Back to the Future

19. Januar 2016 • Text von

Die Gruppenausstellung „Echo of untouched matter“ in der Lothringer 13 setzt sich mit dem Ursprung des Seins im Zeitalter der Digitalisierung auseinander. Sechs Künstler*Innen präsentieren Arbeiten, in denen sie sich auf vielfältige Weise auf die Suche nach einem natürlichen, biologischen Kern der Dinge begeben. Dabei entsteht ein fruchtbares Arbeitsfeld, das sich zwischen nostalgischer Verklärung und produktiver Symbiose entspinnt.

Der Japaner Atsushi Wada präsentiert im Rahmen der Ausstellung seine Animationsfilme „The Mechanism of Spring“ (2010) und „Anomalies“ (2013). Ihre spezifische Ästhetik entsteht durch die charakteristisch blasse Farbgebung und die charmanten dickbäuchigen Protagonisten. Wadas Kugelmenschen- und tiere verschmelzen und zerfließen in den Filmen, damit stets Neues entstehen kann. Da tollen Jäger und Gejagter, um schließlich im Gewusel Eins zu werden. Da spielen Frösche mit Ton und formen ein Schneckenhaus, das sich – als sei es selbstverständlich – plötzlich mit Leben füllt. So entstehen Kurzfilme, die auf kluge und ästhetische Weise den ewigen Kreislauf des Seins und Werdens veranschaulichen und die menschliche Faszination für die Natur der Dinge verdeutlichen. Wada macht eine Analogie zwischen seinen menschlichen und tierischen Protagonisten auf und führt die Nähe alles Lebendigen vor Augen. Was unterscheidet uns von Wild, von Fisch und Vogel? Seine Arbeiten bestechen zum einen durch die plastische Anmut der Bilder, zum anderen durch die intelligente Komik, die den Plot dominiert.

Atsushi Wada, The mechanism of spring, 2010

Atsushi Wada, The mechanism of spring, 2010

In seiner Serie „Bad Luck, Hot Rocks“ von 2013/14 beschäftigt sich der amerikanische Künstler Ryan Thompsons mit dem Petrified Forest in Arizona, einem geschützten Gelände, in dem verkieseltes Holz aus der späten Triaszeit zu finden ist. Ergänzend zu den fotografischen Portraits besonders außergewöhnlicher Holzexemplare, die hunderte Millionen Jahre alt sind, stellt er die Briefe von Besuchern aus, die illegalerweise einen dieser Holzsteine entwendeten. Reumütig senden sie zum Teil Jahre später Holz und Entschuldigungsschreiben in den Petrified Forest zurück. Thompsons Briefsammlung legt eine menschliche Besitzgier offen, die von der Schönheit der Objekte und der Ehrfurcht dieser Zeugnisse aus der Urzeit ausgeht. Betrachtet man die fotografischen Arbeiten wird die Faszination, die die Diebe motiviert deutlich. „Bad Luck, Hot Rocks“ besticht sowohl konzeptuell als auch in Umsetzung und Gestaltung der Fotografien.

Ryan Thompson, Bad Luck, Hot Rocks, 2013/14

Ryan Thompson, Serie Bad Luck, Hot Rocks, 2013/14

Der Münchner Ulrich Gebert widmet sich in seiner Fotoserie „UR“ (2014) dem bereits im 17. Jahrhundert ausgestorbenen Auerochsen. Auf der Insel Wörth im Staffelsee finden sich einige dieser Urtiere wieder, die dort seit den 1920er Jahren in einem Langzeitprojekt rückgezüchtet werden. Die entstandenen Schwarz-Weiß-Fotografien ziehen unmittelbar in ihren Bann, überzeugen technisch und transmittieren die magische Aura, die den Ur umgibt. Geberts Fotografien wirken dabei wie feine Zeichnungen, die die Ästhetik der Tiere auf die eigene künstlerische Arbeit transferieren.

Ulrich Gebert, Serie UR, 2014

Ulrich Gebert, Serie UR, 2014

„Echo of untouched matter“ präsentiert eine kluge und visuell ansprechende Auseinandersetzung mit der Thematik und überzeugt mit der Auswahl der Künstler*Innen, durch deren fotografische, filmische und konzeptuelle Arbeiten ein stimmiges und spannendes Gesamtkonzept geschaffen wurde.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis 20. März 2016 zu sehen.
WO: Lothringer 13, Lothringer Str. 13, 81667 München

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