Eine blühende Lichtung
"Painting Nature“ im Kunstraum Grässlin

17. Juli 2023 • Text von

Die Kunst sprießt wie Pilze aus dem Boden. Unter dem Titel “Painting Nature“ sind im Kunstraum Grässlin und an vielen anderen Orten im Schwarzwaldstädtchen St. Georgen Arbeiten aus der Sammlung Grässlin zu sehen, die sich künstlerisch der Natur annähern.

Cosima von Bonin: Anna und Dieter, 2023, © STIFTUNG GRÄSSLIN und die Künstlerin.

Die Natur ist mannigfaltig, bunt, vermeintlich wild und zähmbar. Genauso vielgestaltig, vielseitig und entgrenzt sind auch die Skulpturen, Bilder, Zeichnungen und Fotografien aus der Sammlung Grässlin, die unter dem Titel “Painting Nature“ in St. Georgen gezeigt werden. Die mannshohen Pilze von Cosima vom Bonin wirken in ihrer Dimension fast comichaft, die geblümten Vasenskulpturen von Tobias Rehberger geben der gezähmten, floralen Natur ein sicheres Zuhause und in der Bodenskulptur “Stone Line“ von Richard Long aus dem Jahr 1978 wird natürliches Material in geometrischen Formen gebracht und in eine menschliche Ordnung gefügt.

MARTIN KIPPENBERGER, „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“, 1990 ALBERT OEHLEN, Ohne Titel (Baum 62), 2016 REINHARD MUCHA, „ABSK – St. Georgens randlose Säule“, 2020 GEORG BASELITZ, „Ein Hund kommt zu spät“, 2001 © STIFTUNG GRÄSSLIN und die Künstler, Nachlass Martin Kippenberger, VG Bild-Kunst, 2023 (Reinhard Mucha, Albert Oehlen) Fotograf: Wolfgang Günzel, Offenbach.

In der gerade eröffneten großen, zweijährlichen Kunstpräsentation der Sammlung Grässlin werden Arbeiten gezeigt, in denen man erkennen kann, wie die Kunst die Natur sieht oder sehen will. Es geht aber gerade nicht um die bildliche Repräsentation von Natur, eher um einen offenen, abstrakten Umgang mit unserer Wahrnehmung der Natur und der Verortung der Menschen in ihr. Die Natur fungiert dabei gleichzeitig Sehnsuchtsort, konzeptueller Hintergrund oder Inspirationsquelle expressiver künstlerischer Gesten.

TOBIAS REHBERGER, „Thomas“, 1999/2009 HERBERT BRANDL, „Kusamono“, 2021 © STIFTUNG GRÄSSLIN und die Künstler Fotograf: Wolfgang Günzel, Offenbach.

Die Ausstellung ist dabei dicht mit der lokalen Stadtstruktur verwoben. Der Kunstraum Grässlin, ein musealer White Cube, fungiert als Zentrum, aber auch eigentlich kunstfremde Orte werden als “Räume für Kunst” mit Arbeiten bespielt. So werden für die Ausstellung auch der Plenarsaal des Rathauses, ein ehemaliges Fabrikgebäude und leerstehende Ladenlokale für die Präsentation von Arbeiten genutzt. Auch das Privathaus der Familie ist Teil der stadtübergreifenden Ausstellung und wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

COSIMA VON BONIN, THERAPIE (#41), 2002, Upstairs Downstairs (mirror), 2023, Robbing Peter to pay Paul (#18), 1998, Robbing Peter to pay Paul (#24), 1998 © STIFTUNG GRÄSSLIN und die Künstlerin Fotograf: Wolfgang Günzel, Offenbach.

Die ausgewählten Arbeiten zeigen eindrucksvoll, dass es nicht eine allgemeingültige Wahrnehmung von Natur und Landschaft geben kann und auch, dass die vermeintlichen Gegensätze von Natur und Kultur nur schwer scharf zu trennen sind. Zu sehr ist die uns umgebende Natur bereits domestiziert. Dennoch ist es interessant zu sehen, aus welchen Blickwinkeln, Perspektiven, mit welcher Haltung und mit welcher Absicht sich Künstler*innen dem Themenkomplex Natur nähern.

HERBERT BRANDL, Ohne Titel, 2017, Ohne Titel, 2018, Ohne Titel, 2017 © STIFTUNG GRÄSSLIN und der Künstler; Fotograf: Wolfgang Günzel, Offenbach.

Auch wenn es die Ausstellung nicht explizit anspricht, ist ihr zentrales Thema in Zeiten des Anthropozän und der drohenden Klimakatastrophe höchstaktuell. Unser Bezug zur Natur, der auch durch die kulturelle Repräsentation dieser durch die Kunst geprägt wird, hat einen Einfluss auf unseren Umgang mit der Natur.

WANN: Die Ausstellung “Painting Nature” ist noch bis zum 27. April 2025 zu sehen.
WO: Kunstraum Grässlin, Museumstraße 2, 78112 St. Georgen. Nach Vereinbarung kann die Sammlung im Rahmen eines geführten Rundgangs besichtigt werden.