Berliner Kunstgriff
25.10. - 31.10.2016

25. Oktober 2016 • Text von

„This Could be a Text of Historical Interest“. Wahrscheinlich eher nicht. Warum man diesen unverhofften Anflug an Selbstüberschätzung jedoch auch als Konzeptkunst betrachten kann und was Braco Dimitrijevic damit zu tun hat, lest ihr hier.

Christian Marclay, Screen Play, 2005, Courtesy the artist and Paula Cooper Gallery, New York.

Christian Marclay, Screen Play, 2005, Courtesy the artist and Paula Cooper Gallery, New York.

Im Hamburger Bahnhof lässt sich der kommende Donnerstag wunderbar ausklingen und das Wochenende einläuten: Hier kann man den musikalischen Auftakt der Ausstellung „Scores“ aus der Veranstaltungsreihe „Musikwerke Bildender Künstler“ miterleben. Es handelt sich hierbei um ein Gemeinschaftsprojekt zwischen der Nationalgalerie und dem Verein Freunde Guter Musik Berlin, die gemeinsam den Fokus auf das musikalische Schaffen künstlerischer Größen wie Yves Klein, Hermann Nitsch oder Hanne Darboven legen und es im musealen Rahmen erscheinen oder erklingen lassen. Die vier teilnehmenden Künstler der diesjährigen Ausgabe verbindet neben ihrer Klangaffinität auch ein starkes Interesse an den Transformationsmöglichkeiten zwischen Musik und Bildender Kunst. „Scores“ – zu Deutsch: Partituren – bieten hierfür eine Schnittstelle, da sie längst jenseits ihrer ursprünglichen musikalischen Aufzeichnungsfunktion in Form systematischer Zeichnungen auch in der bildenden Kunst zu verorten sind. Selbstredend wird die Ausstellung auch von einer umfangreichen Reihe klangvoller Performances begleitet. Zur Eröffnung wird der erste Teil von Saâdane Afifs Arbeit „Vice de forme: Das Kabarett“ in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Augustin Maurs zu hören und zu sehen sein.

WANN: Eröffnung und Konzert beginnen am Donnerstag, dem 27. Oktober, um 20 Uhr. Alle weiteren Konzerttermine sind hier aufgeführt.
WO: Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwartskunst, Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin.

John McAllister, Cymbals Without Sound, 2016, Courtesy the artist and Wentrup Berlin, Foto: Trevor Good.

John McAllister, Cymbals Without Sound, 2016, Courtesy the artist and Wentrup Berlin, Foto: Trevor Good.

Wer seinen Augen in diesen kargen, grauen Herbsttagen etwas Gutes tun möchte, sollte sich am Freitagabend in die Wentrup Galerie bewegen und dort die farbintensiven Pflanzengewächse in John McAllisters Ölgemälden bestaunen. Der Amerikaner verwirklicht darin eine Art Landschaftsmalerei 2.0, die weder verstaubt noch kitschig anmutet. Als Bild im Bild mystifiziert er banale Ansichten von Büschen, Bäumen und Sträuchern und wirft das geistige Auge auf das Ungesehene, was sich hinter seinen ausschnitthaften Ansichten verbirgt. Die mesmerisierende Intensität der Bilder wird durch eine außergewöhnliche Farbwahl erzielt, die an Fotonegative aus der Dunkelkammer erinnert. Formal an die klassische Moderne anlehnend zeigt uns McAllister, was aus den simpelsten Motiven malerisch noch alles rauszuholen ist.

WANN: „Chorus, Clamors, Sultry“ eröffnet am Freitag, dem 29. Oktober von 18 bis 21 Uhr
WO: Wentrup, Tempelhofer Ufer 22, 10963 Berlin.

Braco Dimitrijević installing first Triptychos Post Historcus with Kandinsky at the Neue Nationalgalerie, Berlin 1976, Courtesy the artist and Daniel Marzona, Berlin.

Braco Dimitrijević installing first Triptychos Post Historcus with Kandinsky at the Neue Nationalgalerie, Berlin 1976, Courtesy the artist and Daniel Marzona, Berlin.

 

Der Jugoslawe Braco Dimitrijevic – ein Pionier der Postmoderne – ist bekannt dafür, Gängiges auf den Kopf zu stellen und Gegebenes in Fragen aufzulösen. So verschaffte er sich in den Siebzigern internationale Anerkennung, indem er prominente Gebäudefassaden in ganz Europa und Nordamerika mit gigantischen Porträtabzügen anonymer Gesichter beschmückte. In ähnlichem Usus schrieb er in seiner Serie „This Could be a Place of Historical Interest“ belanglosen Orte geschichtliche Signifikanz zu. Als besonders einschneidend ist auch der Werkzyklus „Triptychos Post Historicus“ einzuordnen, wofür Dimitrijevic es schaffte, sich von Museen wie der Tate oder dem Louvre Werke wie Leonardos Madonna oder Malevichs Rotes Quadrat auszuborgen und in eigenen Installationen Alltagsobjekten gegenüber zu stellen. Heute, 3 Documentas und diverse Venedig Biennalen später, weiß wohl kaum noch jemand, dass der Künstler diese Reihe in der Neuen Nationalgalerie Berlins begann. Das soll sich nun ändern. Unter dem Titel „My Berlin Years“ beschäftigt sich die Galerie Daniel Marzona mit seinem einjährigen DAAD-Aufenthalt in der damals noch geteilten Stadt 1976 und 1977. Die Ausstellung wirft die Frage auf, welche Rolle die Erkundung einer so geschichtsträchtigen Stadt wie Berlin nach dem Krieg wohl auf sein Schaffen, insbesondere auf seine kontinuierliche Dekonstruktion von historischer Relevanz, gehabt haben mag.

WANN: Am Freitag, dem 28. Oktober, ist zwischen 18 und 21 Uhr Vernissage.
WO: Daniel Marzona, Friedrichstraße 17, 10969 Berlin.

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