Ich mach' mir die Welt "Forced Amnesia" von Mary-Audrey Ramirez im Casino Luxembourg
8. April 2024 • Text von Carolin Kralapp
In “Forced Amnesia” im Casino Luxembourg verbindet Mary-Audrey Ramirez die virtuelle mit der realen Welt. In einer verwinkelten Architektur treffen KI-generierte Kreaturen aus verschiedenen Medien in spannungsgeladenen Lichtszenarien aufeinander. Höhepunkt der Ausstellung ist das gleichnamige Videospiel, das direkt im Museum ausprobiert werden kann. Hinweis: Auch dieser Text wurde in Zusammenarbeit mit KI erstellt.
In ihren jüngsten Arbeiten experimentiert Mary-Audrey Ramirez mit verschiedenen Techniken, Materialien und Texturen und lotet deren Möglichkeiten aus. Was ist eigentlich real und was nicht? In einem durchdigitalisierten Alltag wird es immer schwieriger, eine klare Grenze zwischen virtueller und realer Welt, zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu ziehen. In der Ausstellung “Forced Amnesia” von Mary-Audrey Ramirez im Casino Luxembourg setzt sich die Künstlerin mit digitalen Techniken auseinander, geht dem ständigen Wechselspiel zwischen Digitalem und Realem auf den Grund und arbeitet mit dem Deep-Learning-Programm “Stable Diffusion” zusammen. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz verwandelt das Programm Text in Bilder und verleiht den fiktiven Kreaturen, den “Crittern”, die aus der Vorstellung der Künstlerin entstanden sind, einen Körper.
Die Ausstellungsarchitektur, an der die Künstlerin aktiv mitgearbeitet hat, ist verwinkelt, führt in tote Winkel und ist in unterschiedliche Lichtszenarien eingebettet. Die Besucher*innen werden in die Architektur hineingezogen. Mal sind die Räume offen und großzügig, mal eher beklemmend – das Raumgefühl ändert sich beim Durchqueren der Ausstellung ständig. Das Spiel mit Licht und Spannung, das durch die unerwarteten Raumstrukturen entsteht, wird zudem von Klängen begleitet, die Simon Goff für die Ausstellung “Forced Amnesia” und das gleichnamige Videospiel entwickelt hat. Schon im physischen Ausstellungsraum entsteht eine Atmosphäre, als würde man sich in einem Videospiel bewegen.
In der Ausstellung von Mary-Audrey Ramirez spielen nicht nur unterschiedliche Medien, sondern auch Texturen eine entscheidende Rolle. 3D-gedruckte Skulpturen aus Sandstein stehen neben solchen, die auf Satin gedruckt und gerahmt sind. Je nach Blickachse und Position im Ausstellungsraum werden weitere “Critter” sichtbar. Auf einem kleinen in der Wand eingelassenen Display können die Besucher*innen schon zu Beginn dem Wesen begegnen, das man in dem Spiel “Forced Amnesia” spielen kann.
Während die 3D-gedruckten Objekte das Haptische hervorheben, betonen die auf Satin gedruckten Objekte das Künstliche, das Glänzende und Glitschige, das die fiktiven Wesen ausstrahlen. Nicht nur die Arbeit mit Computerprogrammen ist für die Praxis der Künstlerin maßgeblich, sondern auch die Arbeit mit Stoffen und der Nähmaschine. Mary-Audrey Ramirez bricht mit den Sehgewohnheiten im Ausstellungskontext, indem sie mit ungewöhnlichen Texturen arbeitet.
So zeigt die Ausstellung neben den Ausführungen in Sandstein und Satin auch die raumgreifende Installation des weißen “Basilisken” und von der Decke hängende “Klone”, die je aus einem mit Vinyl überzogenen und mit Fasern ausgestopften Metallskelett bestehen. Der “Basilisk” wird von weißen Vorhängen eingerahmt, während die “Klone” in PVC-Vorhängen gefangen sind, die wie überdimensionale Reagenzgläser wirken und den experimentellen Charakter der Ausstellung visuell unterstreichen. Auch hier werden ganz unterschiedliche Raumgefühle erzeugt. Die “Klone” von Mary-Audrey Ramirez sind der Cliffhanger der Ausstellung – Ausgangspunkt und zugleich Ende, sozusagen die “Never Ending Story” des Fiebertraums.
Die Ausstellung “Forced Amnesia” ist eine Kooperation mit der Kunsthalle Giessen, wo die Arbeiten im Frühjahr 2023 zu sehen waren. Im Casino Luxembourg ist nun erstmalig der Prototyp des gleichnamigen Videospiels für das Publikum zu sehen, das während des Ausstellungsbesuches gespielt werden darf. Das Spiel wurde von einem ganzen Team entwickelt. Die in verschiedenen Medien ausgeführten “Critter”, die das Publikum in den Räumen kennenlernen kann, werden im Spiel zum Leben erweckt, bewegen sich durch kühle, verträumte Eislandschaften, in denen die Spieler*innen einer Lichtkonstellation folgen und sich immer weiter zu einem spinnenartigen Wesen entwickeln. Das Spiel folgt dabei keiner linearen Erzählung. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen geht es hier nicht um Schnelligkeit. Das Tempo ist eher langsam und es wird eine meditative Atmosphäre, ein traumähnlicher Zustand, erzeugt. Die Grenzen zwischen Gaming und Kunst, zwischen virtuellem und realem Erleben werden dabei fließend.
Wir können uns den neuesten Technologien nicht mehr entziehen, sie durchdringen nahezu ständig unseren Alltag und werden zu neuen, mächtigen Werkzeugen. Warum sie also nicht genauer unter die Lupe nehmen, mit ihnen arbeiten und erforschen, wie wir die Grenzen der Realität noch weiter ausloten können? Die Praxis von Mary-Audrey Ramirez ist ein perfektes Beispiel dafür, wie ein solches Experiment aussehen kann. Die künstliche Intelligenz übernimmt nicht die künstlerische Arbeit, sondern Künstlerin und Technik gehen hier eine Kooperation ein, die nach unzähligen Zwischenschritten zu dem Ergebnis führt, das den Anforderungen der Künstlerin gerecht wird. Sie behält die Zügel in der Hand und greift statt zum Pinsel eben zu anderen technischen Hilfsmitteln. Sie lernt, mit einem abstrakten Algorithmus umzugehen und findet einen Weg, den Prozess zu beeinflussen.
Mary-Audrey Ramirez schafft eine ganz eigene spannungsgeladene Architektur mit merkwürdigen Kreaturen und lässt das Publikum durch eine Welt wandeln, die irgendwo zwischen Realität und Traum angesiedelt ist. In kollaborativer Zusammenarbeit kreiert sie in “Forced Amnesia” nicht nur ein virtuelles Erlebnis in einem Videospiel, sondern überträgt das Ganze in den physischen Ausstellungsraum, in die Wirklichkeit.
WANN: Die Ausstellung läuft noch bis zum 5. Mai.
WO: Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain, 41, rue Notre-Same B.P. 345 L-2013 Luxemburg.
Vielen Dank für die Presse-Einladung nach Luxemburg und die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten.