Berliner Kunstgriff
07.11. - 13.11.17

7. November 2017 • Text von

Himmel auf Erden oder wahr gewordener Albtraum – kaum etwas Banaleres als eine Kreuzfahrt ist wohl in der Lage, die Gesellschaft so zu polarisieren. Umso ertragreicher ist ihr Potenzial für die ein oder andere Sozialstudie: Das hat auch Mitya Trotzki erkannt und genutzt. 

Mitya Trotski, Allure of the Seas, Courtesy of Green | Gonzalez

Ob Fluch oder Segen – die Wohnung von Mitya Trotzki in Miami hat einen sagenhaften Ausblick auf den engen Kanal, an dem monströse Luxus-Kreuzfahrtschiffe ablegen, um ihre Passagiere in Massenabfertigung mit der romantischen Vorstellung eine Seereise zu bedienen. Was Trotzki hierbei zu sehen bekommt, gleicht einer Sozialstudie auf dem Silbertablett: Die amerikanische Gesellschaft im Querschnitt, einsame Seelen auf der Flucht, gefangen in Monotonie. Trotzkis Fotografien der Szenerie funktionieren dabei nach eigenen Aussagen als visuelle Anthropologie der menschlichen Spezies, sie liefern ein unverfälschtes Abbild von sozialen Strukturen, in denen Glück vermeintlich käuflich ist und im Sand unter Palmen – oder in einer standardisierten Kajüte auf See – zu finden ist. Im Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz werden sie ab Donnerstag, den 9. November, in Lebensgröße gezeigt.

WANN: Ab 19 Uhr dürft ihr „Fugitive Souls“ am Donnerstag, den 9. November, besichtigen.
WO: Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Linienstraße 40, 10119 Berlin.

Maya Beaudry, Insulated (sisters), Courtesy of Ashley Berlin

Die skulpturalen Gemälde und Installationen von Maya Beaudry besitzen eine visuelle Energie, die unter die Haut geht; die bewegt, aufwühlt, so manchen vielleicht verstört. Das mag daran liegen, dass die schöpferische Kraft der Kanadierin aus einer seelischen Wunde speist, die der bis heute unaufgeklärte Mord an ihrer Mutter vor acht Jahren bei ihr hinterlassen hat. So empfindet sie Staub als wertvolles Überbleibsel der Verstorbenen, Schimmel als sanfte und friedliche Kulturen im Kontrast zu der Bedrohlichkeit von feuchtem Moos des Waldes, auf dem ihrer Mutter das Leben genommen wurde. Diese aus tiefem Trauma herrührenden, kindlichen Faszinationen integriert sie in ihre künstlerischen Interessen von räumlicher Gestaltung, häuslicher Architektur und Dekoration. So lässt sie fluide Farben und Formen mit geometrischen Konstrukten verschmelzen und verbindet persönlichen Schmerz mit anspruchsvollem Handwerk. Ihre Arbeiten werden unter dem Titel „Moulding Between“ nun bei Ashley Berlin gezeigt.

WANN: Vernissage ist am Freitag, den 10. November, zwischen 18 bis 21 Uhr.
WO: Ashley Berlin, Oranienstraße 37, 10999 Berlin

Hilla Toony Navok, Outlet Drawings 3, 2017, A cut drawing collage and color pencils on paper, 80 x 60 cm, Coutesy the artist

Die Israelin Hilla Toony Navok untersucht in ihren farbenfrohen Installationen die wahre Konzeption von Produkt-/Design und deckt spielerisch die Wünsche und Versprechungen auf, die in dem Nutzobjekt gebündelt werden. Welche Auswirkungen hat das Objekt auf das Selbstverständnis des Subjekts? Wieviel Macht wird ihm zugesprochen? Die Installation „Outlet“ bei KM beschäftigt sich mit den sozialen Implikationen des generischen Massenproduktes. Das Outlet wird hierbei als Geisteszustand erdacht, in Analogie zu dem Ort, an dem Ware angeboten wird, die bereits in Ungnade gefallen ist.

WANN: Die Ausstellung „Outlet“ ist ab Samstag, den 11. November, zu sehen.
WO: KM, Mehringplatz 8, 10969 Berlin.

Weitere Artikel aus Berlin