Für die Katastrophe ist vorgesorgt Alexander Poliček in der Galerie Bernau
9. September 2020 • Text von Gast
In der Galerie Bernau baut Alexander Poliček eine Bug-Out-Location nach. Er lädt die Besucher*innen ein, darüber nachzudenken, was Menschen zu so genannten Preppern werden lässt – zu Personen, die sich auf Ereignisse apokalyptischen Ausmaßes vorbereiten.
Der deutsche Verfassungsschutz beschäftigt sich seit 2017 mit Preppern. Die Angaben darüber, wie viele es in Deutschland gibt, reichen von 150.000 bis 18 Millionen. Ob Überlebenskünstler*in, Extremcamper*in oder Verschwörungstheoretiker*in: Was Prepper eint, ist der Wunsch, sich selbst helfen zu können. Unsere Gastautorin Marie Egger hat mit Alexander Poliček darüber gesprochen, wie er mit diesem Thema künstlerisch umgeht.
gallerytalk.net: Deine Ausstellung in
der Galerie Bernau heißt „Make Yourself, Hard to Kill“. Woher kommt der Titel?
Alexander Poliček:
Den Spruch habe ich bei meinen Recherchen gefunden. Er stand auf dem Shirt
eines vermeintlichen Preppers.
Seit wann beschäftigst du dich mit Preppern?
Schon ziemlich lange. Ich habe mich sehr früh für dystopische Filme und Bücher interessiert. Meine Auseinandersetzung mit Preppern wurde vor etwa zwei Jahren konkreter und für die Ausstellung natürlich noch intensiver.
Wurdest du aus aktuellem Anlass eingeladen?
Nein, die Ausschreibung für das Ausstellungsprogramm der Galerie Bernau fand schon im Frühjahr 2019 statt. Die Corona-Pandemie hat das Thema dann zwar in den Fokus gerückt, aber es war eine Zeit lang auch nicht ganz klar, ob und wie die Ausstellung stattfinden kann. Nun gibt es Vorgaben, unter denen wir eröffnen konnten. Ich benutze zum Beispiel nicht wie geplant Vorhänge, um den Raum zu trennen, sondern habe dafür eine andere Lösung gefunden, für die ich transparente Planen benutzt habe. Teil der Ausstellung ist auch ein Lüfter, der Frischluft in den Ausstellungsraum bläst.
Die Poster im hinteren Bereich der Ausstellung ähneln Filmplakaten. Könntest du von deinem Arbeitsprozess an diesen Bildern erzählen? Wo kommen sie her, was zeigen sie und wieso kleben sie direkt an der Wand?
Klar, mein Zugang zu dem Thema kam letztlich über Filme zustande. Auch in den Filmen selbst spielen Plakate immer eine sehr wichtige Rolle. Sie verbinden Informationen in Textform und Bilder sehr gut. Auf meinen Postern sieht man Fotos und Textfragmente, die ich in Pepper-Foren, Büchern und Ratgebern gefunden habe, oder die ursprünglich von Science-Fiction und Katastrophen-Filmen stammen. Dazu gehören zum Beispiel „Mad Max“, „It Comes at Night“, „X“, ein Manga von Clamp, oder auch „I am Legend“. So wie die visuellen und schriftlichen Informationen auf den Postern sich überlagern, überlagern sich die Plakate auch an der Wand – man könnte sagen, wie auf einer Litfaßsäule.
Solche Filme sind ja fiktive Szenarien. Welche Rolle spielt Imagination für Prepper?
Ich denke, das lässt sich nicht pauschalisieren. Wenn meine Oma preppt, ist da eher eigene Lebenserfahrung im Spiel als Fiktion oder Imagination. Das trifft mehr auf Leute zu, die sich auf eine „Zombi-Apokalypse“ vorbereiten. Prinzipiell glaube ich aber schon, dass die meisten Katastrophen, die von Preppern befürchtet werden, möglich sind. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist und ob dann gleich alles zusammenbricht, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Grundsätzlich scheint mir Misstrauen gegenüber vorhandenen Strukturen und Regierungen der maßgebliche und verbindende Faktor für Prepper zu sein.
Soweit ich weiß, gibt es in den USA eine große Prepper-Szene von teilweise gewaltbereiten Menschen, die hohe Summen in den Schutz ihrer Familien und Freunde investieren. Preppen scheint dort ein Wirtschaftszweig zu sein, lässt sich aber keiner ideologischen oder politischen Gruppe zuordnen. In Deutschland ist das anders. Es gibt eine rechtsradikale Prepper-Szene. Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den konsumistischen und politischen Interessen von Preppern. Sind Prepper ein Phänomen des Kapitalismus?
