Internet Explorer: Kunst online #4
Abwesenheit und Präsenz

31. August 2021 • Text von

Auch dieser Internet Explorer ist remote-first: Bei TRANSFER und der left.gallery geht es um Identität und Existenz in digitalen Realitäten, die Fondazione Prada zaubert uns einen Bær ins Handy, das Maxim Gorki Theater richtet die Young Curators Academy aus und Croy Nielsen und Emanuel Layr widmen sich in ihrem gemeinsamen digitalen Space dem Mona Lisa Effekt.

Lawrence Lek: AIDOL (Game Loading Screen), 2021.

Auch vor dem Hype um NFTs gab es digitale Kunst, und es wird sie auch danach weiterhin geben. Um der aktuellen Aufregung wenigsten etwas entgegen zu stellen, haben sich TRANSFER und die left.gallery zusammengetan, um die Ausstellung „Pieces of Me“ zu ermöglichen. Das Projekt soll zum Dialog über gerechte Märkte, nachhaltige Wortschöpfung und den Kontext im Feld der Krypto-Kunst auffordern. Die Künstler*innen der Ausstellung sind für ihre Erkundungen von Identität und Existenz in digitalen Realitäten bekannt und wollen einen Überblick über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der “digitalen Kunst” geben. Glänzende Renderings, Memes, Schmutz, Witze, Machinima, Abstraktion, Intimität und Verkörperung vermengen sich zu einer eigenen Ästhetik, die als Reflexion über diesen Moment gelesen werden kann.

Simon-Fujiwara: Who the Baer, 2021, Ausstellungsansicht, Fondazione Prada, Foto: Andrea Rossetti.

Eine eigentlich schon fast vergessene Technologie hat im Zuge der Pandemie einen unerwarteten Aufschwung erlebt: Der QR-Code. Wir scannen ihn mit dem Handy, um uns in Restaurants anzumelden, oder im Museum. Dass man den Code auch im Internet verwenden kann, beweist die Fondazione Prada. Steuert man die Seite des Projekts „Who’s Online!“ an, wird man aufgefordert, mit dem Telefon einen Code zu scannen und schon ist man in der digitalen Version der Ausstellung „Who the Bær“ von Simon Fujiwara. In Zusammenarbeit mit dem Künstler wurde ein interaktiver Rundgang durch die Ausstellung konzipiert, der die Betrachter*in in die Welt von „Who the Bær“ – einer von ihm im Jahr 2020 geschaffenen Cartoon-Figur – versetzt. Mithilfe einer speziell entwickelten Technik taucht das Publikum in die Coming-of-Age-Geschichte eines Zeichentrickbären ein, der in der Welt der Bilder nach einem authentischen Selbst sucht.

Young Curators Academy, Maxim Gorki Theater.

Das ist eine Frage, die sich wohl viele in den letzten 18 Monaten gestellt haben dürften: Wie verändert die Abwesenheit von Präsenz Widerstand, Aktivismus, Kunst und Kommunikation? Um mögliche Antworten will sich diesen Herbst die digitale Young Curators Academy des Maxim Gorki Theaters bemühen. Dabei will das Projekt eine künstlerische und aktivistische Plattform sein, um Allianzen zu entdecken, Affinitäten zu erforschen und Solidaritäten zu festigen. Künstler*innen, Denker*innen, Schriftsteller*innen und Kurator*innen werden an den Workshops der Akademie teilnehmen und persönliche Strategien zur Aktivierung ihrer Communities entwickeln, über patriarchale und geopolitische Grenzen hinweg.

Damien Roach: Nothing (Pupil), 2021, Still.

Was ist wichtiger, ein Objekt oder die Verweise auf dieses Objekt? Als die Mona Lisa 1911 aus dem Louvre gestohlen wurde, standen die Menschen zwei Jahre lang Schlange, um die leere Stelle zu sehen, an der sie einst im Museum hing. Manche argumentieren, dass die globale Berühmtheit dieses Bildes erst durch diese erzwungene Absenz entstand. Die einzigartige La Giaconde wurde gerade durch ihre Abwesenheit zu einer viralen Sensation. Digitale Kunstwerke sind omnipräsent und gleichzeitig ephemer, sie sind unendlich kopierbar, werden aber als NFT zu einer singulären Entität. Die digitale Ausstellung „The Mona Lisa Effect“ bei CNL will sich der unendlichen Reproduktion als Modus der Macht widmen und sich Themen wie Originalität, Präsenz und Bedeutung nähern. CNL ist ein gemeinsames Projekt von Croy Nielsen und Emanuel Layr. Es soll eine Plattform für die Umsetzung von Ideen sein, die über die jeweiligen Galerieprogramme hinausgehen. Eigentlich lief die Ausstellung nur bis zum 4. Juli, sie ist aber noch abrufbar. Noch so ein Vorteil digitaler Kunst im Netz.