Into thin air
Davide Stucchi bei Deborah Schamoni

23. November 2020 • Text von

Anwesenheit und Abwesenheit, Materialität und Vergänglichkeit. Der italienische Bildhauer Davide Stucchi dekonstruiert in seiner Ausstellung „DS“ bei Deborah Schamoni auf subtile Art die Grundparameter des Skulpturalen: Volumen, Material, Größe und Kontext. Seine zarten, elegant inszenierten Mobiles eröffnen dabei unterschiedliche Referenzen.

Davide Stucchi: DS, installation view, image is courtesy of the artist and Deborah Schamoni, Photo: Ulrich Gebert.

Die Räume der Galerie Deborah Schamoni wirken eigentümlich verdunkelt, als würde einem die herbstlich, verregnete Dämmerung von Draußen in den Ausstellungsraum folgen. Im Hauptraum setzen, teils farbige, Glühbirnen an der Decke gedämpfte Lichtpunkte, ansonsten scheint der Raum fast leer. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die zarten und fragilen skulpturale Mobile, die Davide Stucchi unter den Lichtquellen installiert hat. Aus einfachen Kleiderbügeln gefertigt, hängen sie von der Decke, schwingen leicht und werfen Schatten, die durch den Raum ziehen. Aus zwei Lautsprechern ertönt ein Soundtrack, der die Galerie mit einer ebenfalls gedämpften Collage aus Klängen, Stimmen und Referenzen zu Popmusik füllt.

Davide Stucchi: Milan (Mobile 3) Kitchen, 2020, image is courtesy of the artist and Deborah Schamoni, Photo: Ulrich Gebert.

Davide Stucchi nutzt seine bildhauerische Praxis, um sich Fragen der Präsenz und Wirkung von skulpturalen Körpern zu widmen. Oft nutzt er bereits vorhandenes Material, das er sich Aneignet und durch minimale Eingriffe in seiner Funktion verändert und so aus dem eigentlichen Kontext nimmt. Kleiderbügel sind sowohl Gegenstände des Alltags als auch Werkzeuge der Modeindustrie. Sie dienen als platzsparender Träger und als Ersatz für den menschlichen Körper. Stucchi nutzt diese Objekte, die auf nicht anwesende Körper und Kleidung referieren, um eigenständige skulpturale Körper zu kreieren.

Davide Stucchi: DS, installation view, image is courtesy of the artist and Deborah Schamoni, Photo: Ulrich Gebert.

Die so geschaffenen Mobiles sind gestisch, poetisch, zart und in ihrer an Gesichter erinnernden Form durchaus anthropomorph. Auch in räumlicher und architektonischer Beziehung nutzt Davide Stucchi einen Prozess der Verschiebung und Verdopplung: Die Anordnung der Skulpturen in der Galerie spiegelt den Grundriss seiner Wohnung in Mailand wider, die Positionen der Lampen sind exakt gleich. Sein privater Raum in Italien wird so in einen öffentlichen Raum in München tansformiert. Dass Stucchi aufgrund der pandemischen Reisebeschränkungen nicht für die Ausstellung aus Italien anreisen konnte und die Präsentation durch einen Freund als Stellvertreter installiert wurde ist daher nicht nur schade, sondern in gewisser Hinsicht geradezu konsequent.

Davide Stucchi, Milan (Mobile 1) Entrance, 2020, image is courtesy of the artist and Deborah Schamoni, Photo: Ulrich Gebert.

Davide Stucchi selbst ist als Künstler gleichzeitig präsent und abwesend. Ein weiterer ephemerer Aspekt der Ausstellung ist die Klangcollage, die aus Lautsprechern schallt und die Stimmung der Präsentation verdichtet. Gestaltet wurde dieser Soundtrack vom Künstler, Komponisten und DJ Lukas Heerich speziell für diese Ausstellung. Heerich hat lange Erfahrungen als Tonregisseur in der Fashion-Industrie gesammelt, die genutzten Audio-Elemente stammen aus den Tonspuren von Modenschauen. Auch hier wird eine Parallele gezogen und unterschiedliche Räume miteinander verbunden.

Davide Stucchi: DS, installation view, image is courtesy of the artist and Deborah Schamoni, Photo: Ulrich Gebert.

In seiner Ausstellung bei Deborah Schamoni schafft Davide Stucchi eine stimmige Choreographie aus Licht-, Klang- und Objektelementen. Er spielt mit dem Konzept der Vergänglichkeit und schafft eine skulpturale Entmaterialisierung, in der sich die Objekte fast auflösen und dennoch sehr präsent sind.

WANN: Noch zu sehen bis zum 9. Januar 2021.
WO: Deborah Schamoni, Mauerkircherstr. 186, 81925 München.

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