Ich kenne keine wissenschaftlichen Daten darüber, ob Prepper gewaltbereiter sind als Menschen, die sich nicht als Prepper bezeichnen. Und ich denke auch, da gibt es keinen direkten Zusammenhang. Es gibt sowohl Prepper, die definitiv nicht in Konfrontation mit anderen geraten wollen, als auch Prepper, für die die Grenze von Selbstverteidigung und Gewaltbereitschaft verschwimmt. Die Prepperszene in Deutschland hat natürlich traurige Berühmtheit durch das so genannte Hannibal Netzwerk erlangt. Informationen dazu findet man auch in der Ausstellung.
Wie bist du insgesamt in der Ausstellung mit dem Thema umgegangen?
Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, eine Ausstellung über Rechtsradikale zu machen. Bestimmt gab es auch Prepper in der Sowjetunion – je nachdem wie eng man diesen Begriff fasst. Sie sind kein ausschließliches Phänomen des Kapitalismus. Vielleicht ist es eher ein Phänomen des Kapitalismus, wie man über Prepper berichtet.
Du hast die Ausstellungsarchitektur in der Galerie Bernau stark an den Räumlichkeiten orientiert. Wie würdest du die Installation beschreiben?
Der erste Teil der Ausstellung ist ein abgedunkelter Raum, in dem ich auch eine Video-Arbeit zeige. Er erinnert an einen Kino-Vorraum oder eine Litfaßsäule. Durch die Dunkelheit und die Plakatierung bewegt man sich dort entlang wie durch den Eingangsbereich zu einem Versteck. Das Versteck ähnelt einer Bug-Out-Location – also einer Art selbstgebautem Schutzraum. Es ist ziemlich hell und mit skulpturalen Arbeiten „möbliert“ könnte man sagen. Dieser Bereich war ursprünglich als hinterer Teil der Ausstellung geplant, aber aufgrund der Corona-Vorschriften war es besser, das umzudisponieren. Jetzt betritt man die Ausstellung sozusagen durch das Versteck.
In diesem Versteck wirken einige deiner Skulpturen wie amateurhaft reparierte Gegenstände. Diese Prepper-Unterkunft scheint nur “fast richtig” gemacht zu sein. Woher kommt dieser Eindruck?
Ich denke, wer ernsthaft für eine Katastrophe vorsorgt, lacht darüber. Vielleicht ist der Raum, den ich gebaut habe, eher in eine Zeit lange nach einer Katastrophe zu verorten. Ich glaube, dass es da kein „richtig“ oder „falsch“ gibt, denn niemand kann ja genau sagen, was los ist, wenn eine wirkliche Katastrophe geschieht. Mich hat auch nicht so sehr interessiert, in der Ausstellung alles voller Sandsäcke zu stellen und volle Regale mit Nahrungsmitteln und Ausrüstung zu zeigen. Die Informationen darüber, was man vielleicht horten könnte, findet man aber schon in der Ausstellung. Auch wenn sich natürlich für jede*n persönlich unterscheidet, was man braucht und will.
Was wären das zum Beispiel für Sachen?
Ich zeige Listen von Dingen, die potentiell sinnvoll zu bevorraten sind, und von Dingen für den Tauschhandel. Man findet Anleitungen dazu, wie und welche Kraftstoffe man lagern kann und auch Listen, welche Computerspiele und Filme sich mit dem Thema beschäftigen, was der „Tag X“ in Deutschland bedeutet, und darüber, dass es nationalsozialistische Prepper gibt, die 40.000 Schuss Munition gehortet haben, bis sie enttarnt wurden.
Bist du einer Art “Pepper-Ästhetik” auf der Spur? Wie würdest du sie beschreiben?
Nicht direkt. Ich glaube, es gibt zwar so etwas wie eine populärkulturelle Prepper-Ästhetik, die aus Gasmasken und Militärkleidung besteht, und das ist sicher wichtig für eine Industrie, die gut daran verdient. Ich fand allerdings den Ansatz von Preppern spannender, die sich Fähigkeiten aneignen wollen. Sie fragen sich: Was kann ich reparieren? Was kann ich anbauen? Wie bereite ich Wasser auf? Wie mache ich Feuer? Das hat dann auch wieder mit dem „fast-richtig-Machen“ zu tun. Wenn etwas funktioniert, ist es „richtig“ gemacht, egal wie es aussieht. Als Künstler beschäftigt mich das nicht nur vom ästhetischen, sondern auch vom konzeptuellen Ansatz her.
WANN: Die Ausstellung “Make Yourself, Hard to Kill” von Alexander Poliček läuft noch bis Freitag, den 25. September. Zu besuchen ist sie von Dienstag bis Freitag zwischen 10 und 18 Uhr sowie am Samstag zwischen 10 und 16 Uhr.
WO: Galerie Bernau, Bürgermeisterstraße 4, 16321 Bernau bei Berlin.