Institution on Display
Karin Sander im Museion

24. August 2020 • Text von

Geglättete Oberflächen, konzeptuelle Eingriffe und eine Beziehung zum bestehenden Raum. Karin Sander navigiert in ihrer Arbeit entlang der Schnittstellen von Werk, Öffentlichkeit und institutioneller Reflexion. Im Museion in Bozen ist diesen Sommer eine konzentrierte Ausstellung zu sehen, die ältere Arbeiten mit neuen, speziell für das Haus konzipierten Werken kombiniert.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht der Ausstellung: Karin Sander. Skulptur / Sculpture /Scultura im Museion in Bozen
Karin Sander: Skulptur / Sculpture / Scultura Exhibition view. Foto: Luca Meneghel, Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin.

Die Ausstellung „Skulptur / Sculpture / Scultura“ im Museion in Bozen beginnt bereits im Foyer des Museums mit einer sozialen Plastik. Die Besucher*innen werden von einer Arbeit empfangen, die sie zu einem partizipierendem Teil der Ausstellung werden lässt. Unter dem Titel „Identities on Display“ steht eine Reihe gläserner Vitrinen bereit, die als Garderoben konzipiert sind und von den Besucher*innen auch als solche genutzt werden können. Taschen, Sonnenbrillen und Jacken können in ihnen verstaut werden. Diese Objekte des Alltags werden in den Vitrinen gleichsam zu eigenständigen Kunstwerken, die einen gewissen voyeuristischen Blick evozieren. Schon in dieser Arbeit werden die zentralen Fragen nach Autorschaft, Konzept und prozessualer Ausführung sichtbar, die Karin Sanders Schaffen prägen.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht der Ausstellung: Karin Sander. Skulptur / Sculpture /Scultura, hier die Arbeit Identities on Display im Foyer.
Karin Sander, Identities on Display, 2013. Installation view, Museion 2020. Foto: Luca Meneghel. Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin.

Im eigentlichen, lichtdurchfluteten Ausstellungsraum im 4. Obergeschoss wird anhand einiger früherer Werke und speziell für die Ausstellung geschaffener Interventionen ein klarer Blick auf Karin Sanders präzise künstlerische Praxis ermöglicht. Begrüßt wird man von vier „Mailed Paintings“: Die grundierten und ansonsten leeren Leinwände wurden unverpackt an unterschiedliche Ausstellungen verschick und tragen so die Spuren ihrer Reisen als Markierungen auf sich: Kratzer, Flecken, Briefmarken, Aufkleber des Zoll. Diese „Mailed Paintings“ werden so zu Markern ihres eigenen Werdegangs. Das Zentrum des Ausstellungsraumes dominiert jedoch ein riesiger Teppich, in dem, in einer Geste der Doppelung, der architektonische Grundriss des Ausstellungsraumes im Maßstab 1:3 eingewebt ist.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht der Ausstellung: Karin Sander. Skulptur / Sculpture /Scultura im Museion in Bozen.
Karin Sander: Skulptur / Sculpture / Scultura Exhibition view. Foto: Luca Meneghel, Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin.

Karin Sander schafft so einen konzeptuellen Raum im Raum, der anders gelesen und dennoch von den Besucher*innen betreten werden kann. Diese interagieren nun doppelt mit der Architektur der Institution, im tatsächlichen Raum und zusätzlich in der künstlerischen Doppelung. Einen weiteren, subtileren Eingriff in die Struktur des Gebäudes nimmt die Künstlerin mittels der Beleuchtung vor. Sie hat die Lamellen zur Lichtsteuerung auf den Fenstern der Fassade neu programmiert und so eine dynamische Komponente zur räumlichen Gestaltung hinzugefügt. Leise und rhythmisch surren die Motoren der Lamellen, Schatten und Licht verschieben sich in diesem technischen Ballett an der Fensterfront.

Zu sehen sind zwei Skulpturen von Karin Sander im Museion in Bozen.
Karin Sander: Skulptur / Sculpture / Scultura Exhibition views. Foto: Luca Meneghel, Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin.

Um diese beiden zentralen Interventionen herum sind noch einige andere skulpturale Arbeiten platziert. Gläserne, organisch anmutende Objekte schmiegen sich an die Architektur des Raumes, frühere Arbeiten widmen sich Oberflächen und Texturen: Ein glänzend poliertes, rohes Hühnerei aus dem Jahr 1994 wirkt surreal, fragil und irritierend gleichermaßen. Karin Sanders Ansatz ist konzeptuell und doch von einem trockenen, feinen Humor geprägt. Sie nutzt und thematisiert alltagskulturelle Szenarien und übersetzt sie in den Kontext der Kunst. Dabei reflektiert sie die Bedingungen des Ausstellens und die spezifische Rolle der Institution. „Skulptur / Sculpture / Scultura“ im Museion ermöglicht einen klaren und kühlen Blick in das Werk von Karin Sander, das mehr ist, als reines Konzept. Wer sich in diesem besonderen Sommer noch über die Grenze nach Italien traut, sollte unbedingt einen Stop im Museion einplanen.

WANN: Noch zu sehen bis Sonntag, den 20. September.
WO: Museion, P.za Piero Siena 1, 39100 Bolzano, Italien.

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