Zwei Hü und ein Brr
Matthias Dornfeld im Oldenburger Kunstverein

27. Januar 2023 • Text von

Es ist nicht überragend viel, wofür Oldenburg über seine Stadtgrenze hinaus bekannt ist. Matthias Dornfelds Ausstellung im Oldenburger Kunstverein lässt an die Oldenburger denken. Nicht an diejenigen, die dort leben, sondern an die Pferde. Das ist ein schönes Zusammenspiel zwischen Ausstellung und dem, wofür Oldenburg vielleicht am bekanntesten ist. (Text: Moritz Juhnke)

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Matthias Dornfeld: „L’amour change tout“, Oldenburger Kunstverein, 2022. Foto: Roman März.

Der Oldenburger Kunstverein zeigt aktuelle Bilder von Matthias Dornfeld. Die Ausstellung „L’amour change tout“ verhält sich kohärent zu seinem bisherigen Schaffen seit den 80ern und bietet in Bezug auf den Künstler keine Überraschungen. Im alten Holzgebälk mit den weißen Wänden kommen die Gemälde der Pferde passend zur Geltung. Kunst und Land gehen schon im Gebäude Hand in Hand zusammen. Bilder bäuerlichen Lebens assoziieren sich von selbst zu den Pferden, während die klinisch weißen Wände über den Kontext der Kunst keinen Zweifel lassen.

Die Pferdebilder sind die hervorstechendste Werkgruppe, die zu sehen ist – nicht nur durch ihre Platzierung im Eingangsbereich. Die Bilder ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich als die abstrakten Gemälde, obwohl diese durch die knallig bunte Farbgebung mehr Aufmerksamkeit einfordern. Neben diesen beiden Werkgruppen sind in der Ausstellung Porträts zu sehen, wie sie bei Dornfeld lange schon beliebt sind.

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Matthias Dornfeld: „L’amour change tout“, Oldenburger Kunstverein, 2022. Foto: Roman März.

Dornfeld bleibt seinem Stil unverkennbar treu. Leider wollen diese Bildergruppen in der Ausstellung nicht miteinander funktionieren. Das macht sich auch an der Hängung bemerkbar. Die Motivgruppen sind weitestgehend voneinander separiert.

Die Darstellungen der Pferde in Stiefeln und Strapsen dominieren deutlich die Wahrnehmung. Gerade diese Werke verändern sich bei einer längeren Beobachtung. Der erste knallige Eindruck verflüchtigt sich leise. Die dunkleren Flächen schälen sich mit dem Beobachten bemerkbar aus dem Motiv heraus. Auch Dornfeld oftmaliger Verzicht auf Grundierung dringt nur schleichend ins Bewusstsein. So tritt bei den meisten Bildern dieser Werkgruppe der Effekt ein, dass sie beim Sehen zunehmend dunkler werden. Eine optische Tiefe entsteht, die sich erst durch das Verweilen entwickelt. Die Pferde hängen locker verteilt im Raum, als wäre er ihre Wiese.

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Matthias Dornfeld: „L’amour change tout“, Oldenburger Kunstverein, 2022. Foto: Roman März.

Die Hängung der Porträts kommt hingegen einem kuratorischen Jumpscare gleich. Zwangsweise fällt der erste Blick auf alle Porträts gleichzeitig, wodurch die Bildermasse Betrachtende kurzzeitig selbst an die Wand drückt. Die lockere Hängung, die Platz für die Bilder lässt, wird hier unerwartet gebrochen, indem sich plötzliche eine lange Reihe an Porträts zeigt.

Diesem Effekt lässt sich nicht entkommen, umso wirkungsvoller ist er. Zwischen den Porträts ist auch ein metaphorisches Augenzwinkern zu finden, welches die lange Reihe ohne den Krampf des Gewollten durchbricht. Der harsche Wechsel zwischen lockerer Hängung und dichter Hängung bei der Porträts veranstrengt es, diese ohne kurzes Innehalten anzusehen.

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Matthias Dornfeld: „L’amour change tout“, Oldenburger Kunstverein, 2022. Foto: Roman März.

Es bleiben die abstrakt gehaltenen Werke. Zwischen diesen Arbeiten ist in dominierender Weise noch ein weiteres Pferd zu sehen. Das wirkt so, als solle die Schwäche dieser Werke dadurch kaschiert werden. Ungelenk werden sie mit den beiden anderen Werkgruppen zusammengeführt, als würde das Pferd von Leere flankiert werden. Dieser Teil der Ausstellung ist enttäuschend.

Die Porträts und Pferdemotive harmonieren miteinander. Pferdedarstellungen mit Zügen, die mitunter menschlich wirken, und Porträts haben eine ambivalente Tiefe. Sie knüpfen an die Malerei der Region an, ohne die Liebe zur Kopie zu entdecken. Die Ausstellung ist nicht misslungen. Zu vieles greift ineinander, um ein negatives Fazit ziehen zu können. Mit den abstrakten Bildern verliert die Ausstellung jedoch ihre Form. Weder als Gegenpart zu den beiden anderen Motivgruppen noch als Facetten der künstlerischen Position Dornfelds funktionieren sie innerhalb der Ausstellung. Es bleiben zwei sehenswerte Motivgruppen und eine Fülselgruppe, die sich sträubt.

WANN: Die Ausstellung „L’amour change tout“ von Matthias Dornfeld läuft bis Sonntag, den 5. Februar.
WO: Oldenburger Kunstverein, Damm 2a, 26135 Oldenburg.

Diese Ausstellungsbesprechung ist im Rahmen eines von Mira Anneli Naß und Radek Krolczyk im Wintersemester 2022/23 geleiteten Praxisseminars zu Kunstkritik im Master Kunstwissenschaft und Filmwissenschaft der Uni Bremen entstanden. 

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