Alles, was Spaß macht, und Wasser
Die Altonale wird 18

8. Juli 2016 • Text von

Doppelt hält besser: Die Altonale wird 18 und hat sich zur Volljährigkeit das jüngere Straßenkunstfestival Stamp ins Boot geholt. Boote oder mindestens Regenschirme sind in diesem Jahr auch tatsächlich von Vorteil.

Entspannt in die Altonale. Foto: Panzau

Entspannt in die Altonale. Foto: Panzau

So sitze ich entspannt mit meinen Süßkartoffelpommes unterm Sonnenschirm, über mir das sachte Prasseln des Regens, um mich herum das pralle Leben und studiere das Programm der nächsten zwei Wochen. An jeder Ecke ist etwas los: Gaukler, Menschen, Essensstände, Kunst. Vor lauter Attraktionen fällt es schwer, ein Angebot zu wählen. Sich treiben und den Zufall entscheiden zu lassen, ist definitiv das Fortbewegungsmittel der Wahl. Zum Auftakt gab es ungefähr alles, was unter den engeren und weiteren Kunstbegriff fällt. Dazu gehören Kunstausstellungen genauso wie Street Art, großes und kleines Theater, Paraden, Performances, Tanz und Filmvorführungen.

Das klingt nach einer großen Party, aber die Altonale hat auch gehörig Tiefgang. Das diesjährige Motto „Flucht und Hoffnung“ beschäftigt gerade im multikulturellen Altona besonders viele. Für die Dauer der Altonale wird das Thema wirklich jeden Besucher, Anwohner, Flaneur und Anliegenhaber begleiten Denn Flucht ist auch das Motto der Aktion „Kunst im Schaufenster“, bei der zahlreiche Künstlerinnen und Künstler quer durch den Stadtteil die Schaufenster der Geschäfte als Ausstellungsfläche nutzen. So verwandeln sie den Bezirk in eine gigantische Freiluftgalerie, die in zahlreichen Rundgängen erwandert und erfahren werden kann. Am Donnerstag wurde unter den Teilnehmern der Altonale Kunstpreis vergeben. Dieses Jahr ging er an das anrührende Gemeinschaftsprojekt Greener Passures“ der Künstlerin HM Jokinen mit Geflüchteten, die in ihm von den Gärten, Gerüchen und Geschmäckern ihrer Heimatorte berichten.

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Mehmet Ünal: Heimat Deutschland

Mitte des letzten Jahrhunderts wurde Altona zur neuen Heimat zahlreicher Gastarbeiter aus der Türkei. Mit ihnen setzt sich der türkisch-deutsche Fotograf Mehmet Ünal auseinander. In den 1970er Jahren kam der ausgebildete Schauspieler her und sagt heute von sich „Ich bin erst durch Deutschland zum Fotografen geworden“. Aufgrund der Sprachbarriere bekam er kaum Rollenangebote, und wenn dann nur als prügelnder türkischer Familienvater. Also sattelte Ünal um und wurde kurzerhand Fotograf und Journalist. Seit nunmehr einem halben Jahrhundert portraitiert er Gastarbeiter und ihre Nachkommen. In den Aufnahmen sieht man deutlich: Die ehemals Fremden sind heimisch geworden.

Artist In Residence Filiz Piyale

Artist In Residence Filiz Piyale

Ünal hingegen ist vor einigen Jahren zurück nach Istanbul gegangen, der Kooperationsstadt der diesjährigen Altonale. Genauer gesagt wird mit Maltepe, einem Bezirk im asiatischen Teil der türkischen Hauptstadt zusammengearbeitet. Von hier kommen auch vier junge Künstlerinnen, die als Artists in Residence in den Räumen der Frise neue Werke produzieren wollen und Mitgebrachte präsentieren werden.

Timo von Kriegstein und Sven Lütgen „Grenzgang“

Timo von Kriegstein und Sven Lütgen „Grenzgang“

Monika Baum, Leiterin der Kunst Altonale, hat gallerytalk.net auch zwei ihrer persönlichen Highlights gesteckt: Zum einen wäre da die Performance „Grenzgang“ am Övelgönner Strand. Timo von Kriegstein und Sven Lütgen lassen am Lüfterbauwerk des Neuen Elbtunnels die Besucher Grenzsituationen am eigenen Leib erfahren. Zum anderen freue sie sich sehr auf die tongewaltige Videoarbeit „Jaskolka“ von Burkhard Schittny, in der es um die Fluchterfahrung seiner Mutter nach dem 2. Weltkrieg geht.

Burkhard Schittny: Jaskolka, Video 2015

Burkhard Schittny: Jaskolka, Video 2015

Irgendwie schafft die Altonale den unglaublichen Spagat, das bedrückende Thema Flucht und Migration mit einem gelungenen Angebot an Alltagsfluchten zu verbinden. Das rauschende Wochenende war erst der Anfang eines zweiwöchigen Festivals, das es in sich hat.

Wann: Die Altonale läuft noch bis zum 17. Juli. Das ganze Programm gibt’s hier!
Wo: in ganz Altona. Das Festivalzentrum mit Info-Stand findet ihr auf dem Platz der Republik.

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