En Plein Air Ausstellungen an der frischen Luft
22. Februar 2021 • Text von Quirin Brunnmeier
Die Museen sind geschlossen, die Galerien auch. Das wird wahrscheinlich noch eine gewisse Zeit so bleiben. Wir klicken uns einstweilen durch Game-Art, Online Viewing Rooms und streamen heiter Content auf zumindest einem Screen. Dass zeitgenössische Kunst auch abseits der White Cubes funktionieren kann, beweisen die Projekte Final Hot Desert, THE POOL, Light-harvesting Complex und TROPEZ. Sie präsentieren Kunst an der frischen Luft. Das gibt durchaus Hoffnung für den Sommer.
Die vereinigten Staaten von Amerika sind, mal abgesehen von den politischen, sozialen und ökonomischen Problemen, auch einfach ein wahnsinnig schönes Land. Vom Atlantik bis zum Pazifik erstrecken sich scheinbar unendliche Landschaften aus Wäldern, Feldern, Bergen und Ebenen. Der Wüste hat sich der nomadische Raum für zeitgenössische Kunst Final Hot Desert in Salt Lake City verschrieben. Das Projekt hat sich seinen Namen von einer der frühesten veröffentlichten geologischen Vermessungen, die in Utah durchgeführt wurden geborgt. Ausstellungen finden an formellen wie informellen Orten statt, auch in der freien Natur. Geleitet und kuratiert wird das Projekt von Ben Sang. Dass die Ausstellungen in der entlegenen Wüste wahrscheinlich eher wenige Besucher haben, ist angesichts der beeindruckenden Bilder wohl eher zweitrangig.
Nicht die Wüste, sondern ein verwaistes Schwimmbad am Marmarameer in der Türkei bespielen Ece Cangüden und Marian Luft mit ihrem Projekt THE POOL. Das Ziel soll es sein, neue, dynamische und kollaborative Formen der Zusammenarbeit zu ermöglichen und zu präsentieren. Unserer digitalen Existenzen werden so fluide in die Realität transferiert und per Instagram wieder in die digitale Sphäre geblasen. Dabei ist THE POOL als unabhängige Plattform für Ausstellungen, Forschung und Residencies geplant. Bei der großen Gruppenausstellung „The Days Are Just Packed“ im Herbst 2020 war auch Ben Sang aus Utah einer der Künstler*innen. THE POOL setzt auf die Kraft der Netzwerke, die es ermöglicht, unterschiedlichste Postionen aus verschiedenen Regionen der Welt an einem Ort zusammen zu bringen um sie global zu verbreiten.
Vom türkischen Pool zum finnischen Wald. Das Projekt Light-harvesting Complex ist eine kuratorische Plattform in einem Gewächshaus in Vantaa, Finnland. Organisiert wird sie von Sara Blosseville und Victor Gogly. Es will ein lebendiger Ort sein, der sich organisch entwickelt und an die Jahreszeiten anpasst. Ein Ort des Abgleichs zwischen Menschen, Artefakten, Insekten und Pflanzen. Kunst und Natur werden in einen Zusammenhang gebracht, sie ergänzen sich dabei stimmig. Der Light-harvesting Complex vermittelt eine organische Haltung, schafft in seinem physischen Raum Platz für Narrative, Erzählungen und Imagination. Aber auch die verwunschene Romantik des skandinavischen Waldes wird einem größeren Publikum erst durch die kühlen Algorithmen der sozialen Medien zugänglich.
Nicht im Wald, sondern in der Stadt findet man das Projekt TROPEZ. Zwar nicht in Südfrankreich verortet, so doch an einem durchaus sonnigen Platz: Seit 2017 wird im Sommerbad Humboldthain in Berlin unter dem Label internationale zeitgenössische Kunst präsentiert. Im und um das TROPEZ herum treffen die Badenden auf Skulpturen, Fotografien, Filme, Virtual-Reality-Installationen und digitale Kunstwerke. Initiiert wurde das ambitionierte Projekt, das auch einen Kiosk und ein online Programm umfasst, von der Kunsthistorikerin Nele Heinevetter. Es hat sich in Berlin ein treues Publikum erarbeitet. Man kann nur hoffen, dass im kommenden Sommer Kunst, Eis und Pommes wieder zusammentreffen können.
Zeitgenössische Kunst funktioniert auch außerhalb der klassischen Räume und Strukturen des Betriebs. Sie kann sogar, wenn sie sich darauf einlässt, von ungewöhnlichen Orten der Präsentation profitieren. Diese Orte können jedoch nur in engmaschigen Netzwerken aufblühen, die es ermöglichen, Sichtbarkeit für eher obskure Konzepte zu generieren. Durch aktiven Austausch der Künstler*innen und Kuratoren, Offenheit und das kluge Nutzen sozialer Medien finden die Projekte ihr Publikum, off- wie online. Das kann, neben den niedrigen Kosten und der Flexibilität, auch nach der Pandemie nur von Vorteil sein.