Staub zu Staub
Pope.L: Hospital in der South London Gallery

17. Januar 2024 • Text von

Zerbrochene Flaschen, verschüttete Flüssigkeiten und eine verfallene Holzkonstruktion, die zu kollabieren droht. In der Ausstellung “Hospital” in der South London Gallery zeigt der amerikanische Performance- und Konzeptkünstler Pope.L eine Reihe von Arbeiten, in denen er sich den Prozessen von Erinnerung, Verfall, Vergessen, Genesung und Trauer annähert. Nur kurze Zeit nach der Eröffnung verstarb der Künstler im Dezember 2023.

Pope.L: Hospital, South London Gallery, 2023. Photo: Andy Stagg. Courtesy of the Artist.

Man betritt die große Ausstellungshalle der South London Gallery durch die roten, transparenten Streifen eines Plastikvorhangs, der so auch in Schlachthäusern zu finden ist. Hinter diesem Portal dominiert eine raumgreifende installative Skulptur die gesamte Ausstellungsfläche. Drei große Holztürme ragen bis zur Decke, sie wirken wie das Wrack eines lang verschollenen Schiffes. Auf den Spitzen dieser wackeligen Konstruktionen sind Porzellan-Toilettenschüsseln montiert. Eine Reihe von Angelruten sind an den Planken befestigt, an den Enden der Angelschnüre Zeitungspapier als Köder hängt.

Das gesamte Ensemble ist mit weißem Staub bestreut. Es wirkt trotz seiner Größe fragil und zart, wie schwache Körper, die sich aneinander schmiegen um sich so ein bisschen Halt zu geben. Die Arbeit ist die Überarbeitung einer früheren Rauminstallation des Künstlers. In seiner Performance “Eating the Wall Street Journal” aus dem Jahr 2000 saß er nur mit einem Suspensorium bekleidet und mit Mehl bedeckt auf einer Toilettenschüssel und verzehrte Zeitungsseiten des Wall Street Journals.

Pope.L, Eating the Wall Street Journal (3rd version), 2000 performance. MoMA, New York, NY, USA.

Pope.L war vor allem für seine provokativen Performances und öffentlichen Installationen bekannt. Im Fokus seiner künstlerischen Strategien standen immer Themen wie Geschlecht und Ethnie, aber auch die zentralen Fragestellungen der zeitgenössischen Kultur, die durch Konflikte und ungerechte Systeme gekennzeichnet ist. Konzeptuell kann man Pope.L in der Philosophie und im Theater verorten, seine Praxis umfasste neben Performance-Kunst und interventionistischer Public Art auch Installation, Video, Malerei und Schriftstellerei. In seinen Arbeiten verwebt er widersprüchliche und provokante Themen, dabei vermengt er oft Satire mit politischem Kommentar. Seine scharfe Kritik an den bestehenden Verhältnissen ist dabei, wenn auch nicht subtil, so dennoch elegant und durchaus humorvoll. Die Ausstellung in der South London Gallery umfasst eine Reihe von Installationen und Interventionen, die allesamt Umgestaltungen früherer Werke sind. Bei der zentralen Arbeit im großen Ausstellungsraum hat er jedoch alle performativen Elemente entfernt und den Fokus auf die Dynamik der umstürzenden Türme gelegt.

Pope.L: Hospital, South London Gallery, 2023. Photo: Andy Stagg. Courtesy of the Artist.

Neben dieser großen Installation sind auch vier „shelf works“ zu sehen, an den Wänden montierte Assemblagen aus Flaschen, die mit billigen, bunten alkoholischen Getränken gefüllt sind. Genau wie die große Skulptur evozieren diese Arbeiten ein Gefühl der Verletzlichkeit und Zartheit. Eine partizipative Installation fordert die Besucher*innen auf, eine Prise mehlähnlichen Staubs zu nehmen, um ihn im Raum zu verstreuen. Eine Geste, die man auch von Beerdigungen kennt. Für den öffentlichen Raum vor der Institution hat der Künstler zudem Fahnen konzipiert, die ein ausgeblichenes pinkes Kreuz tragen. Die Referenz zum universell verstandenen roten Kreuz ist deutlich, Pope.Ls Kreuz ist jedoch schwer zu erkennen und scheint in seiner Blässe selbst Hilfe zu brauchen. Im Eingangsbereich der Fire Station, dem zweiten Standort der South London Gallery hat Pope.L getrocknete Blüten der Marigold-Blume verstreuen lassen. Die Blume, die auch türkische Nelke oder Totenblume genannt wird, hat ihren festen Platz zum Beispiel in mexikanischen Totenkulten. Ephemer und vergänglich verschönern sie den musealen Raum.

Pope.L: Hospital, South London Gallery, 2023. Photo: Andy Stagg. Courtesy of the Artist.

Ephemerität und Vergänglichkeit spielen in der Ausstellung eine zentrale Rolle. Der Titel “Hospital” ist vom lateinischen Wort hospes entlehnt, das Fremder bedeutet oder Gast. Wie viele der gezeigten Arbeiten bleibt auch der Titel der Ausstellung mehrdeutig und nicht leicht greifbar. Die gesamte Ausstellung strahlt in ihrer Mehrdeutigkeit jedoch eine eigene Poesie aus. Pope.L verbindet persönliche Erkenntnisse mit kollektiven Erfahrungen. Erinnerung, Verfall, Genesung und Trauer sind die großen thematischen Komplexe, die in der Ausstellung präsent sind. Nicht präsent ist der Künstler selbst. Pope.L, der für seine oft absurden, intensiven und anstrengenden Performances bekannt war hat sich dieser Ausstellung als Protagonist entzogen. Zurück bleiben Spuren, zarte und drastische, poetische und dramatische.

WANN: Die Ausstellung “Pope.L: Hospital” ist noch bis zum 11. Februar 2024 zu sehen.
WO: South London Gallery, 65 Peckham Rd, London SE5 8UH, Vereinigtes Königreich.

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