Die Ordnung der Bilder

26. Januar 2016 • Text von

Popkulturelle Artefakte, historische Fotografien und technische Zeichnungen. Angeeignete Bilder und Text-Systeme. Fari Shams präsentiert im Kunstraum München einen Hybrid aus globalem Archiv und subjektivem Bildatlas an der Grenze von Wissenschaft und Kunst.

Bilder und Texte schaffen Realitäten, besonders in Zeiten zunehmender Unübersichtlichkeit. Durch eine geschickte Wahl der Perspektive, der Motive und der transportierten Inhalte können mediale Wirklichkeiten konstruiert werden, die nicht deckungsgleich sein müssen mit der Realität. Sei es in der Politik, der Gesellschaft oder der Kunst. Nicht umsonst heißt es, dass die Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird: Mittels Auswahl, Präsentation und Negation. Information wird bewusst und mit Kalkül geordnet und hierarchisch strukturiert. Das Produkt einer solchen Klassifizierung, einer jeden Ordnung, hängt somit direkt von der Haltung, den Intentionen und den Entscheidungen des Autors ab.

Bild: Fari Shams, Kunstraum München

Bild: Fari Shams, Kunstraum München

Mit diesen Fragen der Repräsentation von Geschichte, Natur und Gesellschaft setzt sich die 1976 geborene Künstlerin Fari Shams in ihrer Arbeit auseinander. Ihre multimediale Installation „European Civilization, Peter the Great and the order of things“ im Kunstraum ist die erste Einzelausstellung der in Düsseldorf und London lebenden Künstlerin in München. Ausgehend von der Analyse eines Texts, einer Vorlesung des Historikers John Merriman über die historische Figur Peter des Großen, erstellte sie eine Auswahl aus über einhundert gefundenen und angeeigneten Bildern und Textelementen, die sie einer konzeptuellen Neuordnung unterzog und zueinander in Beziehung setzt. Im Kunstraum zeigt sie nun das Ergebnis ihrer künstlerischen Recherche und Intervention. Eine offene und auch kryptische Zusammenstellung von Textfragmenten und Bildelementen präsentiert in Videos, auf Bildwänden und auf Tisch-Displays. Bücher und schematische Zeichnungen ergänzen die enigmatische Bilderflut.

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Bild: Fari Shams, Kunstraum München

Die Künstlerin fügt in ihrer Arbeit den Bildern schrittweise unterschiedliche Ordnungsstrukturen zu: Von einfachen, neutralen Systemen wie Schlagworten und alphabetischer Ordnung, bis hin zu komplexen und kulturell determinierten Formen der Klassifizierung und Katalogisierung. Gekonnt wechselt sie dabei zwischen einer wissenschaftlichen und einer künstlerischen Perspektive und stellt eine Untersuchung der Wirkungsmacht von Bildern und Systemen ins Zentrum ihrer Arbeit. Fari Shams bringt dabei die Frage nach Subjektivität zum Ausdruck, auch in Bezug auf Wissens-Macht und den Zugang zu Wissen. Strategien der Ordnung, Einordnung und Klassifizierung bedienen sich immer der Herausarbeitung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten, Unähnlichkeit und Differenzen. Shams stellt nun die Parameter und Bedingungen dieser Ordnungssysteme in Frage, indem sie bewusst ein eigenes subjektives System entwickelt und anwendet.

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Bild: Fari Shams, Kunstraum München

Ihr ambitioniertes Artistic-Research-Projekt erlaubt dabei unterschiedliche Lesarten und Interpretationen und schärft den kritischen Blick auf Apparate der Klassifizierung und deren vermeintliche Ordnung. Sie spielt mit unserem Wunsch, Bilder, Fakten und deren Bedeutung nicht nur rasch zu erfassen, sondern sie gleichsam in eine vermeintliche Realität und Kausalität einzufassen um sie zu verstehen. Das Gesellschaftliche und ästhetische Umfeld der Bilder und Texte wird so kritisch thematisiert und deren Wirkungsweisen hinterfragt. Fari Shams präsentiert einen konzeptuellen Umgang mit Fotografie, sie traut den Bildern nicht und nutzt sie doch für ihre eigene, tief subjektive Inszenierung. Und dabei stellt sich unweigerlich die Frage, inwiefern ihre eigene, subjektiv-künstlerische Klassifizierung den gleichen Stellenwert einnehmen kann, wie es andere Systeme der Klassifizierung und Kategorisierung tun.

WANN: Die Arbeiten sind bis zum 6. März zu sehen, zum Ende der Ausstellung findet am letzten Tag um 14 Uhr ein Künstlergespräch statt.
WO: Kunstraum München, Holzstraße 10 Rgb., 80469 München.

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