Was steht auf dem Spiel? Barely Furtive Pleasures bei Nir Altman
9. März 2020 • Text von Madeleine Freund
Macht, Verführung und Kontrolle. Die Galerie Nir Altmann zeigt mit der Gruppenausstellung “Barely Furtive Pleasures” ein psychologisches Theater, das von menschlichem Verlangen und Verboten erzählt.
Die britische Kuratorin Olivia Aherne, tätig am Ausstellungshaus Nottingham Contemporary, nennt es ein „psychologisches Theater“ und präsentiert in der Galerie Nir Altman eine Ausstellung, die die Paradoxien von menschlichem Verlangen und gleichzeitigem Verbot vor Augen hält. Die Werke von Srijon Chowdhury, Inga Danysz, Eva Gold, Marie Matusz und Marina Sula vereint in dieser Zusammenstellung ein wechselseitiges Spiel von Macht, Verführung und Kontrolle. Sie tragen Spuren von vorangegangenen, menschlichen Handlungen oder verlangen wiederum danach, wobei gerade die Abwesenheit konkreter Körper deutlich wird. Eröffnet wird die Ausstellung mit zwei Werken der Bildhauerin Eva Gold: ein an der Wand herabhängender, schwarzer Gummimantel und Seifenstücke der Marke Imperial Leather, die aussehen als hätte jemand seinen Finger hineingebohrt. Viren müssen scheinbar draußen bleiben, erst einmal den Mantel aufhängen und die Hände waschen.
Der dahinter liegende Raum ist anscheinend schon von jemand anderem betreten worden, eine grobgliedrige, durchgerissene Kette aus Glas von Inga Danysz schlängelt sich über den Fußboden. Ihre Funktion als Absperrung hat die polnische Künstlerin bereits selbst durch die Wahl des zerbrechlichen, transparenten Materials infrage gestellt. Die in Toulouse geborene Marie Matusz beschäftigt sich in ihrem Werk mit philosophischen, soziologischen und linguistischen Theorien von Macht und Gerechtigkeit vom Mittelalter bis in die Gegenwart. An mittelalterliche Folterwerkzeuge erinnern auch die metallenen Instrumente, die sorgfältig aufgereiht in einer offenen Schachtel ihrer Installation liegen. Darunter fließt von dem glatt glänzenden Plexiglaspodest ein besticktes Stofftuch herab und spricht: „desires, but acts not, breeds pestilence“.
Ungestilltes Verlangen oder unerfüllte Wünsche lassen sich auch in der Installation und Fotografie von Marina Sula ablesen. Sie erforscht die Beziehungen zwischen Subjekt und Objekt, Macht, Liebe, Begehren und wie sich diese gegenseitig beeinflussen. Neben einer Bank mit Flugzeug-Sicherheitsgurten, zeigt die Fotografie eines aufgeklappten Laptops eine private Szene einer schlafenden Frau und erinnert dabei an eine Überwachungsaufnahme. Zwei Leinwände des in Dhaka geborenen Srijon Chowdhury ergänzen die Ausstellung mit Objekten der Begierde. Ein großformatiges Blumenornament und ein Stillleben mit brennender Kerze wirken zunächst wie verzichtbarer Kitsch. Oder vielleicht wird genau an Letzterem das Thema der Ausstellung deutlich? Das Spiel mit dem Feuer, Anziehungskraft und Widerstand, Versuchung und Verletzung in ständigem Kampf.
Auf dieser „Bühne“ ist allen Werken gemein, dass sie aufgrund ihrer Materialität und Kontextualität eine verführerische Objekthaftigkeit besitzen, auch ohne einen direkten Fetischbezug zu offenbaren. Das psychologische Theater inszeniert sich dort perfekt, wo man mit der eigenen Widersprüchlichkeit konfrontiert wird.
WANN: Noch zu sehen bis Samstag, den 21. März.
WO: Nir Altman Galerie, Ringseisstraße 4 RGB, 80337 München.