Dystopien aus jüngster Vergangenheit
Future Bodies from a Recent Past im Museum Brandhorst

7. Juni 2022 • Text von

Zwischen Organismus und Maschine, Angst und zuversichtlicher Euphorie. Die Ausstellung „Future Bodies from a Recent Past“ im Museum Brandhorst lotet anhand einer beeindruckenden Auswahl von Bildern, Skulpturen und Installationen der letzten sieben Dekaden aus. Dabei im Fokus sind die Parameter von Körper, Maschine und Skulptur.

Mark Leckey: UniAddDumThs „MACHINE“, 2014–fortlaufend; Foto: Elisabeth Greil, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Wir leben in einer Welt der Gleichzeitigkeiten. Wir bewegen uns und agieren in der physischen Welt, im selben Moment aber kommunizieren, produzieren und konsumieren wir in digitalen Sphären. Unsere Accounts und Avatare existieren als ergänzende Erweiterungen zu unseren physischen Körpern. Entwicklungen wie das Metaverse treiben diese Doppelungen noch voran. Künstliche Intelligenzen und virtuelle Realitäten schaffen ephemere Räume, in denen eine neue Körperlichkeit entsteht. Die Schnittstelle und das Portal zwischen physischer und digitaler Welt sind aber immer die Technologien, die den wechselseitigen Austausch zwischen den polaren Sphären erst ermöglichen.

Alexandra Bircken, New Model Army, 2016; Foto: Elisabeth Greil, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Dieser wechselseitigen Durchdringung von Körper und Technologie widmet sich die Ausstellung „Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950erJahren“ im Museum Brandhorst. Auf zwei Ebenen werden über 100 Werke von rund 60 Künstler*innen präsentiert und in einen gemeinsamen Kontext gebracht. Der Fokus liegt dabei auf Kunst aus Europa, den USA und Japan nach dem zweiten Weltkrieg. Ausgehend von den technologischen Entwicklungen und Einschnitten in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts nimmt die Ausstellung die veränderte Konzeption und Selbstwahrnehmung von „Körperlichkeit“ in den Blick.

Installationsansicht „Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er-Jahren“ im Museum Brandhorst, Elisabeth Greil, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Fragmentiert und moduliert, organisch und mechanisch. Die Körper-Instanzen in der Ausstellung erscheinen in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen. Einzelne Glieder sind vom Rest ihrer Körper getrennt und werden exemplarisch gezeigt, in anderen Arbeiten sind mehrere hybride Figuren zu Gruppen arrangiert und bilden so einen gemeinsamen Körper. Die Ausstellung ist in unterschiedliche Sektionen unterteilt, den überspannenden Bogen für einen strukturierten Bezugsrahmen bildet die Reflexion über die ideellen Auswirkungen von technologischen Entwicklungen auf die Gesellschaft. Die gezeigten Arbeiten reagieren auf technologische Veränderungen, beziehen sich auf Neuerungen und hinterfragen die Beziehung zwischen Technologie, Mensch, Körper und Skulptur.

Paweł Althamer mit Paweł Buchholz, Marcin Leszczyński, Michał Mioduszewski, Daniel Hans, Sławomir Mocarski, Julia Matea Petelska, Jędrzej Rogoziński: Bródno People, 2010, Sammlung Goetz, München; Foto: Thomas Dashuber.

Die gezeigten Arbeiten changieren zwischen futuristischer Utopie und kritischer Dystopie. Neue Technologien sind faszinierend und können gleichzeitig beängstigend sein, da sie Veränderungen andeuten, deren Folgen nicht immer absehbar sind. Sie wecken Hoffnung und schüren Ängste gleichermaßen. So spiegeln die Arbeiten eine gewisse kritische Distanz zu den technologischen Fortschritten, auf die sie sich beziehen. Aus der zeitlichen Entfernung von heute betrachtet, eröffnet sich eine weitere Ebene: Einige der Skulpturen wirken wie Artefakte aus betagten Science-Fiction-Filmen, die eine Zukunft imaginieren, die so nicht kommen sollte. Aber wie es auch 2022 sinnvoll ist, den Film „Bladerunner“ zu sehen, der 1982 in den Kinos lief und im Jahr 2019 spielt, stellen die in der Ausstellung „Future Bodies from a Recent Past“ gezeigten Arbeiten Fragen, die auch heute noch äußerst relevant sind.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 15. Januar 2023 zu sehen.
WO: Museum Brandhorst, Theresienstraße 35 a, 80333 München.

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