Vom Objekt zum Mensch
Werner Bischof findet zu seiner Fotografie

17. Juli 2016 • Text von

Vom Studiofotograf zum Weltenbummler. Nach seiner eindrücklichen Fotoreportage über das zerrüttete Europa nach 45 lässt Werner Bischof vom Alten ab. Er geht zu Magnum und macht sich auf den Weg. Die letzten Lebensjahre werden zu seinem Hauptwerk. 

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Zwei Jahre dokumentiert Werner Bischof den rauen Alltag im kaputten Nachkriegseuropa. Die kontrastreichen Schwarzweißfotografien bezeugen das menschliche Dasein inmitten von Ruinen auf facettenreiche Weise. Bischof wechselt von extremer Nähe zu überschaubarer Distanz, sein Blick bleibt beweglich und weit.  Oft nutzt er auch die Vogelperspektive. In einem Brief an seinen Vater im Jahr 1947 formuliert er die Unmöglichkeit der Wiederaufnahme der friedlicheren Arbeit und meint damit seine bisherige Arbeit als Studiofotograf. Von dem Zeitpunkt an verpflichtet er sich als Fotograf voll und ganz dem Menschen. Dieses Versprechen hält er bis zu seinem Tod 1954 und es entsteht in wenigen Jahren ein sehr dichtes fotografisches Werk. Kleine Gruppen mit jeweils drei bis vier Originalabzügen reihen sich in den offenen Räumen des Kunstfoyers ein. Dazwischen immer wieder Kontaktabzüge, die das Selektieren und Beschneiden der Aufnahmen nachvollziehbar machen. 
Die Ausstellung Standpunkt markiert mit der Einschränkung des Frühwerks, das sich der ebenso kontrastreichen, teilweise experimentellen Objektfotografie widmet, diesen fotografischen Wendepunkt. Ab 1948 arbeitet Bischof für die renommierte Agentur Magnum und startet 1951 seine erste große Reise nach Indien. Die letzten Lebensjahre sind geprägt von Reisen in ferne Länder, wie Japan, Lateinamerika, USA, die in der umfangreichen Ausstellung chronologisch nachvollziehbar gemacht werden und Schwerpunkt sind. Auch Farbfotografien gehören zu seinem Werk. 

USA. Southern part of the country. 1954.

USA. Southern part of the country. 1954.

In unglaublich hohen Auflagen verkaufen sich in den 50er Jahren Wochenmagazine, wie LIFE und Paris Match. Ein riesiger Markt für Bildjournalismus entsteht. Auch Werner Bischof bedient beispielsweise mit seinen Fotografien über die Hungersnot in Indien dieses boomende Geschäft. Telegramme zeigen die sehr genauen Vorstellungen des Bildmaterials der Redaktionen auf. Das Miterleben und die Anteilnahme stand im Mittelpunkt, die Sensation gehörte oft  dazu und brachte den Lesern spektakuläre Bilder aus der Fremde in ihre Wohnzimmer. Bischofs Haltung hierzu wird schnell kritisch. Eine kleine Auswahl an Magazinen sind in Glasvitrinen einsehbar, stehen aber zurecht nicht im Mittelpunkt der Ausstellung. Zu nahe sei er am Menschen dran, als dass es journalistisch sei, er sieht sich nun mal als Künstler – so ein Kommentar des Fotografen. Dem Zeitgeist der 50er Jahre zum Trotz bleibt Bischof seinem Credo treu. 

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Ausstellungsansicht: Werner Bischof. Standpunkt, Kunstfoyer, Versicherungskammer Kulturstiftung, München © Kunstfoyer, Versicherungskammer Kulturstiftung, München.

Mit der Ausstellung Menschen im fernen Osten (1953), fand er einen Weg, ohne die Printmedien die Bilder öffentlich zu machen. Solche Schauen waren zu dieser Zeit eher untypisch. Réne Burri filmte Werner Bischof während er eine Fotoklasse durch die Ausstellung führt. Ein Stummfilm, der durch Gesten des Künstler und die offenen Blicke der Schüler seine Leidenschaft und sein Ansehen erkennbar macht. Neben Fotografien zeigte Bischof auch in Vitrinen zusammengetragene Objekte. Es sind Mitbringsel der Reisen. Manche sind auf den Bildern wieder auffindbar und stellen so ihren direkten kulturellen Zusammenhang her und zeigen ihren Nutzen auf. Diese Videoarbeit ist zurecht das Herzstück von Standpunkt, denn es offenbart die Authentizität von Bischof und ist hier sorgsam durchdacht. So abrupt sein Leben endet, so endet auch die Ausstellung und zeigt auch hier eine intensive sensible Auseinandersetzung mit dem Künstler, die ihm sehr nahe zu kommen scheint. 

Zur Ausstellung erscheint der umfangreiche Katalog Werner Bischof. Standpunkt beim Verlag Scheidegger & Spiess erschienen. 

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 11. September 2016 zu sehen.
WO: KUNSTFOYER, Versicherungskammer Kulturstiftung, Maximilianstr. 53, 80538 München

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