Berliner Kunstgriff
28.11. - 04.12.17

28. November 2017 • Text von

Globalisierung, Kapitalismus, Digitalisierung, Anthropozän – was diese Begriffe eigentlich bedeuten, welche unterschiedlichen Realitäten sie für wen schaffen, wer dieses Wissen kreiert und welche notwendigen, selbstbestimmten Positionen sich daraus ergeben, zeigen diese Woche drei Veranstaltungen.

Milo Rau, Das Kongotribunal, Filmstill © realfiction

Seit 2013 schafft der Schweizer Theatermacher Milo Rauch multimediale Formate, in denen die Geschichte und Gegenwart des Kongo – 20 Jahre Bürgerkrieg, über 6 Millionen Tote, totalitär herrschende, multinationale Rohstoffkonzerne – thematisiert werden. Das jüngste Resultat ist der Dokumentarfilm „Das Kongotribunal“. Drei ausgewählte, straflos vergangene Verbrechen werden vor ein fiktives Tribunal gebracht. Alle sind echt – Richter, Betroffene und Experten, nur das Urteil hat keine Rechtskraft. Milo Rau kämpft für einen internationalen Wirtschaftsgerichtshof, ein Weltparlament und wie zuletzt spielerisch an der Berliner Schaubühne inszeniert wurde – für absolute Demokratie. Seine Intention: Verständlich machen, was Globalisierung und Kapitalismus eigentlich bedeuten. Je mehr Luxus und Wohlstand wir hier erleben dürfen, desto knapper und ungerechter werden Existenzen und Rechte in der so genannten Dritten Welt verhandelt. Die Kunst kann das nicht schlagartig ändern und noch weniger dient sie als Ersatz für die institutionellen Änderungen, die dringend nötig sind. Aber sie ist dort, wo die Politik nicht weiter kann und mag, ein Verhandlungsraum. Wo Ai WeiWei seine moralische Stimme erhebt und dabei nichts Anderes tut, als die Opferrolle derjenigen, die keine Lobby auf dieser Welt haben, neu zu inszenieren, ist Milo Raus Bühne ein Ort der Selbstbestimmung. Und die Gerichtsverhandlung – fiktiv oder real – ein Akt der basisdemokratischen Selbstbestimmung.

WANN: Die Filmvorführung geht am Dienstag, den 28. November, um 18 Uhr los. Weitere Infos zu Terminen und Rahmenprogramm gibt es hier.
WO: ACUDkino, Veteranenstr. 21, 10119 Berlin.

Filmstill Trailer 1948 Unbound © Patricia Reed & Harry Sanderson

Die Befragung unserer Gegenwart steht hoch im Kurs der Programme der Kulturinstitutionen. Die Konferenz „1948 Unbound. Entfesselung der technischen Gegenwartsetzt bezüglich der Herausforderungen unserer Zeit in dem Jahr 1948 an, das mit seinen bahnbrechenden technischen Erneuerungen die Welt und ihre Menschen nach wie vor verändert. Die Veranstaltung ist in fünf Themenbereiche aufgeteilt: Switches, Seeds, Hydrocarbons, Tokens und Chance. Parallel hierzu findet die Ausstellung Parapolitik: Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg statt, die man im gleichen Zuge besuchen kann und sollte.

WANN: Die Veranstaltung beginnt am Donnerstag, den 30. November, um 19 Uhr und endet am Samstag, den 2. Dezember, um ca. 22 Uhr (Tickets und Programm hier)
WO: Haus der Kulturen der Welt, John-Fuster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin

Katrin Winkler»towards memory«Zweikanal-Videoinstallation, 31:39 min, HD, 2016, © die Künstlerin

Um Perspektivwechsel geht es auch in der Ausstellung „Reframing Worlds – Mobilität und Gender aus postkolonial feministischer Perspektive“, die am Freitag, den 1. Dezember, in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst eröffnet. Bereits seit dem 3. November ist in der Galerie am Körnerpark in Neukölln der erste Teil der Ausstellung zu sehen. Es werden Arbeiten von Berliner KünstlerInnen gezeigt, die sich mit der Geschichte und dem Werk unterschiedlichster Frauen wie Gertrude Bell, Agatha Christie, Maria Mandessi Bell Diop und Mia May auseinandersetzen. Der Fokus liegt dabei auf deren Nicht-Berücksichtigung in einer allgemein akzeptierten und kanonisierten Geschichtsschreibung.

WANN: Die Vernissage beginnt am Freitag, den 1. Dezember, um 19 Uhr. Am Sonntag, den 3. Dezember, findet um 14 Uhr eine Führung (dt./engl.) durch beide Ausstellungen statt. Treffpunkt ist die Galerie im Körnerpark. Weitere Infos zum Programm sind hier abzurufen.
WO: nGbK, Oranienstr. 25, 10999 Berlin

Text: Marie-Therese Bruglacher

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