Zeig mir deine Sheroes
Zohar Fraiman bei Priska Pasquer in Köln

16. August 2021 • Text von

Wie auf Bildschirmen glühen in leuchtenden Farben gemalte Frauen, manchmal mit Gesicht, manchmal gesichtslos. Die Künstlerin Zohar Fraiman reflektiert, wie sich weibliche Identität zwischen Disney-Prinzessinnen, Cartoon-Figuren und Sozialen Medien bildet und konstruiert. Immer vor dem Hintergrund überkommener Stereotype von Gender. Wer sind unsere Sheroes?

Zwei Personen in einem Auto vor einem Hintergrund von einem Paar aus vergangener Werbeästhetik.
Zohar Fraiman: “Porsche Divorce”, 2020, Öl auf Leinwand, 110 x 180 cm, courtesy PRISKA PASQUER, Cologne.

Großformatige bunte Gemälde von Frauen mit durchscheinenden Gesichtern, von Disney-Prinzessinnen und Cartoon-Figuren kombiniert mit einer Bildästhetik, die an idealisierte Werbung aus den 50er bis 70er Jahren erinnert, bevölkern die Wände der Galerie Priska Pasquer in Köln. Die collagierten Bilder voller Kontraste, warmes Orange steht direkt neben kühlem Blau, eröffnen in ihrer Doppeldeutigkeit eine zweite Ebene, lassen Interessierte tief hinab in die Bildwelt der israelischen Künstlerin Zohar Fraiman steigen.

„Show me your Sheroes“ ist der Titel der Schau, die nach weiblichen Helden, nach weiblichen Vorbildern fragt. Der Begriff Shero wird im Oxford Dictionary wie folgt charakterisiert: Eine Frau, die für ihren Mut, ihre herausragenden Leistungen oder ihre edlen Eigenschaften bewundert oder idealisiert wird, eine Heldin. Verbunden mit Beispielsätzen wie „what an amazing experience to be able to meet your shero“ oder „she is undoubtedly one of my generation’s most iconic and influential sheroes“. Überraschenderweise findet sich der Begriff bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts verbunden mit den Suffragetten, einer Bewegung von Frauenrechtlerinnen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Was aber sind unsere Sheroes heute? Wen teilen wir als universelle Vorbilder?

Blick in die Ausstellung "ZOHAR FRAIMAN - SHOW ME YOUR SHEROES".
“ZOHAR FRAIMAN – SHOW ME YOUR SHEROES”, kuratiert von Gloria Aino Grzywatz, Ausstellungsansicht PRISKA PASQUER GALLERY, Foto: Mareike Tocha, courtesy PRISKA PASQUER Cologne.

Das Ölgemälde „Prime Time“ (2020) zeigt eine Frau neben einem Fernseher, davor ein männlicher Betrachter. Die Frau ist nicht vollkommen anwesend, transparent legt sich ihr Abbild über das von Cruella De Vil aus „101 Dalmatiner“. Zwei Frauen wie Schablonen übereinandergelegt, heben sich voneinander ab und ergänzen sich gleichermaßen. Vielleicht sind es auch zwei Seiten ein und derselben Person, sich überlagernde Identitäten.

Bildschirme, Tablets, Smartphones werden bei Fraiman zum Spiegel einer digitalen Identität, die Teil von uns ist und doch bewusst nach außen kommuniziert wird. Was wollen wir von uns im Internet preisgeben und was lieber nicht? Wie sehr lassen wir uns von der digitalen Welt beeinflussen, die immer mehr in unsere Lebensrealität ausgreift? Leuchtende Neonfarben ahmen digitale Effekte nach, glühen wie auf Bildschirmen aus sich selbst heraus und passen sich der satten, grellen Ästhetik des Internets an.

Zohar Fraiman: “Prime Time”, 2020, Öl auf Leinwand, 130 x 110 cm, courtesy PRISKA PASQUER, Cologne | Zohar Fraiman: “Muffin Palace”, 2020, Öl auf Leinwand, 150 x 150 cm, courtesy PRISKA PASQUER, Cologne.

In „Porsche Divorce“ (2020) bildet die idealisierte Szene rund um ein Paar in der Küche, vergangener Werbeästhetik entsprungen, den Hintergrund. Dieser führt den Betrachter*innen die damaligen gesellschaftlichen Erwartungen und Vorstellungen vom scheinbaren Idealbild vor Augen. Davor finden sich zwei Figuren aus der X-Men Cartoon-Reihe, Rogue und Gambit, in einem Auto sitzend. Die Figuren im Vordergrund sind dabei auf ganz andere Weise gemalt als das Paar im Hintergrund, die Farbe hier blockhafter, zeitgenössischer gesetzt. Die Frau sitzt am Steuer, blickt zurück auf die Szenerie im Hintergrund und fährt voraus.

