Mitfühlende Orks
Theo Triantafyllidis über seine künstlerischen Strategien

16. Februar 2022 • Text von

In den Arbeiten von Theo Triantafyllidis verschmelzen das Virtuelle und das Reale auf unheimliche, absurde und poetische Weise. Der Künstler schafft Schnittstellen, die sich vom Bildschirm auf den Galerieraum ausdehnen, um Themen wie Isolation, Intelligenz und Gewalt zu erforschen. Hier gibt er einen Einblick in seine künstlerischen Strategien.

Theo Triantafyllidis: The Metaverse and How We’ll Get There Together, 2022, Meredith Rosen Gallery, New York photo: Adam Reich.

gallerytalk.net: Ein Konzept, das in letzter Zeit in den Mittelpunkt gerückt ist, ist die Idee von hybriden Projekten und Ausstellungen, die digitale und physische Aspekte kombinieren. Wie würdest du deine künstlerische Praxis unter diesem Gesichtspunkt beschreiben?
Theo Triantafyllidis: Ich betrachte die digitalen Räume, die ich schaffe, gerne als eine weitere Ebene der Realität. Im Kontext einer Galerie denke ich immer an unsere Basisrealität und dann an die digitale Realität, die darüber liegt. Für mich wird es interessant, wenn sich diese Ebenen gegenseitig beeinflussen, und zwar in beide Richtungen. Es geht nicht nur um eine eindimensionale Verbindung, sondern um vielfältige Möglichkeiten, diese Realitäten zu verwirren und zu vermischen.

Wie könnte das aussehen?
2018 haben wir in meiner letzten Einzelausstellung “Role Play” in der Meredith Rosen Gallery eine große Mixed-Reality-Installation mit dem Titel “Studio Visit” gezeigt. Ich habe einige zweidimensionale Drucke auf Sperrholz und skulpturale Arbeiten präsentiert, aber auch einen beweglichen Bildschirm auf Rädern. Ich habe ein VR-Gerät gehackt, um es anders als beabsichtigt zu nutzen. Es wurde speziell angefertigt und konnte als erweitertes Portal verwendet werden, durch das die Betrachter*innen eine andere Version des Galerieraums sehen konnten. Ein bisschen wie “Pokemon Go”. Der virtuelle Raum überlappte sich mit dem physischen Raum, man hatte das Gefühl, durch eine Kamera zu schauen. Mit dieser Arbeit wollte ich die digitale und die physische Ebene zusammenbringen und die Art und Weise, wie wir beide Räume wahrnehmen, in Frage stellen.

Theo Triantafyllidis: The Metaverse and How We’ll Get There Together, 2022, Meredith Rosen Gallery, New York photo: Adam Reich.

Wie bist du an deine aktuelle Ausstellung bei Meredith Rosen “The Metaverse and How We’ll Build it Together” herangegangen?
Auch diese Ausstellung basiert auf diesen Grundprinzipien. Aber anstatt sich nur auf Augmented Reality und visuelle Elemente zu konzentrieren, ist die Ausstellung auch sehr auditiv. Zusammen mit dem Musiker Holly Waxwing haben wir eine auditive Ebene oder eine Klanglandschaft geschaffen, man könnte sogar von einer Oper sprechen. Diese findet im erweiterten Raum statt und thematisiert gleichzeitig problematische Aspekte der erweiterten Realität, des Metaverse und der VR. Der Klang wird durch tatsächliche keramische Geräte, Skulpturen, geleitet, die den Raum um uns herum dominieren.

Du zeigst auch Skulpturen, die einem Computerspiel entsprungen zu sein scheinen. Warum interessiert dich diese Ästhetik?
Genauso wie ich mich für die Verschmelzung von Virtuellem und Realem interessiere, bin ich auch sehr daran interessiert, wie die Videospielkultur und die Spielästhetik langsam die Realität auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Die digitalen Objekte in Spielen haben eine sehr spezifische, greifbare Qualität. Bei der Gestaltung von Videospielen gibt es ganz klare technische Beschränkungen.

