen ist der Künstler Josip Novosel hinter dem Tresen der TV Bar in Berlin. Er zapft gerade ein Bier.
Josip Novosel in der TV Bar Berlin, Foto: Max Pitegoff.

Ich kenne diese Zeichnungen. Kann man sagen, dass du eine bestimmte Idee von „Heimat“ fetischierst?
Vielleicht. Ich habe das so nie richtig analysiert, ob Heimat ein Fetisch sein kann. Aber im Zuge dieser Auseinandersetzung kam das Motiv der Männer in Lederhosen ins Spiel. Ob das jetzt prinzipiell etwas mit Heimat und Fetisch zu tun hat weiß ich nicht, weil ich nicht genau weiß, was die bayerische Identität ausmacht. Aber ich glaube nicht nur Lederhosen.

Das stimmt sicher. Was du mit der Lederhose machst, ist jedoch etwas Spezielles: Du lädst die Lederhose mit einer sehr direkten Sexualität auf.
Ich weiß nicht. Ich glaube, dass diese Tracht an sich schon sehr darauf aus ist, zu zeigen was man hat. Irgendwo habe ich gelesen, dass man zwei Trachten haben sollte: Eine für Beerdigungen und eine für Feiern und Feste, also eine brave Version und eine eher barocke. Mir gefällt prinzipiell der Umgang mit dieser Tracht. Da gibt es natürlich schon Parallelen zum Umgang mit Leder in der schwulen Community oder auch anderen Communities. Dann kommt man an den Tegernsee und sieht Überschneidungen, die vielleicht gar nicht existieren. Vielleicht ist es wirklich ein exotischer Blick auf die eigene Heimat, aus einer anderen Perspektive.

Zu sehen sind zwei Bilder des Künstlers Josip Novosel. Man kann Körper und Gesichter erkennen.
Josip Novosel: Pear pressure, 2020, (li.); Insecurities, 2020 (re.)

Du spielst in deinen Bildern mit Cliches und Stereotypen.
Es geht um eine bestimmte Form von Männlichkeit und wie man diese ausdrückt. Lederhosen haben ja auch einen bestimmen Schnitt, je nach Region zeigt man seine Beine, der Schritt ist sehr präsent. Dazu dann die Wollsocken und karierte Muster. Das hat durchaus etwas uniformes und ist dennoch ansprechend. Ein „Dirndl“ funktioniert ja ähnlich. Fast jeder sieht in solcher Kleidung gut aus. Daher fand ich diese Tracht, die Lederhose als Motiv, interessant. Außerdem finde ich das Material Leder spannend. Es gibt ja auch andere volkstümliche Kleidung, die aus anderen Stoffen gemacht wird. In Kroatien wiederum ist die Tracht gar nicht darauf ausgelegt sexuell zu sein. Die Tracht dort ist eher bedeckend. Im regulären Leben dominieren dort die Trainingshosen als gängiger Stil.

Du bewegst dich zwischen den Welten: Kroatien, Bayern, Berlin. Wie geht es dir damit?
Ich habe vor kurzem ein Jahr in Kroatien gelebt und dort gemerkt, wie deutsch ich eigentlich bin. Ich bin richtig Deutsch und damit habe ich mich abgefunden. Aber beide Regionen, aus denen ich komme, in Bayern und in Kroatien, sind ja Provinzen. Hier in Berlin stört es niemanden woher du kommst, hier ist es nicht repressiv. Ich stehe nicht unter einem gesellschaftlichen Druck über den ich mich ärgern könnte. Ich habe gemerkt, dass mir das auch fehlt. Ich muss mich über etwas ärgern, damit ich etwas mache. In Berlin fehlt die Provinzialität, die mich ja auch interessiert. Das hineinpassen müssen in ein Normativ, in eine bestimmte Form. Hier kann man zwar machen, was man will aber ich erwische mich dabei, wie ich auf einmal selbst total provinziell werde in meinen Ansichten.

WO: Mehr von Josip Novosel findet man hier.

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