Glühende Ohren
Jan Schiefermair publiziert Fotografie in Zines

14. September 2020 • Text von

Eigentlich wollte der Fotograf Jan Schiefermair nur sein Fotoarchiv aufarbeiten und seine Arbeiten leicht zugänglich präsentieren. „trustinzines“ funktionierte dann aber so gut, dass ein Jahr später nun bereits die fünfte Ausgabe erscheint und die Hefte zu einem Wiener All-Star-Projekt wurden.

Linkes Foto Maximilian Schneller, rechtes Foto Jan Schiefermair (c) the artists

gallerytalk.net: Was steckt hinter “trustinzines“?
Jan Schiefermair: Eine meiner ersten Intuitionen war der Plan mein Fotoarchiv in Heften aufzuarbeiten. Für mich war die Fotografie immer auch ein Handwerk, ich finde es spannend komplette Produktionsabläufe selbst in der Hand zu haben. Vom Negative entwickeln über den Druck bis zum Vertrieb, das mach ich alles selbst.

Warum hast du dich für Printpublikationen entschieden?
Es geht bei “trustinzines” auch darum ein Gegengewicht zur Schnell- und Kurzlebigkeit von Inhalten auf Social Media zu positionieren. Es ist ein viel schöneres Erlebnis, Papier in der Hand zu halten und durch Seiten zu blättern, als über einen schmierigen Bildschirm zu streichen und größtenteils unnütze Informationen aufzunehmen. Viele gute Arbeiten gehen dabei unter.

Linkes Foto Maximilian Schneller, rechtes Foto Jan Schiefermair (c) the artists

Wie kam es dazu, dass du auch Arbeiten anderer Fotograf*innen zeigst? Und wonach wählst du aus?
Es ist mir ein Anliegen es auch anderen Fotograf*innen zu ermöglichen, ihre Arbeiten in physischer Publikation zu präsentieren, ohne dass dies direkt in Form eines Buchprojekts passieren muss. Ich habe “trustinzines” gerade erst im Herbst 2019 initiiert – da war und ist es naheliegend, zunächst einmal Fotografinnen aus meinem Bekanntenkreis zu featuren, erstmal regional zu arbeiten. Der Fokus liegt auf der analogen Fotografie, weil ich die Ästhetik mag, thematisch möchte ich keine Grenzen setzen – ich mache und unterstütze was mir gefällt, da arbeite ich intuitiv.

Linkes Foto Christoph Voglbauer, rechtes Foto Jan Schiefermair (c) the artists

Hast du das Gefühl, dass manche Bilder kontroverse Meinungen bei den Betrachtenden hervorrufen?
Das sollen sie ja auch, sonst wäre es ja fad! Insbesondere beim “Vienna Calling Zine” werden größtenteils Einblicke in bestimmte Situationen einer subkulturellen Szene, mit dem Fokus auf Ausnahmezustände, Rausch, Ekstase, Freizügigkeiten und Dreck gezeigt. Menschen, denen diesen Dinge fremd und unangenehm sind, würden darin wohl den Teufel sehen. Die meisten, die ich bis jetzt beim Betrachten des Zines beobachten durfte, haben aber herzlich gelacht und hin und wieder ein „jesus!“ hervorgestoßen. Im Gegensatz dazu, gibt es bei der Publikation “Rocco”, ein Reisebericht aus Marokko in Bildern, von Matthias Aschauer und mir, einen breiteren Konsens des Gefallens. Bei der Publikation liegt der Fokus eher auf der Ästhetik und dabei geht es weniger um ein gewisses Milieu oder Situationen, die schneller polarisieren könnten.

Links der Hund von Andre Heller, fotografiert von Matthias Aschauer,
rechtes Foto Jan Schiefermair (c) the artists

Zeigen die Bilder im “Vienna Calling Zine” eine, gesellschaftlich gesehen, gemeingültige Realität? Oder handelt es sich eher um einen abgegrenzten Raum, mit gewissermaßen eigener Etikette?
Die Bilder zeigen einen durchaus überschaubaren Kreis an Menschen aus Wien. Die gezeigten Dinge geschehen aber definitiv überall in der westlichen Welt und sind nichts Neues. Natürlich bespielt diese Publikation erstmal ein gewisses Publikum. Ich weiß aber, dass es für viele Menschen auch spannend sein kann, in fremde Welten einzutauchen. Das ist ja eine der tollen Möglichkeiten die uns die Fotografie bietet!

Du willst auch eine Ausgabe mit Handyfotos machen! Was reizt dich daran?
Die Idee zum „Vienna Calling Mobiltelefon spezial“ entstand aus der Schwierigkeit, fotografisch festgehaltenen Szenen der Unvernunft zu finden, die inhaltlich ins “Vienna Calling Zine” passen. Analoge Fotos gibt es in dem Bereich weniger, aber ich weiß, dass viele Leute auf ihren Mobiltelefonen ziemlich gestörte Fotos haben. Bei der Reihe “Vienna Calling” steht ja das Inhaltliche im Vordergrund und da könnte man durchaus mal aus dem analogen Konzept ausbrechen.

Was steht für dich in deiner Arbeit als Fotograf im Vordergrund?
Ein Bereich, der mich besonders beschäftigt, ist ganz klar die sozialdokumentarische Fotografie. Dort entstehen die Blicke von Gemeinschaften, Intimität, Empathie aus dem Inneren heraus. Betrachtende bekommen das Gefühl, die/ der Fotograf*in war selbst Teil des Milieus oder hat sich zumindest intensiv damit auseinandergesetzt, so dass sie oder er das Vertrauen der Protagonist*innen genießt. Solche Arbeiten beschäftigen und berühren mich am meisten.

Linkes Foto Jan Schiefermair, rechtes Foto Anna Breit (c) the artists

Neues von “trustinzines” gibts am 16.9. beim Release der Publikation “The Jambos” (hier in der Rolle des Produzenten und Vertriebspartners), wo Ali Baba Ghanoush mit den Straßen Wiens abrechnet. Die ganze Zinographie gibt es auf der Valencia Art Book Faire ” Recreo” vom 2. bis 3. Oktober sowohl off- als auch online zu sehen und zu erwerben. Und beim Wiener Independent Foto Festival Off Grid, das vom 29. bis zum 31. Oktober in Wien stattfindet und, wo die neuste “trustinzines” Ausgabe mit Arbeiten von Alex Dietrich und Maximilian Schneller veröffentlicht wird (Anm. Schiefermair: Das wird die Ohren so Einiger zum Glühen bringen).

Mehr zu sehen von “trustinzines” gibts auf Instagram. Und von Jan Schiefermair auch.

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