Die Stunde Null Kunst zwischen Pazifik und Atlantik 1945 - 1965
29. Oktober 2016 • Text von Ann-Kathrin Ntokalou
„Postwar “ zeigt, was bleibt und werden kann, wenn alles in Schutt und Asche liegt: Traumabewältigung, Neuanfang, die Suche nach etwas, an das man glauben kann. Hier werden individuelle wie kollektive Schicksale in einer internationalen Bandbreite künstlerisch verarbeitet, die staunen lässt.
An feinen, tragenden Seilen schwebt die Arbeit „Sakuhin (Werk)“ des Japaners Shozo Shimamoto mehrere Meter über dem Boden. Die eine Seite schwarz, die andere weiß, ist die Oberfläche dieser Stahlplatte mit Einstichen übersät. Gewaltsam verschafft sich das Schwarze seinen Weg ins Weiße. Oder ist es umgekehrt? Das Weiße bietet dem Schwarzen Raum? „Sakuhin“ steht sinnbildlich für die Nachkriegszeit und diese Ausstellung, in der die diversen künstlerischen Positionen präsentiert werden, die nach 1945 rund um den Globus im Begriff waren zu entstehen. Ausgangspunkt ist stets eine omnipräsente Zerstörung, die auf individuelle Weise Einzug in die einzelnen Arbeiten hält.
Die Bandbreite der ausgestellten künstlerischen Position ist immens, „Postwar“ versucht ihr dennoch gerecht zu werden. Das gelingt durch thematische Überkategorien, die die Werke internationaler Künstler in Verbindung zueinander stellt. „Der sozialistische Realismus“ ist eine dieser Kategorien. Arbeiten voller Pathos und Glorifizierung treffen hier aufeinander. Urheber sind Künstler aus der ehemaligen Sowjetunion, China, Portugal, Mexico, Italien… Der Gegenstand der Bilder ist dabei jeweils ein anderer und auch die Abbildungsweise variiert. Die Hymne, die hier auf Stalin (hier von Fjodor Schurpin), Mao Tse-tung (Jia Youfu), die Revolutionäre Portugals und Mexikos (von Júlio Pomar bzw. David Alfaro Siqueiros) oder auf die Arbeiterschaft per se (Wojciech Fangor) ertönt, ist jedoch stets dieselbe. Sie handelt von Sinnsuche oder dem politisch aufoktroyierten Glauben an einen Heilsbringer.
Zugleich bilden düstere, fatalistische Arbeiten wie Francis Bacons „Fragment of Crucifixion“, in der ein lautloser Schrei im Bildzentrum steht oder Iri und Toshi Marukis monumentale Gemälde, die die Zerstörung nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima abbilden, einen elementaren Kern der Ausstellung. Zerstörte Städte, lodernde Flammen, Existenzen, von denen nicht mehr übrig ist als ihre menschliche Hülle. Das Motiv der Zerstörung ist allgegenwärtig: Sei es in Form von Gerhard Richters „Bomber“, Roy Lichtensteins Pop-Art-Atompilz oder der „Nuclear Composition“ des italienischen Movimento Arte Nucleare.
Auch Niki de Saint Phalles tut ihren Werken Gewalt an. Doch was aus ihren „Shooting Paintings“ fließt, ist polychromer Lebenssaft, der zeigt, was nach all dem noch kommen kann. „Postwar“ ist eine schwere, melancholische Ausstellung, die oft den einfachen Zugang verwehrt. Zugleich ist sie ein Plädoyer dafür, dass Kreativität und Kunst auch entstehen kann, wenn alles andere bereits am Boden liegt.
WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 26. März 2017 zu sehen.
WO: Im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München.