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"It's an Art Match" in der Kunsthalle Bremen

14. April 2023 • Text von

Wer von konventionellen Dating-Portalen frustriert ist, kann mit der Web-App “It’s an Art Match” der Kunsthalle Bremen auf Dates mit Kunstwerken umsteigen. Mittels spezifischer Auswahlkriterien – rein kunstwissenschaftlich versteht sich – wird das ideale Gegenstück ermittelt und ein Pool aus 15 Matches aus der hauseigenen Sammlung vorgeschlagen. Eine echte Alternative zu Tinder und Co. ist es aber wohl nur für die ganz hartgesottenen Kunstfans.

GT Tinder

Ist die Web-App “It’s an Art Match” das neue Tinder der Kunst? Auch wenn die geografische Reichweite sich allein auf Bremen beschränkt, erscheint die Auswahl mit 600 potenziellen Matches aus der Sammlung der Kunsthalle Bremen vielversprechend. Die App funktioniert dabei ähnlich wie bekannte Online-Dating-Portale, ist also deutlich an Tinder und Co. orientiert. Den einzigen Unterschied stellt das Objekt der Begierde da, denn “It’s an Art Match” vermittelt ausschließlich Dates mit Kunstwerken. Die App wurde anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Kunsthalle gelauncht und ist Teil eines über ein Jahr andauernden Jubiläumsprogramms.

Nutzen lässt sich die App nach einem Log-in auf der Website “Artsurfer”, die alle Angebote der Kunsthalle von Führungen bis zu einer eigens kuratierbaren Digitalausstellung aus Werken der Sammlung bündelt. Nach dem Öffnen der App und der Aktivierung von “Finde deine Dates” steht der Suche nach der wahren Liebe in der Welt der Farben und Formen nichts mehr im Weg. Zunächst ist es jedoch an den kunstsinnigen Nutzer*innen, unter Angabe von Basisinformationen wie Name, Alter und Geschlecht ein aussagekräftiges Profil zu erstellen. Ein Profilbild mit dem Gesicht eines Kunstwerks aus der Sammlung vervollständigt die digitale Präsenz

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“It’s an Art Match”, Konzeption Jasmin Mickein, Kunsthalle Bremen, Screenshots.

Als lesende Muse, adliger Jüngling oder gehörntes Fabelwesen geht es danach an die Beantwortung von Fragen bezüglich Vorlieben und Charaktereigenschaften. Im Rahmen dessen werden natürlich nur die wirklich wichtigen Aspekte abgefragt, zwecks Partner*innenwahl tief in die Seele geblickt und die ermittelten Daten in der App erfasst.

In einem besonders intensiven inneren Zwiegespräch heißt es entscheiden, ob man lieber Katzen oder Hunde mag, sich eher mit der Stadt oder dem Land identifiziert oder sich mehr dem Chaos statt der Ordnung verwandt fühlt. Dass anhand dieser Persönlichkeitsmerkmale die Suche nach der künstlerischen Seelenverwandtschaft nur mittels eines hochkomplexen Algorithmus erfolgen kann, versteht sich natürlich von selbst. Ob dieser sich wohl an rein kunstwissenschaftlichen Kriterien orientiert?

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“It’s an Art Match”, Konzeption Jasmin Mickein, Kunsthalle Bremen, Screenshots.

Nach der Beantwortung des Fragebogens schlägt die App unter Angabe prozentualer Übereinstimmung 15 Matches aus über 600 Werken der Sammlung vor. Auf diese Weise kommen solch schöne Sätze wie “Karl (29) wartet auf dich im 1. OG in Raum 22” oder “Gustav (32) wartet auf dich im Mittelsaal” zustande. Gemeint sind damit Karl Schmidt-Rottluffs Gemälde “Das rote Haus” von 1915 sowie Gustav Gildemeisters “Traum” aus dem Jahr 1908.

Nach einer kleinen stilistischen Einordnung folgt eine Erklärung, warum mit Karl oder Gustav gematcht wurde. So wurde die Auswahl getroffen, weil die Nutzer*innen beispielsweise zuvor emotional statt rational präferierten, das Sofa Sport vorziehen oder es lieber bunt statt einfarbig mögen. Mit einem Herzen lässt sich schließlich ganz im Stil gängiger Social-Media-Plattformen der Treffer mit “Ich möchte ein Date” speichern, sich mittels des angezeigten Lageplans gedanklich auf den Besuch in der Kunsthalle vorbereiten und vielleicht bereits ein auf das Kunstwerk farblich abgestimmtes Outfit bereitlegen.

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“It’s an Art Match”, Konzeption Jasmin Mickein, Kunsthalle Bremen, Screenshots.

Manchmal wird jedoch nicht nur eine einzelne Arbeit vorgeschlagen, sondern gleich eine ganze Stilrichtung wie der Expressionismus. In dem Fall wird auf die entsprechenden Räume in der Kunsthalle verwiesen. Polyamorie scheint angesichts der üppigen Auswahl tatsächlich gar nicht mal so abwegig zu sein. Andere der Matches wie zum Beispiel eine Arbeit von Otto Mueller entpuppen sich dagegen als unerreichbar, weil sich das Gemälde zurzeit im Depot befindet und ein etwaiges Date vorerst Wunschtraum bleibt.

Derartige Kunstwerke lassen sich ebenfalls als Favoriten markieren, doch erfordert das ersehnte Treffen in Form des Zugeständnisses “Ich liebe Herausforderungen und kann warten” ein wenig Geduld. Im Museum wie in der Liebe heißt es also manchmal warten. Eine Fernbeziehung zum Lieblingskunstwerk ist grundsätzlich nicht unüblich, kann aber eventuell auf Dauer etwas unbefriedigend ausfallen. 

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“It’s an Art Match”, Konzeption Jasmin Mickein, Kunsthalle Bremen, Screenshots.

Was vielleicht auf den ersten Blick ziemlich albern klingt, ein peinliches Anbiedern an die junge Zielgruppe sein könnte, stellt sich als spielerisch-digitaler Ausflug in die Kunsthalle heraus. So beschäftigen sich die Nutzer*innen automatisch mit Werken, die sie sonst vielleicht nicht beachtet hätten, können einen digitalen Blick ins Depot werfen und sich noch mehr auf den nächsten Museumsbesuch freuen. Wer nur ein wenig Spaß haben will bei Verwendung der App, kommt dabei genauso auf seine Kosten wie kunstaffine Romantiker*innen. Ein Info-Quickie und auf zum nächsten Kunstwerk oder doch die ewige Liebe?

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“It’s an Art Match”, Konzeption Jasmin Mickein, Kunsthalle Bremen, Screenshots.

Eine Alternative zu Tinder ist “It’s an Art Match” allerdings nur für die ganz hartgesottenen Kunstfans, die sich nach einer doch eher einseitigen Liebe mit einem vermutlich deutlich älteren Gegenstück sehnen. Obwohl die Liebe zum jeweiligen Kunstwerk vielleicht länger hält als so manch andere Partnerschaft.

WAS: “It’s an Art Match” heißt die Web-App, die über “Artsurfer” abgerufen werden kann.
WO: Kunsthalle Bremen, Am Wall 207, 28195 Bremen.

Falls ihr nach mehr Tipps für Kunst-Apps sucht, findet ihr hier eine Review zu “Sam”, einen vom MGKSiegen in Kooperation mit Künstlerin Florence Jung entwickelten Chatbot.