Blick in die Ausstellung "ZOHAR FRAIMAN - SHOW ME YOUR SHEROES".
“ZOHAR FRAIMAN – SHOW ME YOUR SHEROES”, kuratiert von Gloria Aino Grzywatz, Ausstellungsansicht PRISKA PASQUER GALLERY, Foto: Mareike Tocha, courtesy PRISKA PASQUER Cologne.

„Allegory of Love“ (2021) weist dagegen eine Vielzahl an kunsthistorischen Bezügen auf und ist inspiriert von den großen Figurenbildern der italienischen Renaissance, genauer von Tizian, dem Meister der Bildkomposition. Aber auch die Anspielung auf Paula Modersohn-Becker im Hinblick auf die Katze ist deutlich erkennbar. In der Mitte der Frauengruppe leuchtet ein Tablet, auf dem ein Tinder-Profil zu sehen ist, sodass sich das Gemälde offenbar mit dem Effekt des Swipens auseinandersetzt. Es geht um Dating-Profile, die Doppelgänger zeigen, Teil der jeweiligen Person sind und ihr doch nicht entsprechen. Die Gesichter der Swiper verschwinden, werden eins mit dem Hintergrund, wie bei einem Fehler in einem Computerspiel, einem Glitch. Eine der Frauen aber hat kein durchscheinendes Gesicht und fokussiert mit kritischem Blick die Betrachter*innen. Sie scheint auf übersteigerte und verzerrte Selbstinszenierung im Internet aufmerksam zu machen, fordert eine reflektierte Betrachtung im Angesicht von zunehmender Austauschbarkeit im Netz.

Blick auf ein Bild von drei Frauen, teilweise mit Gesicht und teilweise gesichtslos, die ein Tinder-Profil betrachten.
“ZOHAR FRAIMAN – SHOW ME YOUR SHEROES”, kuratiert von Gloria Aino Grzywatz, Ausstellungsansicht PRISKA PASQUER GALLERY, Foto: Mareike Tocha, courtesy PRISKA PASQUER Cologne.

Zohar Fraiman beschäftigt sich mit dem Einfluss digitaler Medien auf weibliche Identität und auf gängige Stereotype. Wie werden weibliche Identitäten bei Instagram, Facebook, Snapchat und Tinder gebildet? Immer wieder sind in ihren Gemälden reflektierende Oberflächen zu finden, seien es Bildschirme, Tablets, Smartphones oder Spiegel. Der digitale Raum wird zunehmend zum Bestandteil der Wirklichkeit, Grenzen lösen sich auf und gehen beinah nahtlos ineinander auf. Figuren aus der Popkultur, aus Comics und Zeichentrickfilmen werden real und übertragen konstruierte Frauenbilder vom Bildschirm direkt in die Köpfe der Konsument*innen.

In „Rat geber“ (2021) sitzen zwei Ratten neben einem Kind, das den Disneyfilm „Aladdin“ anschaut. Über den Bildschirm flimmert eine Kussszene von Jasmin und Dschafar, Aladdins Gegenspieler. Jasmin nutzt ihre Sexualität hier als Mittel, um andere zu retten. Ist das Ausdruck von Selbstbestimmtheit oder Manipulation? Welche Art von Vorbild ist Jasmin? Was flüstern die tierischen Berater dem Kind zu? Ist der Blick in den Fernseher der Blick in die Zukunft des Mädchens? Auf dem Fernseher steht zudem ein Rahmen mit dem Bild von Laura Palmer, einer Figur aus der Serie „Twin Peaks“, die einen Doppelgänger besitzt. Ähnlich wie die digitalen Doppelgänger*innen, die mittlerweile auch die meisten von uns täglich begleiten.

Blick in die Ausstellung "ZOHAR FRAIMAN - SHOW ME YOUR SHEROES".
“ZOHAR FRAIMAN – SHOW ME YOUR SHEROES”, kuratiert von Gloria Aino Grzywatz, Ausstellungsansicht PRISKA PASQUER GALLERY, Foto: Mareike Tocha, courtesy PRISKA PASQUER Cologne.

Ein durch Disney konstruiertes Frauenbild lässt kleine Mädchen das Prinzessinnendasein erträumen. Zumeist hübsche, hilflose Frauen, die auf eine Rettung durch den Mann warten. Sind das unsere Sheroes? Oder sind es vielmehr selbstbestimmte Frauen, die sich allein zu helfen wissen? Die Disney-Prinzessinnen bei Fraiman wollen die Bühne längst verlassen, haben in Bitcoin und NFTs investiert und stoßen doch an die Grenzen der für sie gemachten Bühnen, sind gefangen in einer für sie geschaffenen Realität. Nicht nur für sie ist es an der Zeit, endgültig Abschied von stereotypischen Denkmustern zu nehmen.

WANN: Die Ausstellung läuft bis Samstag, den 28. August.
WO: Priska Pasquer Gallery, Konrad-Adenauer-Ufer 83, 50668 Köln.

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