Malerische Medienkunst
Anna Vogels "Departure tomorrow" bei Sperling

16. Juni 2021 • Text von

In ihrer Ausstellung “Departure tomorrow“ nutzt Anna Vogel quasi malerische Mittel, um die Grenzen der Fotografie zu erweitern. Ihre Arbeiten bilden die Realität nicht ab, indem die Künstlerin Inhalte und Techniken schichtet, schafft sie neue, subtile Bildräume.

Anna Vogel: Departure tomorrow, 2021, Installationsansicht, Sperling, Foto: Sebastian Kissel.

Kühl und technisch abstrakt erscheinen die Bilder von Anna Vogel bei Sperling zunächst. Bei näherer Betrachtung entfalten sie jedoch eine subtile Wärme, die offenbar nicht leicht in fotografische Dokumentationen zu retten ist. Linien, Farben und Flächen ergänzen sich zu feingliedrigen Bildern, die fast wie Malerei wirken, konzeptuell und technisch jedoch auf dem Medium der Fotografie basieren. Anna Vogel hat an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Thomas Ruff und Andreas Gursky studiert, das selbstständige Fotografieren aber aufgegeben. Sie nutzt jedoch weiterhin Fotografien als Ausgangsmaterial für ihre Prozesse der bildlichen Dekonstruktion und Schichtung.

Anna Vogel: Departure tomorrow, 2021, Installationsansicht, Sperling, Foto: Sebastian Kissel.

Auch für ihre aktuelle Serie „Electric Mountains“ nutzt sie gefundenes Material, das sie bearbeitet, analysiert und abstrahiert. Aus unterschiedlichen Quellen gesammelte Luftaufnahmen von Berglandschaften manipuliert sie digital, druckt sie aus und bearbeitet die Prints schließlich mit Lack und durch das manuelle Einkratzen von zarten, horizontalen Linien. Durch die Struktur und den Rhythmus dieser feinen Einschreibungen lösen sich die dahinter liegenden Bilder förmlich auf, es entstehen neue Ebenen die sich gegenseitig bedingen und verstärken. Auch in den anderen Arbeiten, die in der Galerie präsentiert werden, erkennt man Anna Vogels reflexiven Umgang mit dem Medium Fotografie. In ihren Collagen bleiben fotografische Sedimente sichtbar, die im scharfen Kontrast zu den abstrakten manuellen Eingriffen stehen.

Anna Vogel: Departure tomorrow, 2021, Installationsansicht, Sperling, Foto: Sebastian Kissel.

Die fotografischen Motive, die Anna Vogel als digitale Versatzstücke nutzt, zeigen oft industrielle und technische Eingriffe des Menschen in die Natur. Baustellen, Skilifte, Autobahnen oder die Effekte von Lichtverschmutzung, die eine dauernde Abwesenheit völliger Dunkelheit in der Natur zur Folge haben. Inhaltlich wie formell doppelt und schichtet Anna Vogel die scheinbaren Gegensätze von Natur und menschlichem Eingriff, fotografischer Abbildung und abstrakter Komposition. Bei den „Electric Mountains“ verschwinden die Motive gänzlich, gehen in den Kompositionen auf und hinterfragen so unsere Sehgewohnheiten.

Anna Vogel: Extended rays VII, 2021, Sperling.

Anna Vogel nutz digitales fotografisches Bildmaterial als Grundlage, ihre Arbeiten können jedoch als hybride Versuche gelesen werden, die die medialen Grenzen der Fotografie überschreiten und erweitern. Dennoch bleibt Anna Vogel im Medium verhaftet, legt Ebenen übereinander, verschiebt und komponiert ihre Bilder mit dem Blick einer Fotografin. Die manuellen Eingriffe und Löschungsprozesse wirken zwar wie von einem Computer generiert, tragen jedoch im wörtlichen Sinne ihre Handschrift. Diese Einschreibungen und Imperfektionen können auch als Prozesse des Verfalls gesehen werden und lösen so ein melancholisches Gefühl von Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit aus.

WANN: Noch zu sehen bis Samstag, den 31. Juli.
WO: Sperling, Regerplatz 9, 81541 München.

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