Die Ratten kommen
Alien vs. Plüschtier bei Russi Klenner

2. April 2021 • Text von

Bei Russi Klenner kämpft eine Armee mutierter Ratten gegen ein schleimiges Ungetüm. Mary-Audrey Ramirez zeigt mit „An Army of Rats is still an Army“ den schmalen Grat zwischen Knuff und Grusel, Videospiel und Wirklichkeit. Ihre Waffe? Eine Nähmaschine.

Die Installationsansicht zeigt die Skulptur einer schwarzen Kreatur, die von zahlreichen Stofftier-Ratten angefallen wird.
Mary-Audrey Ramirez: “An Army of Rats is still an Army”, Installationsansicht, Galerie Russi Klenner, Berlin. Courtesy: The artist and MARTINETZ, Cologne.

Mit den Augen eines Kindes an einem blinkenden, tönenden Spielzeuggeschäft vorbeizulaufen – so ungefähr fühlt es sich an, aktuell ins Schaufenster der Galerie Russi Klenner zu blicken. Dort zeigt Mary-Audrey Ramirez ihre Ausstellung „An Army of Rats is still an Army“. Das epische Stofftier-Battle sieht von außen schon so dermaßen cool aus, dass man bereits vor dem Eintreten absolut hooked ist.

Es scheint, als dränge man in eine analoge Videospielwelt ein, bei der gerade irgendwer auf Pause gedrückt hat: Kaum in der Galerie, wird man Teil einer brutalen Szenerie, in der eine riesige, schwarze Kreatur von einer Horde mutierter Stofftier-Ratten angefallen wird. Ihre fies-grün leuchtenden Augen funkeln und ihre giftig-schleimigen Gelenke scheinen sich aufzulösen, während sie ihre Beißer in der schimmernden Holo-Haut des Monsters versenken, das sein Maul wie zum Schrei geöffnet hält. Die knuffigen Nager sind überall im Raum verteilt und hängen teilweise kopfüber an den Ketten, mit denen das Ungetüm gefesselt ist.

Mehrere Stofftier-Ratten mit grünen Augen klettern durch den Ausstellungsraum.
Mary-Audrey Ramirez: “An Army of Rats is still an Army”, Installationsansicht, Galerie Russi Klenner, Berlin. Courtesy: The artist and MARTINETZ, Cologne.

Die Gaming-Assoziation kommt nicht von ungefähr: Der Name der Ausstellung leitet sich vom Spiel „Magic: The Gathering“ ab, in dem ein Mob aus Eichhörnchen dazu fähig ist, die mächtige Kreatur Emrakul zu besiegen. Bei Russi Klenner sind es zwar Ratten, die sind aber nicht weniger süß – und tödlich. In diesem begehbaren Freeze-Frame ergeben sich viele Fragen: Was genau ist hier passiert? Was hat es mit der Waffe auf sich, die an der Wand lehnt? Wer sind denn nun die Guten oder die Bösen und auf welche Seite sollten wir uns stellen? Man scheint in einem dieser Strategiespiele gefangen zu sein, in dem jede falsche Antwort das Ende bedeuten kann.

An der Wand lehnt eine Skulptur, die an eine Waffe erinnert. Links ist ein weiteres Mal das Stoff-Monster zu sehen.
Mary-Audrey Ramirez: “An Army of Rats is still an Army”, Installationsansicht, Galerie Russi Klenner, Berlin. Courtesy: The artist and MARTINETZ, Cologne.

Im hinteren Bereich der Galerie sind Stickereien ausgestellt, die die Künstlerin mit der Nähmaschine auf Leinen appliziert. Mit der Hand führt sie den Stoff unter der Nadel hindurch, ähnlich wie beim intuitiven Zeichnen. Das dabei entstehende, dröhnende Rattern der Nähmaschine vergleicht die Künstlerin mit dem Rumballern in Videospielen. Im bunten Fädengewirr lassen sich Gottesanbeterinnen, Fabelwesen und andere Kreaturen erkennen. Spätestens beim Anblick des Alien-Dumbledore mit Gandalf-Stab wird klar: Ramirez trifft perfekt den schmalen Grat zwischen Fiktion und Wirklichkeit.

Drei Stickbilder hängen an den Wänden der Galerie. Sie zeigen futuristische Szenen, die aus Videospielen entlehnt sind.
Mary-Audrey Ramirez: “An Army of Rats is still an Army”, Installationsansicht, Galerie Russi Klenner, Berlin. Courtesy: The artist and MARTINETZ, Cologne.

Wo wir wieder beim Spielzeuggeschäft wären: Bei Russi Klenner darf man zwar – außer Personen des eigenen Haushalts – nichts knuddeln, aber die anfängliche Faszination bleibt. In jeder Ecke der Galerie gibt es etwas Spannendes zu entdecken und irgendwie wünscht man sich am Ende des Tages, auch eine Ratten-Armee im Wohnzimmer zu haben – oder zumindest mal wieder zu zocken.

WANN: Die Ausstellung „An Army of Rats is still an Army” kann mit Termin bis Samstag, den 24. April, besucht werden.
WO: Galerie Russi Klenner, Luckauer Straße 16, 10969 Berlin.

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