Die Ruhe vor dem Sturm Archaische Gesten und stille Achtsamkeit
11. Juni 2018 • Text von Marian Wild
Können Pinselschwünge sachlich sein, wie viel Wut beinhaltet ein barocker Feuerstrudel, wie schwarz ist die Dämmerung? Johannes Felders Bilder sind sonderbar entrückt von unserer Welt, und haben doch so viel mit ihr zu tun.
„Insommnia“ ist ein gewaltiges Werk, allein die Leinwand von zwei mal drei Metern Abmessung begrübe den erschrockenen Betrachter ganz mühelos unter sich. So ausgeschlossen scheint das nicht zu sein, entwickelt der großformatige Strudel aus Wasser und Lava doch die suggestive Kraft eines tosenden Höllenlochs; ein brandender Tsunami aus Hitze und Meer, der sich spiralförmig in den vielschattierten Himmel schraubt.
Die Komposition ist erstaunlich, da Felder keineswegs figürlich malt, sondern vielmehr solange mit vielfältigen gestischen Ausdrucksweisen experimentiert, bis im Bild eine assoziative Reichhaltigkeit entsteht, die dem Betrachter das Eintauchen in eine Geschichte ermöglicht. Es erwächst eine Struktur wie in einer barocken Komposition von Rubens, die man zu erkennen glaubt; monströse Verwirbelungen beherrschen die Bildfläche, und doch scheint die Umgebung ein beinahe unbeeindrucktes Eigenleben zu führen, und auch der Lavaschlund wirkt auf den zweiten Blick beinahe sachlich entrückt und harmonisch.
Es sind derartige Brüche und Korrekturen im Wahrnehmungsprozess, durch die für den Betrachter eine vielschichtige, teils auch widersprüchliche Erfahrung entstehen kann. Im Werk „verkrustet“, das dick mit dunkler Farbe aufgetragen ist, meint man einen exotischen Planeten zu erkennen, von hinten durch einen großen Mond beleuchtet, mit einem spitzen, riesigen Berg im oberen Gebirge. Doch die Pinselstriche sind zu massiv, und sie folgen nicht der Logik einer Kugelfläche, vielmehr scheinen Sie in die Mitte des Objekts zu streben wie bei einer halbkugelförmigen Geode. Ein Gesteinsbrocken in der Größe einer Melone, oder ein Gesteinsbrocken in der Größe der Erde, die Maßstäbe verschwimmen, oder betrachtet man doch nur eine poetische, abstrakte Komposition?
Das kleinformatige Gemälde „Dämmerung“ intensiviert dieses Erlebnis nochmals insofern, dass der Malprozess noch dominanter gegenüber der resultierenden Form geraten ist. Es fällt schwer, eine wirklich sprechende Figur in dem Bild zu entdecken, vielmehr wirkt die Figur im Hintergrund wie übermalt durch teerartige, dicke Gesten, die sogar den Bildrahmen überschreiten. Es scheint fast, als sein das massive Nichts der schwarzen Teerspur das eigentliche Zentrum und die spärlich durchscheinenden Farbspalte die besiegten Überreste einer ausradierten Natur. Und auch hier geschieht die Entmachtung der Figur seltsam unbeteiligt, in einem unterkühlten Kampf, ohne Zorn.
Vielleicht lassen sich große Gesten heutzutage nur noch in dieser abstrakten Form ohne Kopfschmerzen ertragen.
WANN: Die Ausstellung “DÜSE” lief vom 6. April bis zum 01. Juli 2018.
WO: Im BÜHLERS, Königswarterstr. 22, 90762 Fürth.