Die echtere Welt
"The World is Not Enough" in der Real World App

10. März 2022 • Text von

Manuel Rossner ist an den einschneidenden Auswirkungen der virtuellen Realität und der künstlichen Intelligenz auf das räumliche Erleben und unsere Vorstellung von Architektur interessiert. Dabei entwirft er digitale Räume und virtuelle Welten und baut interaktive Architekturen mit digitalen Materialien, die sowohl räumliche Eingriffe als auch virtuelle Erweiterungen sind. Sein Projekt New Float ist App, Archiv, Museum und Eingriff in die Stadtlandschaft Berlins gleichermaßen.

Manuel Rossner: REALWORLD / NEW FLOAT, 2022.

Die App ist schnell auf dem Smartphone installiert und geöffnet. Nachdem man noch einige Daten in den Zwischenspeicher geladen hat, findet man sich in einem weitläufigen Raum wieder. Mit den Daumen beider Hände steuert man seinen abstrahierten Avatar durch einen musealen Space, der entfernt an das Guggenheim in New York erinnert, fast wie in einem Jump-And-Run-Game. Auf 25.000 Quadratmetern und vier Etagen werden Positionen der Netzkunst, Social-Media-Kunst und Krypto-Kunst gezeigt, die die Entwicklung des Internets und der Meme-Kultur, den Plattform-Kapitalismus und diverse Zukunftsvisionen nachzeichnen. Unter dem Titel „The World is Not Enough“ wird eine repräsentative digitale Auswahl von 65 Kunstwerken von 58 Künstlern, die im Zeitraum von 2000 bis 2022 entstanden sind, präsentiert.

Manuel Rossner: REALWORLD / NEW FLOAT, 2022.

Das vom Künstler Manuel Rossner konzipierte „New Float“ ist ein digitaler Ausstellungsraum, mit einem Schwerpunkt auf der Präsentation und Diskussion aktueller Entwicklungen im Zusammenhang mit digitaler Kunst, dem Metaversum und virtueller Realität. Es soll neue Erfahrungen ermöglichen, indem der digitalen Kunst ein nativer und immersiver räumlicher Kontext gegeben wird. Es ist nicht das erste Projekt, das Manuel Rossner in der digitalen Sphäre umsetzt. Schon seit 2012 experimentiert er mit digitalen Räumen und Erweiterungen, hat mit namhaften Institutionen und Galerien zusammengearbeitet. Er erweitert Räume und Institutionen und transferiert sie ins Digitale. Das „New Float“ sticht dabei heraus: Der Künstler ‚besetzt‘ eine prominente Brache in der Stadtlandschaft Berlins. Er ‚bespielt‘ metaphorisch das freie Grundstück zwischen Neuer Nationalgalerie, Philharmonie und St. Matthäuskirche bis ins Jahr 2026, wenn das Museum des 20. Jahrhunderts von Herzog & de Meuron eröffnet werden soll.

Manuel Rossner: REALWORLD / NEW FLOAT, 2022.

Das „New Float“ fungiert so als temporäre, digitale Kunsthalle im Herzen Berlins. Die digitale Architektur basiert auf Prämissen der dynamischen Expansion, Flexibilität und schnellen Anpassungsfähigkeit. Die Formen wurden durch Physiksimulationen, der Innenraum mit ‚digitalem Ton‘ modelliert. So entstehen Räume für Kunst, die selbst dynamisch, expansiv und generativ ist. Das „New Float“ beherbergt auch die Realworld Collection. Diese Sammlung umfasst Werke aus den Bereichen generative Kunst, Kryptokunst, 3D-Skulpturen, Augmented Reality, KI, Video und Fotografie.

The World is Not Enough in der Real World App, Ausstellungsansicht, 2022.

Das „New Float“ ist Teil der Real World, eines Metaversums von digitalen Kunsterlebnissen, die geografisch verortet sind. Digitale Kunst wurde eine sehr lange Zeit nur als Nische betrachtet, als eine Randerscheinung, die parallel zur etablierten Kunst rezipiert wurde. Die schnelle technische Entwicklung des Internet, der Smartphones und VR-Geräte aber auch die Pandemie haben dies nachhaltig verändert. Dennoch benötigt die digitale Kunst repräsentative Orte und Räume, um gesehen und in ihrer Entwicklung verstanden zu werden. Das „New Float“ ist ein ambitioniertes Projekt, um einen solchen Raum zu schaffen und zu bespielen.

WO: In der Real World App im App Store.