Wie meinst du das?
Früher gab es Beschränkungen für die Anzahl der Polygone, so dass alles sehr scharf und kantig wirkte. Aber gleichzeitig sollten diese Objekte auf dem Bildschirm schön aussehen und für die Spieler begehrenswert sein. So hat sich eine sehr spezifische, fremdartige Bildsprache entwickelt. In letzter Zeit wurde diese Ästhetik vor allem durch Dinge wie Cosplay und Mode wieder in die Realität übertragen. Die Designsprache von Computerspielen ist in der Designsprache des realen Lebens sehr präsent geworden. Auch die Logik der Videospiele fängt an, auf seltsame Art und Weise in die Realität zurück zu schwappen.

Theo Triantafyllidis: The Metaverse and How We’ll Get There Together, 2022, Meredith Rosen Gallery, New York photo: Adam Reich.

In der aktuellen Ausstellung präsentierst du zwei Arbeiten mit bewegten Bildern, die aber keine Videos sind. Kannst du erklären, was sie genau sind?
Beide Bildschirmarbeiten in der Ausstellung, “Radicalization Pipeline” und “Ork Haus”, sind Live-Simulationen. Es handelt sich um sich selbst generierende Software-Arbeiten, die in Echtzeit ablaufen. Sie arbeiten in einer offenen Schleife, das heißt, sie haben im Grunde keine festgelegte Dauer. Sie laufen weiter, potenziell für immer. Sie basieren auf spezifischen internen Logik-Systemen. Alle Figuren in “Radicalization Pipeline” zum Beispiel befinden sich in einer Schlachtfeldszene, schauen sich um, interagieren miteinander, bilden kleine Gruppen auf der Suche nach Feinden.

Wie hast du das gemacht?
Ich habe versucht, dies als Choreographie einer Menschenmenge zu gestalten und fein abzustimmen. Jede Figur hat eine kleine KI, so dass es eine sich ständig verändernde Dynamik gibt, die quasi lebendig ist. Die Logik von “Ork Haus” basiert in gewisser Weise auf dem Spiel “Sims”, in dem jede der Figuren ihre eigenen Bedürfnisse hat. Also streifen sie durch das Haus und versuchen, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Jede der Figuren handelt für sich, aber je nachdem, wie sie miteinander interagieren, können unterschiedliche Dinge passieren.

Theo Triantafyllidis: Ork Haus, 2021, Screenshot.

Würdest du diese Arbeiten als Spiele beschreiben, die sich selbst spielen?
Wenn man die Aspekte der Live-Simulation versteht, hat man eine Vorahnung, dass diese Figuren wirklich in dieser Realität gefangen sind. Sie sitzen dort fest und müssen ihre Handlungen immer und immer wieder wiederholen. Ich habe versucht, diesen Figuren eine ausgeprägte Persönlichkeit zu geben, aber gleichzeitig bleiben sie zweideutig. Es ist schwer zu verstehen, in welchem emotionalen Zustand sie sich befinden, und es ist nicht sicher, was sie denken. Es ist ein bisschen wie in einem TV-Drama, wo alle Figuren ganz bestimmte Zustände haben, in denen sie sich befinden können, und sie interagieren unabhängig miteinander. Das Publikum kann hinterfragen, was passiert, und es kann seine eigene Version der Geschichte erschaffen, auch wenn es keine feste Geschichte gibt.

Theo Triantafyllidis: Radicalization Pipeline, 2021, Still.

Es gibt auch Arbeiten von dir, wie „Pastoral“, die vom Publikum gespielt werden können. Wie würdest du die beschreiben?
Ich habe Arbeiten gemacht, die interaktiv und spielbar sind. Ich habe ein paar VR-Erfahrungen und einige Spiele gemacht. Bei diesen Stücken verfolge ich einen ähnlichen Ansatz. Ich versuche, den Spieler wie einen Darsteller zu behandeln, ich versuche, an alle möglichen Dinge zu denken, die er tun kann. Ich möchte eine interessante Arena für sie schaffen, eine interessante Palette von Möglichkeiten.

Würdest du dich als Technikoptimist bezeichnen?
Ich glaube, ich war das früher mehr als jetzt. Ich bin immer weniger ein Optimist, was alles angeht.

WANN: Noch zu sehen bis zum 26. Februar.
WO: Meredith Rosen Gallery, 11 East 80th Street New York, NY 10075, USA

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